Von der Trauerarbeit

Von Franziska Schröder.

Trauer beginnt häufig bereits vor dem Tod eines geliebten Menschen. Manchmal ist zum Zeitpunkt des Todes schon viel von der Trauerarbeit geleistet. Frau Meier (Name geändert) hatte abends vor dem Einschlafen häufig mit ihrem Ehemann, der unheilbar an Krebs erkrankt war, darüber gesprochen, wie es sein würde, wenn er nicht mehr da sein wird. Er versprach, ihr Zeichen zu geben, wenn er im Himmel ist. Sie tröstete sich damit, dass er auch nach seinem Tod auf sie aufpassen würde.

Nicht nur, wenn der Tod eines geliebten Menschen plötzlich eintrifft, kann der Verlust ein Schock sein. Manchmal trifft es einen tief, obwohl man glaubte, sich bereits viel mit dem bevorstehenden Abschied auseinandergesetzt zu haben. Obwohl man vielleicht schon viele Tränen gemeinsam vergossen und gute Gespräche miteinander geführt hat, wird einem häufig erst bewusst, dass man zwar mit dem Kopf gut vorbereitet war. Aber wie es sich tatsächlich anfühlt, weiß man erst, wenn der andere nicht mehr da ist. Häufig ist davon die Rede, dass wir Tote loslassen müssen. Dahinter steckt die Vermutung, dass mit einem abgeschlossenen Trauerprozess die emotionale Verbindung zum Verstorbenen beendet ist. Heute richten wir unsere Aufmerksamkeit in der Trauerbegleitung vielmehr auf das Fortdauern der Bindungen. Auch ein Pendeln zwischen Abschied nehmen und Festhalten von dem, was einem ans Herz gewachsen ist, kann hilfreich sein. Statt ein Loslassen zu fordern, ist es manchmal viel wichtiger, Bindungen zu einer geliebten verstorbenen Person zuzulassen.
Wie sollten beispielsweise Eltern ihr verstorbenes Kind loslassen können? Stattdessen liegt die Kunst darin, die Verbindung zu dem verstorbenen Kind fortdauern zu lassen, um so das Leben und Sterben des Kindes in das weitere Leben der Eltern zu integrieren. Welchen Platz eine verstorbene Person im Leben der Zurückgebliebenen bekommt, kann nur individuell ausgesucht und bestimmt werden.

Hinterbliebene äußern oft ihre Angst davor, dass sie sich irgendwann vielleicht nicht mehr an den Verstorbenen erinnern können. Dahinter verbirgt sich die Vorstellung, dass die Verbindung zur geliebten Person abreißen könnte. Hier können Rituale und das bewusste Zulassen einer fortdauernden Verbindung über den Tod hinaus hilfreich sein. Eine professionelle Trauerbegleitung kann dabei helfen, dass aus dem schmerzhaften Erleben des Verlustes eine liebevolle Erinnerung werden kann. Trauernde werden häufig mit der Vorstellung konfrontiert, dass sie sich innerhalb eines Jahres oder früher von ihrem Verlust erholt haben und wieder in ihrem gewohnten Alltag funktionieren sollen. Diese fiktive Zeitvorgabe kann Betroffene unter Druck setzen, und sie stellen sich die Frage, ob sie noch normal sind, wenn sie nach vorgesehener Zeit immer noch nicht wieder die Alten geworden sind. Dabei hat jede Person ihr eigenes Zeitfenster. Es gibt keine pauschale Zeitvorgabe. Vielleicht hat der Tod eines geliebten Menschen auch bewirkt, dass bisherige Gewohnheiten nicht mehr passend erscheinen und Veränderungen eingegangen werden, die für das soziale Umfeld nicht nachvollziehbar sind. Nicht selten kommt es dazu, dass alte Freundschaften sich lösen und neue Bekanntschaften geschlossen werden.

„Wenn ich Selbstgespräche mit meinem verstorbenen Mann oder meiner verstorbenen Frau führe, bin ich dann noch normal?“ ist eine Frage, die vielfach von Hinterbliebenen gestellt wird. Im Selbstgespräch sucht die trauernde Person die Nähe des Verstorbenen. Es kann ein Versuch sein, Unsicherheiten zu klären: „Hab ich alles richtig gemacht?“ Nicht zu Ende diskutierte Meinungsverschiedenheiten sowie erlebte Ungerechtigkeiten, die vielleicht bis heute nachwirken, sollen zur Lösung gebracht werden. Manchmal soll es auch einfach dabei helfen, sich nicht allein gelassen zu fühlen. Auch Schuldgefühle können dazu dienen, die Verbindung zur verstorbenen Person aufrecht zu erhalten.

Wenn Trauernde sich mit Schuldgefühlen quälen oder die Trauer langfristig ein normales Alltagsleben nicht mehr zulässt, oder wenn alles im Leben keinen Sinn mehr zu haben scheint, dann kann eine professionelle Trauerbegleitung stützend und stabilisierend wirken. Manchmal suchen Trauernde auch einfach ein Gegenüber, mit dem sie ihre Empfindungen teilen können. Eine Person, die mit standhält, wenn starke Emotionen wie eine große Welle über einen hereinbrechen. Unterstützung können Trauernde in Einzelberatungen, Gruppenangeboten oder in einem Trauercafè erhalten.


Franziska Schröder
ist Gestalttherapeutin und Psychoonkologin in der Kreisstadt;
info@gestalttherapie-gg.de
www.gestalttherapie-gg.de

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