Von wegen nur Gebimmel

Von Rainer Beutel.

Für manche ist es geringschätzig störendes Gebimmel, für andere ein angenehmes Ritual: das Läuten der Glocken in den Kirchtürmen landauf, landab. Der Küster der Katholischen Kirchengemeinde St. Jakobus in Nauheim, Ralf Uhlemann, sieht und erkennt im meist fein abgestimmten Klang ein Stück Heimat und akustisch vermittelte Kultur. Wie er das meint, erklärt er im Interview mit WIR-Redakteur Rainer Beutel.

Herr Uhlemann, tagsüber, vor allem sonntags und an christlichen Feiertagen läuten allerorten die Kirchenglocken. Warum ist das für Sie ein Stück gelebte Kultur?

Ralf Uhlemann: Glocken sind ein sehr altes Musikinstrument. Sie begleiten uns schon viele tausend Jahre. Glocken rufen nicht nur zum Gebet und Gottesdienst. Sie spielten und spielen im Leben der Menschen eine wichtige Rolle, zum Beispiel als Hochzeitsglocken. Ich selbst höre den Klang von Glocken sehr gerne. Es ist ein Stück Heimatgefühl.

Manchen Ungläubigen oder Langschlägern mag das Geläut stören. Dann ist oft geringschätzend von „Gebimmel“ die Rede. Anderen fehlt etwas ohne den Klang der Kirchenglocken, selbst wenn sie nicht so viel mit Kirche zu tun haben. Wie empfinden Sie das persönlich?

Ralf Uhlemann: Ich glaube, das läuft nach dem Prinzip „Wasch mich, aber mach mich nicht nass“. Man will zu Hause seine Ruhe haben, aber wenn Glocken abgeschafft werden, ist das Geschrei auch groß, wie vor einiger Zeit in Königstädten. Glocken sind ein Kulturgut, ein sehr altes. Es gibt Jahrhunderte alte Glockengießereiern mit großen Namen. Auf der anderen Seite verstehe ich auch, das Glockengeläut stören kann. Vielleicht wenn man kleine Kinder hat oder Schicht arbeitet. Aber man muss ja nicht genau neben eine Kirche ziehen. Wie schon erwähnt: Ich selbst mag Glockengeläut und fühlte mich noch nie gestört 

Können Sie unseren Lesern bitte beschreiben, welche Kirchenglocken in der St. Jakobus-Kirche erklingen?

Ralf Uhlemann: In unserm Turm hängen vier Glocken. Aus dem Jahr 1963 die Glocken: Christus mit dem Ton A‘, Maria mit dem Ton C“ und Josef mit dem Ton D“. Alle aus der Glockengießerei Schilling. Alle aus Bronze gegossen. Und schließlich die Glocke Jakobus der Ältere mit dem Schlagton F‘ von 2001.

Die größte Glocke „Jakobus der Ältere“ ist demnach nicht alt. Kam sie verspätet dazu oder musste eine andere Glocke ersetzt werden? Was war 2001 genau los?

Ralf Uhlemann: Zur 1150-Jahrfeier der Gemeinde Nauheim kam damals die Idee auf, das leere Glockengefach mit der fehlenden Glocke zu füllen. Es wurde der Glockensachverständige dazu geholt, und dann gab es zwei Optionen: Erstens, das Geläut nach oben mit einer kleinen Glocke (Schlagton E‘) oder mit dem Grundton (F‘) nach unten zu erweitern. Es wurde sich für die zweite Variante entschieden. Jetzt musste noch die Finanzierung gesichert werden. So wurde öffentlich um Spenden geworben, so dass die Glocke bei Bachert in Heilbronn gegossen werden könnte. Spender ab 500 Euro wurden auf einer Bronzetafel verewigt. Die Glocke wurde an Kerb 2001 durch den damaligen Pfarrer Norbert Braun geweiht.

Diese vier Glocken von St. Jakobus – klingen die in Ihren Ohren immer perfekt oder muss daran ab und zu etwas justiert oder gewartet werden wie beispielsweise an einer Kirchenorgel?

Ralf Uhlemann: Glocken sind gegossen, das heißt, der Klang steht fest. Da muss nichts gestimmt werden. Aber die Läuteanlage muss natürlich gewartet werden: Lager schmieren und Schrauben nachziehen, Ketten fetten. Und Teile auf Beschädigungen kontrollieren, dass nichts passieren kann. Im Kölner Dom ist vor Jahren mal der Klöppel vom „Dicken Pitter“ abgestürzt. So etwas ist natürlich zu verhindern. Durch unsachgemäße Benutzung könnte eine Glocke auch einen Sprung erleiden.

Sie kennen sicherlich auch andere Gotteshäuser im Kreis und deren Geläut. Wie ist die katholische Kirche in Nauheim da einzuordnen?

Ralf Uhlemann: Das Nauheimer Geläut steht da ungefähr in der Mitte, was die Tontiefe angeht. Die Evangelische Kirche in Nauheim ist deutlich höher, was an den baulichen Gegebenheiten liegt. Ihr Kirchturm ist genaugenommen ein Fachreiter. Da ist nicht viel Platz. Allerdings sind die Glocken deutlich älter als unsere. Das tontiefste Geläut im Kreis ist meines Wissens nach St. Walburga in Groß-Gerau.

Bei einer Führung an Pfingsten haben sie interessierten Besuchern den Zugang zum Kirchturm ermöglicht. Worauf muss dabei geachtet werden?

Ralf Uhlemann: Das Betreten eines Glockenstuhls ist immer lebensgefährlich. Kleine Glocken wiegen schon 100 Kilo. Wenn da plötzlich eingeschaltet wird und man wird getroffen, kann das lebensgefährliche Verletzungen nach sich ziehen. Vom Gehörschaden ganz abgesehen. Deshalb gilt: Glockenanlage ausschalten und sichern. Natürlich sind auch die Personen, die einen Turm betreten, je nach den baulichen Verhältnissen zu sichern.

Einen Glöckner, der sozusagen mit Muskelkraft für das Geläut sorgt, gibt es im Kreis wohl nicht mehr. Oder ist Ihnen da etwas bekannt?

Ralf Uhlemann: Im Kreis kenne ich keine Glocke mit Zugseil, was aber nicht heißt, dass es keine gibt. Allerdings ist das Läuten von Hand nicht so einfach wie man denkt. Es gehört ein gleichmäßiger Rhythmus dazu, dass die Glocke Ping Ping macht. Bei Anfängern klingt das gerne eher nach Pi-Ping, Pi-Ping. Ich selbst durfte mal bei einer Glockenausstellung von Hand läuten.

Was ist, wenn die Elektrik streikt?

Ralf Uhlemann: Dann hoffe ich ,das ich als Elektriker den Fehler gleich finde. Ansonsten muss die Fachfirma ran. Für St. Jakobus ist da Schneider und Höckel aus Flörsheim tätig.

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