Kleiderhaus in Büttelborn

Von Ulf Krone.
Sozialprojekt mit ökologischer Dimension: Das WIR-Magazin war zu Besuch im Kleiderhaus „Von & für Büttelborn“, das jüngst mit der Landesauszeichnung „Soziales Bürgerengagement“ geehrt wurde. Jutta Thalheimer, Ursula Schäfer und Ingrid Durranei (Foto v.l.) kümmern sich um gespendete Kleidung.
Dass sich die soziale Schere in Deutschland immer weiter öffnet, sprich: das Gefälle zwischen reich und arm stetig größer wird, ist inzwischen ein Gemeinplatz. Schließlich treibt die Politik die Umverteilung von unten nach oben seit Jahrzehnten voran. Hinzu kommen die zahlreichen Flüchtlinge aus den Krisenregionen in Europa, Asien und Afrika, die das Problem weiter verschärfen, da auch sie mit den staatlichen Leistungen kaum über die Runden kommen. Sie alle finden sich unter Umständen in der Situation wieder, Leistungen gemeinnütziger Hilfsorganisationen und -projekte in Anspruch nehmen zu müssen, wenn das Geld nicht reicht. Essen gibt es dann bei den Tafeln oder Organisationen, die sich der Rettung und Verteilung noch guter Lebensmittel verschrieben haben, etwa Essen für alle, foodsharing oder Zu gut für die Tonne. Aber was ist mit Kleidung, Gegenständen des täglichen Gebrauchs oder gar Spielzeug für die Kinder?
Diese Lücke füllt in Büttelborn seit 2015 das Kleiderhaus „Von & Für Büttelborn“, das damals an der Flüchtlingsunterkunft Worfelden als Basar entstanden war, wo gespendetes Geschirr, Spielsachen und Kleidung an die Bedürftigen, die aus Kriegs und Krisenregionen nach Deutschland geflohen waren, verteilt worden war. Nach einen Intermezzo in der Mainzer Straße war man 2017 schließlich in eine geräumige Containerunterkunft auf dem Bauhofgelände in der Darmstädter Straße 60 gezogen, wo das Kleiderhaus seither Anlaufstelle für eine stetig steigende Zahl an Bedürftigen ist. Die Räume werden von der Gemeinde Büttelborn kostenlos zur Verfügung gestellt.
Bei meinem Besuch dort empfangen mich Ingrid Durrani, Jutta Thalheimer und Ursula Schäfer, die sich gemeinsam mit 15 weiteren Mitarbeiterinnen um die Spendenannahme, Sichtung und Sortierung sowie um die Abgabe kümmern, und das alles ehrenamtlich. Ingrid Durrani und Ursula Schäfer sind schon von Anfang an dabei und haben die Entwicklung zu dem, was das Kleiderhaus heute ist, mitgestaltet. Und das Ergebnis ist bemerkenswert, denn es wirkt wie eine Boutique mit einzelnen Abteilungen für Frauen, Männer, Kinder, und auch die gut durchorganisierten Ständer und Regale vermitteln diesen Eindruck. Hinzu kommt, dass Vieles, das im Kleiderhaus auf weitere Verwendung wartet, wie neu wirkt.
„Ich bin nun schon einige Jahre dabei, aber ich bin nach wie vor immer wieder erstaunt, wie viele Spenden es gibt – und oft nahezu neuwertige Stücke“, berichtet Ingrid Durrani mit einem Kopfschütteln. Denn mit einem Mangel an Spenden haben die Verantwortlichen im Kleiderhaus nicht zu kämpfen, nicht wie die Tafeln, die vielerorts bereits Aufnahmestopps für Neukunden verhängen mussten. Im Gegenteil, die Mitarbeiterinnen kommen mit dem Sichten und Sortieren der Waren kaum hinterher. „Manchmal ist es einfach zu viel“, bringt es Ursula Schäfer auf den Punkt.
Wie alle Organisationen, die sich um Kleiderspenden kümmern, spürt man auch im Kleiderhaus die Auswirkungen von „Fast Fashion“ und einer grundsätzlichen Wegwerfmentalität, wodurch in den vergangenen Jahren zum sozialen Aspekt außerdem ein ökologischer hinzugekommen ist. Denn was im Kleiderhaus verteilt wird, landet nicht im Müll oder auf den afrikanischen oder südostasiatischen Märkten. „Im Sinne der Nachhaltigkeit verteilen wir alles, was noch verwendet werden kann, weiter“, erklärt Ingrid Durrani, und Jutta Thalheimer ergänzt: „Das ist echte Kreislaufwirtschaft, hier wird alles wiederverwertet.“ Selbst die Tierheime gehen nicht leer aus und werden mit Decken und alten Handtüchern bedacht. Deshalb ist man im Kleiderhaus auch grundsätzlich an noch mehr Kunden aus der normalen Bürgerschaft interessiert, um diese Kreislaufwirtschaft auch in Zukunft weiterentwickeln zu können.
Kleidung, Schuhe und Haushaltsutensilien werden dann gegen einen kleinen Obolus abgegeben, Spielsachen dagegen werden verschenkt, und auch darüber hinaus finden die Mitarbeiterinnen in besonderen Notlagen immer eine Lösung, wie sie sagen. Die Einnahmen decken die laufenden Ausgaben, der Rest wird gespendet, etwa an das Frauenhaus Groß-Gerau, Kitas der Gemeinde Büttelborn, die Jugendfeuerwehren der drei Ortsteile oder zugunsten der Schulfördervereine. Für ihr außergewöhnliches Engagement sind alle Beteiligten am Kleiderhaus „Von & für Büttelborn“ Ende vergangenen Jahres in Wiesbaden mit der Landesauszeichnung „Soziales Bürgerengagement“ geehrt worden. Das Preisgeld von 1.000 Euro wurde für die Anschaffung zusätzlicher Regale und Kleiderständer verwendet. Wie gesagt: Mit einem Mangel an Spenden haben die Mitarbeiterinnen vom Kleiderhaus nicht zu kämpfen. Und auch die Zahl der Kunden steigt. „Seit dem Beginn des Ukraine-Kriegs kommen natürlich noch mehr Menschen zu uns, eben auch Kriegsflüchtlinge“, bestätigt Ingrid Durrani den Trend. Darüber hinaus packen sie jetzt auch Pakete mit Dingen, die die Menschen an der Front in der Ukraine benötigen. Armut und Not werden leider nicht weniger.
Dafür wird die Arbeit, die die Ehrenamtlichen leisten, mehr und mehr, weshalb es nicht verwunderlich ist, wenn Ingrid Durrani sagt, dass jede Hand gebraucht wird. Wer Teil des Teams werden möchte, der kann telefonisch unter der Nummer 06152-178883 oder per Mail an die Adresse b.merkel@buettelborn.de Kontakt mit der Koordinatorin Ehrenamtliche Helfer der Gemeinde, Birgit Merkel, aufnehmen. Bei Kleiderspenden kann man sich direkt an Ingrid Durrani unter der Nummer 06152 40539 wenden. Eines sollte dabei allerdings nicht vergessen werden: Das Kleiderhaus ist nicht der richtige Ort für die Entsorgung kaputter oder schmutziger Kleidung! Denn jedes Stück muss aufwändig von Hand aussortiert und entsorgt werden, und auch das massenhafte Waschen schmutziger Wäsche gehört nicht zu Aufgaben der ehrenamtlich Engagierten.
Die haben trotz aller Arbeit und aller Schicksale, denen sie im Kleiderhaus begegnen, den Spaß am gemeinsamen Engagement nicht verloren und ziehen Kraft aus der Freude ihrer Kunden an der neuen Jacke, dem passenden Paar Schuhe, oder den freudig leuchtenden Augen der Kinder, die in der Spiel-Ecke auf Entdeckungsreise gehen. Besondere Begeisterung lösen Ingrid Durrani und ihre Mitstreiterinnen bei den Jüngsten natürlich mit gespendeten kleinen Naschereien aus. Denn am Ende geht es um Mitmenschlichkeit, und die wird im Kleiderhaus in Büttelborn großgeschrieben und wurde zu Recht ausgezeichnet.