Weder „Verbote-Partei“, noch blinde Ideologen

Von Rainer Beutel.

Der 22 Jahre alte Nauheimer Lars Nitschke (Bildmitte) kann bereits auf eine beachtliche politische Karriere verweisen. Nachdem er dem örtlichen Kinder- und Jugendparlaments von 2009 bis 2015 angehörte, wurde er Nauheimer Gemeindevertreter und stellvertretender Parlaments­chef. Seit Mai ist er Kreisvorstandsmitglied der Grünen und seit Kurzem Vorsitzender der „Grünen Jugend“ im Kreis Groß-Gerau. WIR-Redakteur Rainer Beutel hat sich nach seinen Zielen erkundigt und erfahren, wie Nitschke über junge Menschen wie Greta Thunberg und YouTuber Rezo denkt.

Herr Nitschke, als Vorsitzender der Grünen Kreisjugend können Sie sicherlich den Unterschied zwischen Ihrer Organisation, den Jungsozialisten der SPD und der Jungen Union der CDU erklären. Was ist bei Ihnen anders?

Lars Nitschke: Es braucht eine starke Politik, die nicht nur versucht, den Status-Quo zu erhalten oder Kleinigkeiten zu verbessern, sondern eine Politik mit Visionen und einem klaren Ziel vor Augen. Dafür bieten wir eine Plattform, die jeder und jedem offen steht. Es sollte wenig überraschen, dass gerade der thematische Schwerpunkt einer zukunfts- und sozialorientierten Klima- und Umweltpolitik bei uns einen hohen Stellenwert einnimmt, was uns thematisch deutlich von den anderen Jugendorganisationen unterscheidet. Außerdem geht es bei uns sehr familiär und freundschaftlich zu, dadurch dass die Grüne Jugend im Kreis Groß-Gerau ein recht kleiner Verband ist. Weiterhin sind wir im Kreis lediglich als Kreisverband mit Sitz in der Kreisstadt organisiert und spalten uns deshalb nicht in Ortsgruppen auf. Letztlich hat auch das Alter unser Mitglieder*innen ein Alleinstellungsmerkmal. So ist die Grüne Jugend die Jüngste der Jugendorganisationen der Parteien, denn eine Mitgliedschaft ist nur bis zum Erreichen des 30. Lebensjahres möglich, um eben die Jugend bestmöglich widerzuspiegeln. Dieses Höchstalter liegt bei den anderen Organisationen teils deutlich höher.

Nun sind Sie Vorsitzender, welche Ziele haben Sie sich gesetzt?

Lars Nitschke: Wir haben oftmals mit Klischees und Anfeindungen zu kämpfen. Mir ist es deshalb gemeinsam mit meiner Co-Sprecherin Elma Jukovic wichtig, zu zeigen, dass wir weder eine „Verbote-Partei“ noch „blinde Ideologen“ sind. Wir beziehen klar Stellung gegen Populismus und Rassismus. Es stimmt uns froh, dass dieser Kampf gemeinsam mit den anderen politischen Jugendorganisationen im Kreis geführt wird. Ich will eine Plattform schaffen, die es jungen Menschen ermöglicht, ihr politisches Interesse besser ausleben zu können und die Möglichkeit schafft, unkompliziert aktiv mitgestalten zu können. Zudem fände ich es erstrebenswert, unsere grünen Listen zur Kommunalwahl insgesamt jünger und paritätischer zu besetzen. Mit meinen Erfahrungen als Gemeindevertreter will ich beratend zur Seite stehen, um junge Menschen zu empowern und ihnen den Mut und die Expertise zu verleihen, ebenfalls einen aktiven Schritt in die Kommunalpolitik zu gehen.

Sind Sie denn zuversichtlich, mehr junge Leute für politische Themen zu begeistern? Wie wollen Sie das anstellen?

Lars Nitschke: Ja, bin ich. Die Wahlbeteiligung steigt, die Mitgliederzahlen unserer Jugendorganisation steigen ebenfalls und junge Menschen überall auf der Welt gehen auf die Straßen, um für eine bessere Zukunft zu demonstrieren und zu streiken. Die Jugend möchte an der Politik teilhaben und mitwirken, sie möchte sich nicht weiter fremdbestimmen lassen. Diesen Trend möchte ich gerne aufgreifen, da nicht nur Frauen, sondern auch junge Menschen in der Politik unterrepräsentiert sind. Wir als Grüne Jugend versuchen präsent zu sein, Flagge zu bekennen und durch Aktionen und Veranstaltungen auch Interessierte zu erreichen, was ich neben unseren Mitgliedertreffen als äußerst wichtig erachte. Innerhalb der Grünen Jugend bieten sich selbstverständlich auch basisdemokratische Partizipationsmöglichkeiten auf kommunaler-, Landes- und Bundesebene, die eine aktive Teilhabe an der Politik ermöglichen.

Was machen junge Grüne eigentlich anders als ältere Grüne?

Lars Nitschke: Die Grüne Jugend richtet ihren Fokus mehr auf die Belange junger Menschen und deren Zukunft aus. Insgesamt könnte man sagen, dass wir in unserem Denken und innerhalb unserer Forderungen kritischer, ideologischer und radikaler sind, als Bündnis 90/Die Grünen. Mit unseren kreativen Denkansätzen zeigen wir Wege in neue Richtungen auf, die sich dann auch in den Programmen der Grünen wiederfinden lassen. Jedem ist bewusst, dass man in der Jugend anders an bestimmte Themen rangeht und von manchen politischen Inhalten, beispielsweise der Bildungspolitik, eben direkt betroffen und mit der Thematik eng vertraut ist. Hier gilt es die Erfahrungen an ältere weiterzutragen und mit eigenen Ideen Einfluss zu nehmen.

Rezo und Greta haben Schlagzeilen gemacht. Sind das Vorbilder für eine politischere Jugend?

Lars Nitschke: Auf jeden Fall. Grundsätzlich zeigen die beiden, dass die Jugend eben nicht desinteressiert oder verdrossen und durchaus in der Lage ist, auch komplexe politische Inhalte zu verstehen. Außerdem haben beide ein enormes Mobilisierungspotential, sind dazu in der Lage junge Menschen mitzureißen und zu politisieren. Für eine funktionierende Demokratie erachte ich dies als äußerst notwendig und wichtig, denn die gesamte Gesellschaft sollte Einfluss auf die Politik haben. Beide tragen als polarisierende Menschen dazu bei, eine Plattform zum politischen Diskurs zu schaffen und sie haben dadurch einen Vorbildcharakter, nicht nur für die Jugend, sondern für alle.

Was halten Sie selbst von den beiden?

Lars Nitschke: Über beide lässt sich bekanntlich streiten. Ich unterstütze jedoch ganz klar politisches und gesellschaftliches Engagement. So hat Greta Thunberg einen Wandel des gesellschaftlichen Denkens, nicht nur bei Schülern, sondern bei vielen Menschen angestoßen. Wir haben eben nur diesen einen Planeten und er soll auch den zukünftigen Generationen eine Lebensgrundlage bieten können. Rezo hat meiner Meinung nach eine beachtliche Recherchearbeit geleistet und verbreitet ganz klar seine persönliche Meinung. Er hat eine bundesweite politische Debatte angestoßen, und eine freie Debattenkultur ist in jedem Fall etwas, das unsere Gesellschaft aufwertet.

Wo sind für Sie die Grenzen politischer Debatten erreicht?

Lars Nitschke: Die Grenze des Vertretbaren setze ich ganz klar bei Populismus, Rassismus, Diskriminierungen jeglicher Art und der Missachtung unseres Grundgesetzes im Allgemeinen. Freie Meinungsäußerung ist wichtig, jedoch ist ein Rahmen vorgegeben, an den sich gehalten werden sollte. Wir sind alle Menschen mit verschiedensten Ansichten und Wertvorstellungen, jedoch ist oberstes Gebot, dass jeder Mensch wichtig und gleich wertvoll ist. Dies sollte im Vordergrund stehen, denn Hass und Hetze sind menschenfeindlich.

 

Zur Person: Lars Nitschke studiert nach seinem Abitur 2018 Politikwissenschaft an der TU Darmstadt. In der Nauheimer Gemeindevertretung gehört Lars Nitschke zu den Stützen der Grünen-Fraktion; larsnitschke@hotmail.de

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