Yoga, Marathon und die Liebe zu Mensch und Motor

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von W. Christian Schmitt

Mit Mirella Weitzmann, Kfz-Meisterin und Chefin des kreisstädtischen Renault-Autohauses Gescheidle, setzen wir unsere Serie „Aus nächster Nähe“ fort, in der wir Personen des öffentlichen Lebens aus dem Gerauer Land einen Tag lang in ihrem Alltag begleiten. In den ersten beiden Folgen konnten unsere WIR-Leser hautnah erfahren, wie Landrat Thomas Will (Ausgabe 238) und MdL Günter Schork (Ausgabe 239) ihrem Terminkalender folgten.

Es ist noch ziemlich dunkel an diesem Morgen. Im Grunde keine Zeit für Journalisten. Doch auf dem Weg zu meiner „Teilzeit“-Arbeitsstelle wird mir bewusst, dass ich weiß Gott nicht der Einzige bin, der zu dieser Tageszeit auf den Beinen resp. mit dem Auto unterwegs ist. 7 Uhr, so haben wir vereinbart, solle ich mich beim Renault-Autohaus Gescheidle in der Groß-Gerauer Odenwaldstraße einfinden. Eigentlich doch gar nicht so früh, wenn ich zurückdenke an meine Lehrzeit bei Faulstroh. Dort hatten wir Lehrlinge bereits um 6.15 Uhr im Blaumann anzutreten, in Reih und Glied mit einem flotten Tagesspruch auf den Lippen und einem kernigen „Guten Morgen, Meister“.
Jetzt, da ich mich mit der Kfz-Meisterin Mirella Weitzmann treffe, ist alles weitaus lockerer, gelöster. Einen Arbeits(all)tag darf ich sie begleiten. Warm angezogen bin ich, denn in Werkshallen ist es stets frisch, besonders bei Celsius-Graden, die draußen kaum über Null klettern.
Zunächst einmal Platz nehmen im Eingangsbereich des Verkaufsraums am Schreibtisch gegenüber der Chefin. Langsam treffen auch die Angestellten ein. „Guten Morgen“, „guten Morgen“. Noch haben nicht alle hier die übliche Betriebstemperatur erreicht. Auch Kira nicht, die Mischlingshündin mit dem treuen Blick, die wohl spürt, dass ich zu jenen zähle, die ihr wohlgesonnen sind. Mirella Weitzmann sitzt vor dem Computer, nimmt sich ihren Terminkalender vor, strukturiert den Tag. Was alles steht heute an? Wer hat sich angekündigt zu einem Verkaufsgespräch, zur Probefahrt, zur Inspektion, zur Wagenreparatur? Büro und Werkstatt kommen so langsam auf Sollstärke. Zehn Mitarbeiter insgesamt, keiner krank, alle an Bord.
Wir kommen ins Gespräch. Sie ist die Älteste von drei Schwestern, erzählt sie. Schon früh habe sie in Opas Werkstatt, damals noch in der Jahnstraße, mitbekommen, was es heißt, mit Werkzeugen zu hantieren. Einen Kinderkittel hatte sie, schraubte und montierte, was immer der Großvater zuließ. Ein Mann mit weißem Haar, an den auch ich mich noch erinnere. Mit Nähmaschinen, Fahrrädern, dann Mopeds begann alles bei Christoph Gescheidle. Und die kleine Mirella konnte spielend damals schon „Autos für fünf Mark verkaufen“. So begann wohl alles, die Liebe zu einem Beruf, der viel mit Öl und Benzin zu tun hat und seinerzeit mehr oder minder nur Männern vorbehalten war: Kfz-Mechaniker. Heute ist sie Chefin eines Unternehmens, in dem auch ihr Mann angestellt ist. Im Laufe der nächsten Stunden werde ich hautnah erleben, dass dieses kleine Team so etwas wie eine große Familie ist.

Aber es ist nicht nur das Auto, es sind vor allem auch die Menschen (die dieses benutzen), mit denen sie gerne zu tun hat, sagt sie und erzählt von ihren Kindern, nicht ohne Stolz. Von den Zwillingen studiere die Tochter „im sportlichen Bereich“, der Sohn bereite sich „aufs Lehramt“ vor, und der Älteste schließlich, promoviert, arbeite bei Opel in der Entwicklungsabteilung.
Doch kommen wir zurück zu ihr und ihrem Tagesverlauf. Mittlerweile ist es draußen hell geworden. Ich bin gespannt, was mich alles erwartet. Im Eingangsbereich stehen die Autos Spalier. Die eher bescheiden wirkende Chefin gibt Einblicke in ihren Tagesablauf. Der Tag beginnt recht früh um fünf mit einer Stunde Yoga, bisweilen folgt noch ein Waldlauf (und dies nicht in Vorbereitung auf einen Marathonlauf, den sie bereits zweimal bestritten hat), ehe das Frühstück ansteht. Wer geht heute zuerst in die Firma? Sie oder ihr Mann. Das wird intern geklärt.
„Was ist Glück für Sie?“ frage ich. Antwort: „Wenn man mit sich selbst zufrieden ist“. „Welche Ziele setzen Sie sich?“ Antwort: „Dass es mir gesundheitlich gut geht und ich zufrieden bin mit Job und Leben“. Die Groß-Gerauer Volksbank hat sie in ihrer Testimonial-Serie „Jeder Mensch hat etwas, das ihn antreibt“ einmal vorgestellt mit dem Etikett, sie habe „Motoröl im Blut“. Aber es scheint weit mehr, was diese zierliche Powerfrau ausmacht, die innere Ruhe ausstrahlt, die nicht zu übersehen ist. Als ich nach den drei Wünschen frage, die ein jeder gerne einmal frei hätte, antwortet sie in dieser Reihenfolge: 1. Mit dem, was man macht, zufrieden sein. 2. Gesundheit und 3. Ein gesichert, bekömmliches Auskommen.

Wir sind in der Werkstatt. Hier eine Motorhaube geöffnet, dort ein Twingo ohne Räder aufgebockt. An der Seitenwand all die Renault-Spezialwerkzeuge übersichtlich und griffbereit. Mess- und Prüfgeräte für Autos, die mehr und mehr computergesteuert sind. Dann das große Lager mit Ersatzteilen und den „zur Überwinterung“ hier gelagerten Reifen. Zwiegespräch mit einem Autobesitzer, dessen Fahrzeug Reparaturbedarf hat: Bremsbeläge überprüfen, Ölwechsel, Austausch einer eingedrückten Seitentür. Alltag, Routine.

Dann noch ein Blick mit der Chefin ins Innere meines Renault Captur. Was sich da nicht alles unter der Motorhaube verbirgt. Ich will es im Detail gar nicht wissen. Nur soviel: Alles OK? Kann ich damit wieder problemlos von A nach B fahren? Und letzte Frage, Frau Weitzmann: Wann hätten Sie einen Termin für mich, die Sommerreifen wären jetzt wohl wieder angebracht.

Groß-Gerauer Autosalon mit Autohaus Gescheidle am 7. und 8. Mai 2016
www.gescheidle.de

Zur Person: Mirella Weitzmann wurde 1959 in Groß-Gerau geboren Nach ihrer Lehrzeit ist sie sogleich auf die Meisterschule gegangen und wurde bereits 1981 jüngste und erste Kfz-Meisterin an der Handwerkskammer Rhein-Main. Nach dem Tod des Vaters 1991 übernahm sie die Leitung des Autohauses Gescheidle in der Kreisstadt (seit 1996 ist es Renault-Vertragswerkstatt). Die Firma Gescheidle wurde vom Großvater 1931 gegründet, mit Nähmaschinen und Fahrrädern der Marke NSU, später kamen dann Motorräder und die Autos dazu. Den Familienbetrieb Autohaus Gescheidle gibt es seit 85 Jahren. Frau Weitzmann ist verheiratet, hat zwei jüngere Schwestern sowie Sohn Oliver und die Zwillinge Florian und Maike.

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