Was wird aus Omas Sparbuch?

tx525x330_kleinle

W. Christian Schmitt im Gespräch mit Norbert Kleinle

Die Zinsen liegen bei null, Gewerkschaften verlangen sechs Prozent mehr Lohn, der Dax rutscht mehr als dass er steigt, auf Lebensversicherungen, die für die Altersvorsorge gedacht waren, ist kein Verlass mehr (von anderen Unwägbarkeiten einmal ganz abgesehen) – was ist derzeit eigentlich los in deutschen Landen? Das WIR-Magazin hat bei Norbert Kleinle, seit April 2012 Vorstandsvorsitzender der Kreissparkasse Groß-Gerau (siehe u.a. auch WIR-Ausgabe Nr. 199), nachgefragt.

Herr Kleinle, wie sehen Sie als Banker die derzeitige Lage in unserer Republik?

Norbert Kleinle: Ihre Frage lässt sich – nur mit dem Blick auf Deutschland – nicht beantworten. Die Nullzinspolitik der Europäischen Zentralbank betrifft ganz Europa. Sie soll bewirken, dass Unternehmen wieder investieren und sich die Wirtschaft in ganz Europa wieder mehr belebt. So spielt auch der gefallene Ölpreis eine Rolle, der erst einmal ein wünschenswerter Faktor ist – als Kaufkraftgewinn. Zumindest bis zum vierten Quartal 2015 hat sich die Realwirtschaft weiter erholt. Im Euroraum wie in Deutschland betrug das Quartalswachstum real 0,3 Prozent. Prognosen gehen von einer Fortsetzung des Wachstums im Jahr 2016 aus. Dieses Bild spiegelt sich natürlich auch an der Börse wider und führt zu Schwankungen.

Zu allem kommt noch hinzu, dass EZB-Präsident Draghi geldmarktpolitische Maßnahmen in gigantischem Umfang in Gang gesetzt hat mit dem für Laien kaum nachvollziehbaren Argument, er wolle die Inflationsrate (die derzeit hierzulande erfreulicherweise bei null liegt) europaweit auf mindestens zwei Prozent anheben (warum eigentlich?). Was kommt da noch alles auf uns zu, die wir früher als Sparer im sprichwörtlichen Sinne gefragt waren?

Norbert Kleinle:
Die Europäische Zentralbank (EZB) hat sich als geldpolitisches Ziel gesetzt, die Preisniveaustabilität in Europa stabil zu halten. Mit Hilfe der Inflationsrate wird die Preisniveaustabilität gemessen. Eine Inflationsrate zwischen 0 bis maximal 2 Prozent hält man für neutral und stabilisierend. Was steckt dahinter? Die Preisstabilität wiederum ist wichtig für das Vertrauen in eine Währung: Vertrauen darauf, dass ich für mein verdientes Geld einen vernünftigen Gegenwert erhalte und der Wert erhalten bleibt – eine Grundvoraussetzung für eine funktionierende Volkswirtschaft. Trotz aller Einflüsse und politischen wie wirtschaftlichen Krisen weltweit ist das Bruttoinlandsprodukt für Deutschland 2015 gleichmäßig gewachsen. Insbesondere die Binnennachfrage hat sich stabilisiert und die privaten Konsumausgaben steigen weiterhin.

Das Sparen, so stellt es sich Außenstehenden dar, scheint derzeit nur noch etwas für Banken zu sein, nicht nur bei der Deutschen Bank, wo neuerlich etliche tausend Mitarbeiterstellen eingespart werden. Auch Sie sparen Öffnungszeiten und den Vorort-Service in Ihren Sparkassen-Filialen ein? Denken Sie gelegentlich über die besonderen gesellschaftlichen Aufgaben der Sparkasse nach?

Norbert Kleinle: Als Vorstand der Sparkasse und als Unternehmen in der Region haben wir nicht nur einen öffentlichen Auftrag, sondern auch grundsätzlich die Verantwortung für die Existenz der Sparkasse und damit auch Arbeitsplätze langfristig zu sichern. Die Nullzinspolitik ist dabei eine Herausforderung für uns und schränkt Ertragsmöglichkeiten ein. Da Kunden zunehmend online unterwegs sind, werden Serviceleistungen weiter technisiert angeboten. Andererseits ist Beratung Vertrauenssache und bedarf eines persönlichen und individualisierten Angebotes vor Ort. Daher sind die Öffnungs- und Servicezeiten nur leicht reduziert worden. Unsere Beratungszeiten haben wir dagegen ausgeweitet – flexibel vereinbart, von 9 bis 19 Uhr von Montag bis Freitag.

Sie haben den Begriff „Sparen“ ja bereits in Ihrem Firmennamen. Doch welche Bedeutung soll das Sparen noch für unsere Kinder und Enkel haben?

Norbert Kleinle: Sparen heißt: „Geld nicht ausgeben, sondern [für einen bestimmten Zweck] zurücklegen„. Das sollte man auch weiterhin tun. Der Zweck des Sparens ist vorrangig die Bildung von Rücklagen für das Alter, für bestimmte Ziele oder Wünsche. Zudem gibt es viele Formen der Vermögensbildung, und mit einer Diversifizierung der Anlagen sind durchaus auch kleine Erträge möglich.

Was kommt nach „Spare, spare, Häusle baue“?

Norbert Kleinle: Wenn Sie den sparsamen Schwaben damit ansprechen, ist dieser Ausspruch ein Synonym für bedachtes und geplantes Handeln. Gerade in der Beratung im Finanzdienstleistungsbereich ist dies ein wichtiger Aspekt. Diese Fürsorgepflicht für den Kunden und Verbraucher wird daher vom Gesetzgeber auch eingefordert. Wir als Sparkasse sind sogar so weit gegangen und haben unsere Beratung im Vermögenscenter zertifizieren lassen und dafür ein Prüfsiegel des TÜV Rheinland erhalten.

Das Image auch der Sparkassen nimmt Schaden. Die FAZ titelt einen Beitrag auf ihrer Wirtschaftsseite bereits in Bildzeitungs-¬Manier mit „Bargeld, Banker & Betrüger“. Macht es da auf Dauer noch Spaß, dieser Zunft anzugehören?

Norbert Kleinle: Ja, ich bin gerne Sparkässler! Allerdings finde ich die zum Teil pauschalen Anfeindungen und bisweilen schlecht recherchierten Beiträge ärgerlich. Wir sind ein Unternehmen, das jährlich geprüft wird und darüber hinaus strenge gesetzliche, wie auch aufsichtsrechtliche Vorgaben zu beachten hat. Eine sachgerechte Klärung oder Erläuterung von Themen im Finanzdienstleistungsbereich würde dem Verbraucher mehr helfen, als schiere Meinungsmache.

Eine letzte Frage. Die berühmte Oma (aber nicht nur die), die über all die Jahre aufs Sparbuch und verlässliche Zinsen vertraut hat, ist zunehmend ratlos. Was würden Sie ihr denn empfehlen, wenn sie ihr Geld, sagen wir mal 50.000 Euro, halbwegs sicher und gewinnbringend anlegen will?


Norbert Kleinle:
Es gibt keine pauschale Anlageempfehlung – außer das Geld bei uns zu verwahren, da es sicher ist. Spaß beiseite! Es ist heute deutlich schwieriger als noch vor ein paar Jahren, hohe Erträge zu erzielen. Daher halte ich eine gute und fundierte Beratung für immens wichtig, um die Anlageempfehlung auf die Belange und Wünsche der Kunden richtig abstimmen zu können. Und der Eingangs dieser Frage vielleicht etwas locker formulierte Satz „bei uns zu verwahren, da ist es sicher“ hat durchaus seine Berechtigung, denn Sicherheit spielt bei der Anlage auch eine Rolle.

Der Vorstandsvorsitzende Norbert Kleinle im Potrait

Das könnte Dich auch interessieren …