Abschied

Von Edelgard Rietz.

„Es ist ein Weinen in der Welt, Als ob der liebe Gott gestorben wäre, Und der bleierne Schatten, der niederfällt, Lastet grabesschwer“ (Else Lasker Schüler).

In jedem Jahr von Neuem sind meine Gedanken trübe in der dunklen Jahreszeit, in der alles irgendwie ein Ende findet. Nur, was uns alle beutelt, nicht. Wie Kriege, Naturgewalten, böse Menschen. Ich kenne alles. Flucht, Kälte, Hunger, Angst, Tiefflieger, Unerwünscht-sein, Erbärmlichkeit des Alltags. Das ist ein Trauma, das man lebenslang nicht loswird. Es ist nicht immer gegenwärtig, aber es ist immer da.
Daran sollten wir alle denken, wenn wir das Elend in unmittelbarer Nähe erleben. Egoismus ist nicht hilfreich, den können wir uns aufheben für irgendwann. Es gibt kein Paradies auf Erden. Vielleicht paradiesische Zustände hin und wieder. Doch das ist nicht ohne eigenes Zutun zu haben.

Das Elend nach dem 2. Weltkrieg war groß. Wie wir das ausgehalten haben, ist mir heute noch schleierhaft. „Das, wofür ich sorgen kann, ist Bildung,“ sagte Vater. Es ist die einzige Möglichkeit, Hindernisse zu überwinden, im Kopf und in der Gesellschaft. Für mich müssten alle religiösen Symbole und die, die ich dafür halten soll, aus der Öffentlichkeit verschwinden. Das gehört in die Glaubenseinrichtungen und ins ganz Private. Dann ist Platz für alles, was fehlt. Da muss ich mich um den Menschen kümmern, ohne ihn gleich in eine Schublade zu stecken. Denn dieses Schubladendenken ist fatal, es nimmt uns die Möglichkeit, offen zu sein. Offen für den Menschen, der uns begegnet. Bei allen Möglichkeiten, die es gibt, ist aber Bildung stets das Schlüsselwort.

Bildung ist wichtiger als alles sonst. Ich merke es auch als Lesepatin in der Schule. Ich freu mich immer, wenn Kinder aus fremden Ländern es schaffen, die deutsche Sprache zu erlernen. Manche besuchen inzwischen das Gymnasium. Als diese Kinder nach Deutschland kamen, war die deutsche Sprache für sie noch ein Buch mit sieben Siegeln. Jetzt kann aus diesen Kindern etwas werden, da bin ich ganz sicher. Es ist sicher eine große Anstrengung, doch es lohnt sich. Das gilt für alle Kinder! Wenn Eltern mithelfen, läuft es wunderbar. Aber was erhoffen sich die, denen alles zu anstrengend ist? Dass die gebratenen Tauben ihnen einfach so in den Mund fliegen? Ganz schlimm sind die Menschen, die nicht wissen, dass sie nichts wissen. Sie schreien rum und denken, das langt. Reich wollen alle werden, dicke Autos fahren, um die Welt reisen und so weiter. Im Orient gibt es ein Sprichwort dazu: „Ein goldener Sattel macht aus einem Esel kein Pferd.“ Ich brauche Trost, gehe jetzt in den Garten und gucke unter die Buchenhecke. Seit Anfang November blühen dort schon die Schneeglöckchen. Die geben nicht auf, blühen und blühen unermüdlich alle Jahre wieder.

Edelgard Rietz
ist Malerin mit Wohnsitz in Groß-Gerau;
edelgard.rietz@gmx.de

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