Vom Zimmermädchen zur Unternehmerin

Von Heinz Zettl, Dr. Christian Weizmann und Dr. Walter Mittmann. 

Am 17. November 2018 hat sich zum 150. Mal der Hochzeitstag von Adam und Sophie Opel gejährt. An diesem Tag begann der unglaubliche, gesellschaftliche Aufstieg von Sophie Opel, geb. Scheller.

In Rüsselsheim ist Sophie Opel den geschichtlich Kundigen bekannt als die Ehefrau von Adam Opel – die Unternehmerin, die zunächst einige Jahrzehnte (von 1868 bis 1895) an der Seite ihres Mannes das erfolgreiche Nähmaschinen- und Fahrradunternehmen mitleitete und danach 18 Jahre lang das Unternehmen als dominierende Teilhaberin zu einem der erfolgreichsten Automobilunternehmen in Europa weiterentwickelte. Die Story bekommt ihren Glanz aber erst dann, wenn man ihr ganzes Leben betrachtet und dabei an den amerikanischen Traum „Vom Tellerwäscher zum Millionär“ erinnert wird.

Sophie wurde 1840 als sechstes von insgesamt dreizehn Kindern geboren. Lebensgrundlage der großen Familie Scheller war das „Gasthaus zum Löwen“, das in dem winzigen Dorf Dornholzhausen mit gerade einmal etwa 300 Einwohnern zu finden war. Dornholzhausen, eine Gründung von Glaubensflüchtlingen aus dem Piemont, den Waldensern, lag eine halbe Stunde Fußweg von Homburg entfernt und begann gerade, ein wenig vom Glanz der benachbarten, eleganten Stadt mit Spielbank abzubekommen.

So wurde aus dem Gasthof ein Hotel, denn die Ruhe eines Taunustals lockte Gäste an, die der Hitze des Spielsaals zeitweise entfliehen wollten. Ganz selbstverständlich und ohne lange zu fragen, halfen die heranwachsenden Töchter im Betrieb des Vaters und später des älteren Bruders, der das Hotel übernahm – bis sie heirateten. Allein, in dem winzigen Dorf fand sich keiner für Sophie. 28 Jahre war sie mittlerweile geworden, in damaliger Zeit ein Alter, in dem es um die Heiratschancen schlecht stand.

Aber dann öffnete eine Glücksfee eine Tür in eine glanzvolle Zukunft. Diese Fee kam in Gestalt eines Vertreters der kleinen Nähmaschinenfabrik Adam Opel in Rüsselsheim, der 1868 im eher preiswerten Hotel nahe der mondänen Stadt Homburg abstieg. Er lernte die aufgeweckte Frau kennen, die im Hotel beim Zimmerputzen, in der Gaststube beim Servieren und in der Küche vielleicht auch beim Kochen und beim Abwaschen tätig war. Diese Frau schien für seinen Meister zu passen, sie 28, er 31. Außerdem wirkte sie wendig, resolut und selbständig. Und schließlich sprach sie aufgrund der Tradition im Waldenserdorf französisch, eine Sprache, die Adam durch seine Geschäftsverbindung nach Frankreich sehr willkommen war.

Daheim in Rüsselsheim schilderte der junge Mann seinem Chef die Gastwirtstochter in brillanten Farben und legte ihm nahe, die junge Frau kennen zu lernen. Also mietete sich Adam eine elegante Kutsche mit zwei gepflegten Pferden, zog einen Cut an, setzte einen Zylinder auf und machte sich auf den Weg in das etwa fünfzig Kilometer entfernte Dornholzhausen. Offensichtlich kam er in der Gastwirtsfamilie gut an, und auch Sophie gefiel der Schlossermeister. Also wurde schon sehr bald, nämlich am 17. November, in der lutherischen Schlosskirche in Homburg geheiratet. Dann folgten 45 Jahre in Rüsselsheim, erfüllt von der Sorge für fünf Söhne, aber auch – für damalige Zeit völlig ungewöhnlich – als Unternehmerin, die die Entwicklung von Automobilen vorantrieb und Märkte entdeckte, die erst erschlossen werden mussten. So war sie 1912 die Hauptfigur beim Festakt anlässlich des 50-jährigen Jubiläums der Firma Opel. Am Arm des Großherzogs Ernst Ludwig von Hessen schritt sie durch die festlich geschmückte Werkshalle und wurde geehrt und gefeiert. Welch’ unglaubliche Entwicklung für eine Frau im 19. Jahrhundert!

Das Hochzeitsjubiläum ist Anlass, die erste und einzige Biographie von Sophie Opel in zweiter Auflage herauszugeben. Die erste Auflage war 2014 binnen kurzem vergriffen. Nun soll der weiteren Nachfrage entsprochen werden. Das Heft von 64 Seiten kann zum Preis von sechs Euro in der Buchhandlung „Kapitel 43“ oder beim Verlag Geschichtskreis Dornholzhausen, Im Langenfeld 21, 61350 Bad Homburg bezogen werden.

 

Zu den Personen: Heinz Zettl, langjährige Führungskraft in Marketing und Öffentlichkeitsarbeit bei der Adam Opel AG. Initiator und Gründer von Opel Classic und Opel Classic Archiv. Dr. Christian Weizmann, Rechtsanwalt, 1999 Mitbegründer und Erster Vorsitzender des Geschichtskreises Dornholzhausen, heute Ortsteil von Bad Homburg. Dr. Walter Mittmann, Diplomingenieur, zweiter Vorsitzender des Geschichtskreises Dornholzhausen, ausgewiesener Fachmann auf dem Gebiet der Waldenserforschung.

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