Vom Kritikaster zum Mitgestalter

Von W. Christian Schmitt.

Mit der Reihe „Tischgespräche“ gibt das WIR-Magazin seinen Lesern Gelegenheit, unmittelbar am jeweiligen Geschehen mit dabei zu sein, den Menschen hinter seinem Amt kennenzulernen. Diesmal hat uns Hans-Werner Kabey (l.), in der Kreisstadt gleichermaßen als Karnevalist, Koch und Kommunalpolitiker bekannt, eingeladen.

Genau genommen müsste man über Hans-Werner Kabey mindestens drei Artikel schreiben. Einen über den langjährigen Vorsitzenden und Sitzungspräsidenten des Groß-Gerauer Carnevalvereins (CVG), einen weiteren über den Kommunalpolitiker und sicher zudem auch noch einen über den Koch, Geschichtenerzähler und Ur-Gerauer. Aber das würde den Rahmen sprengen, den wir uns mit dieser WIR-Serie gesetzt haben. Beschränken wir uns also auf das, was er uns beim gut eineinhalbstündigen WIR-Tischgespräch erzählt hat, das auch als eine Art privates Bürgergespräch bezeichnet werden könnte.

Im Mittelpunkt unserer Unterhaltung stand die Frage: Wie kommt ein weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannter Karnevalist, der über viele Jahre „in die Bütt“ gegangen ist, um „den Oberen“ einmal richtig die Leviten zu lesen, dazu, nun selbst einer zu werden? Derjenige, der ihn zur Wählergemeinschaft Kombi und damit auch in die Kommunalpolitik holte (oder sollte man sagen: lockte?) war kein Geringerer als Helmut Kinkel, der erkannt hatte, dass Kabey bei Wahlen ein Zugpferd besonderer Art sein könnte. Ja, sagt Hans-Werner Kabey, „der Helmut war schuld“. Aber nicht nur er. Kabey, der aus einer Familie stammt, „in der aus Tradition schon immer alle SPD wählten“, war an einem Punkt angelangt, wo er sich – wie manch anderer Bürger auch – „über Zustände in Gere uffregte“. Aber maulen allein und sagen „des geht net“, ist nicht sein Ding und reicht ja bekanntlich auch nicht aus. Beim Verändern der Zustände mit dabei sein, das sei der einzig richtige Weg, sagte er sich. Und so trat er in die Kombi ein, landete 2006 namentlich auf dem offiziellen Wahlzettel und zog auch prompt ein ins Stadtparlament. Und da die Kombi damals mit elf gewählten Abgeordneten (heute sind es nur noch drei!) die stärkste Fraktion stellte, wurde er nach dem plötzlichen Tod von Karl Götz gleich noch Stadtverordneten-Vorsteher. Quasi über Nacht „aus der Bütt“ auf den Chefsessel in Groß-Geraus Historischem Rathaus und zumindest protokollarisch Erster Bürger der Kreisstadt.

Wie war das, wenn man ohne jedweden kommunalpolitischen Sachverstand von heute auf morgen in eine solche Position gelangt, wollte ich wissen. Kabey: „Helmut Kinkel beruhigte mich und sagte, er werde mich in einer Art Crashkurs auf das Amt vorbereiten“. Allerdings, so fügt er an: „Auf diesen Kurs warte ich heute noch – habe aber dennoch von ihm lernen können“. Und wie lief das mit der Fastnacht weiter? Kabey griff zum Glas, das badischen Rotwein enthielt, und sagte: „Jetzt stoßen wir aber zur Begrüßung erst einmal an“. So denn. Und er fuhr fort: „Fastnacht hatte für mich nach wie vor Vorrang, allerdings ging ich als Vorsteher dort nicht mehr in die Bütt. Das wäre ein zu großer Interessen-Konflikt gewesen“.

Springen wir noch weiter zurück in Kabeys Vergangenheit. In die Zeit, wo (s)eine berufliche Entscheidung anstand: was will ich einmal werden? Der Vater, Zimmermann, empfahl seinem Sohn, er solle doch „Werkzeugmacher bei Faulstroh lernen und dann zu Opel gehen“. Aber das genau wollte Hans-Werner nicht, „eher etwas mit Holz“. Doch letztendlich fiel die Entscheidung ganz anders aus – er ging als Kochlehrling ins „Bad Hotel zum Hirsch“ nach Baden-Baden, „dies im Alter von 14 Jahren“ und fernab des Elternhauses. Ein wenig von dem, was er dort alles gelernt hat, zeigte er Werner Wabnitz und mir bei unserem Besuch. Er steht in der Küche am Herd, und wir schauen ihm über die Schulter, wie ein „Schwarzwälder Saltimbocca“ (wie er die Eigenkreation nennt) zubereitet wird. Beim Schmaus kommen wir dann ins Gespräch über Kochkünste allerorten. Was isst er selbst am liebsten? Antwort: „Rinderrouladen und Maultaschen esse ich gern. Aber auch Hausmannskost gibt oft mehr her als erwartet“. Kabey, der Koch, nicht nur Mitglied im Verein der Köche, auch ehemals Teilnehmer der alle vier Jahre anstehenden „Olympiade der Köche“ – und mittlerweile zudem „Chefkoch“ bei besonderen Veranstaltungen des Fördervereins Stadtmuseum. Nebenbei erzählt er von Reisen nach Schottland und Irland und Kocherlebnissen vor Ort: „Wir sind dort nicht verhungert“. Also muss die Kost auf der Insel besser gewesen sein, als ihr vermeintlicher Ruf. Wir kommen auf Clemens Wilmenroth zu sprechen, den allerersten Fernsehkoch zu Schwarz-Weiß-Zeiten und auf jene TV-Sendungen, die Kabey sich heute noch antut, z.B. „Die Küchenschlacht“. Es ist zu spüren, wie er auch im Rentenalter noch Koch mit Leib und Seele ist.

Bevor wir uns mit Dank verabschieden, wandert unser Blick noch auf die Bücherregale, wo fein säuberlich sortiert nicht nur eine Vielzahl von „Chroniken“ zu finden ist, sondern auch eine reichhaltige Bibliothek mit Werken vieler, vieler Literatur-Nobelpreisträger.

 

Zur Person: Hans-Werner Kabey, geboren 1953 in Groß-Gerau, verheiratet. Von 1968–1971 Ausbildung zum Koch in Baden-Baden, von 1971–1976 Koch im Parkhotel Frankfurt, von 1976 –2016 zunächst als Koch, dann als Küchenleiter, Betriebsleiter und zuletzt als IT-Mitarbeiter bei der Firma EUREST/Compass Group Deutschland in Eschborn tätig. In der Freizeit aktiv in der Kommunalpolitik bei den Freien Wählern-KOMBI, von 2006 bis 2011 als Stadtverordneten-Vorsteher. Mitarbeit in den Vorständen verschiedener Vereine wie Verein der Köche Groß-Gerau, Förderverein Stadtmuseum Groß-Gerau, langjähriger Vorsitzender und Sitzungspräsident des Carneval-Vereins Groß-Gerau 1948 e. V., jetzt Ehren-Sitzungspräsident und Ehren-Mitglied; Mitglied der Gesangsgruppe „Kellergeister“ und des Männerballetts des CVG. Weiteres Hobby: Reisen.

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