Funktioniert Work-family-balance?

Von Ines Claus.

Das Grundgesetz feierte seinen 70. Geburtstag! Als ich am 23. Mai aufwachte, freute ich mich als Abgeordnete und Juristin auf die anstehende Feierstunde im Plenum des Hessischen Landtags.

Schnitt. Da ist es wieder, mein Kopfkino: „Was steht heute sonst noch alles an?“ Gesprächstermine, E-Mails, Kinderfahrdienste, Einkauf, und tanken muss ich auch noch. Gottseidank macht sich eben dieser Alltag schon ans Werk und verdrängt die Zeit zum Grübeln. „Hast Du dein Mathebuch eingepackt? Wo ist Deine Trinkflasche? Ist Dein Bruder schon wach? Denk heute Nachmittag daran, nochmal Englischvokabeln zu lernen!“ waren die Themen, mit denen ich dann in den Morgen startete. Das Frühstück mit meinem Mann und den Kindern ist nicht ausgiebig, aber ausreichend, um den Tag kurz zu besprechen. Unsere große Tochter geht dann mit ihrer „Laufgruppe“ in die Schule, und unsere Zwillinge bringe ich in den Kindergarten, sodass sie ihren Tag mit dem Morgenkreis in der Löwen- und in der Koala-Gruppe beginnen können. Dann startet jeder in seinen Tag. Heute ohne Geschwisterstreit und ohne WhatsApp-Meldungen aus einer der Elterngruppen. Heute ohne E-Mail, dass eine Besprechung vorverlegt wurde oder angefragt wird, ob ich bei einem Termin einspringen könnte. Ein idealtypischer Beginn also.

Schnitt. Im Grundgesetz wurde bereits vor 70 Jahren festgeschrieben: „Frauen und Männer sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.“ Und nicht nur unsere Verfassung ist lernend und offen, auch unsere Gesetze. So hieß es im Bürgerlichen Gesetzbuch bis 1977 noch: „Die Frau führt den Haushalt in eigener Verantwortung. Sie ist berechtigt, erwerbstätig zu sein, soweit dies mit ihren Pflichten in Ehe und Familie vereinbar ist.“ Danach war sogar gesetzlich geklärt, wer zu Hause bleibt. Hiervon haben wir uns zum Glück weit entfernt. Wir sind so frei wie noch nie. Um diese Freiheit so leben zu können, dass wir uns nicht alle überfordern, gibt es in diesem Bereich freilich noch genug zu tun. Gerade auch in der Verantwortung um Artikel 6 des Grundgesetzes, dem „Schutz von Ehe und Familie“, muss es uns gelingen, Voraussetzungen zu schaffen, die es Familien ermöglicht, die Balance zwischen Arbeit und Familiendasein zu finden. Wir brauchen eine Diskussion und Antworten zum Thema „work-family-Balance“. Dafür müssen zwei Grundpfeiler berücksichtigt werden, zum einen die Familienbelange und zum anderen die Arbeitsplätze.

Klar ist, wir kommen mit Stereotypen nicht weiter. Wenn eine Mutter sich für den Haushalt entscheidet, dann ist sie nicht zu faul zum Arbeiten. Und wenn eine Mutter arbeiten geht, ist sie keine Rabenmutter (und das gleiche gilt auch für Väter). Wir brauchen Wahlfreiheit und die Grundlagen und die Akzeptanz dafür. Um die frühkindliche Bildung sowie die Vereinbarkeit von Familie und Beruf weiter zu verbessern, werden wir als CDU-Fraktion im Landtag unsere diesbezüglichen Anstrengungen verstärken. Wir bauen insbesondere die Plätze im Ganztagsbereich weiter aus, verbessern die Qualität und wollen weitere Schritte in Richtung Beitragsfreiheit gehen. Mit dem Ausbau des Ganztagsschulprogramms schaffen wir mehr Zeit zum pädagogisch begleiteten Lernen und zur individuellen Förderung, um damit letztlich auch mehr Zeit für Zuhause zu schaffen. Hausaufgaben sollen größtmöglich wieder Schulaufgaben werden. Den Pakt für den Nachmittag entwickeln wir mit Blick auf den auf Bundesebene geplanten Rechtsanspruch auf Betreuung von Grundschulkindern zum Pakt für den Ganztag mit dem Ziel weiter, eine Bildungs- und Betreuungsgarantie von 7.30 bis 17 Uhr zu schaffen. Nicht zu kurz kommen darf die gemeinsame Zeit. Dafür bieten sich bei uns im Kreis die beiden größten hessischen Naturschutzgebiete, aber auch die Seen, Schwimmbäder und Kulturangebote an.

Wir müssen gleichzeitig auch die Arbeitsplätze im Blick halten. Dazu gehört die Schaffung familienfreundlicher Rahmenbedingungen und heimatnaher Arbeitsplätze. Hierzu setzen wir auf bereits bewährte Maßnahmen ebenso wie auf neue Ansätze, wie sie z.B. die Digitalisierung ermöglicht. Das Handwerk und der Mittelstand haben große Bedeutung für uns. Mit ihrer Innovationsfähigkeit, Ortsnähe und ihrem breiten und vielgestaltigen Angebot an Ausbildungs- und Arbeitsplätzen sowie ihrem gesellschaftlichen Engagement leisten sie einen zentralen Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung des Landes und sind wesentliche Partner für die wirtschaftlichen und „work-family-balance“-Herausforderungen der Zukunft.


Ines Claus
ist direkt gewählte CDU-Abgeordnete im Hessischen Landtag;
I.Claus@ltg.hessen.de

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