Wenn die Belastung größer wird

Von Rainer Beutel.
Bisweilen können familiäre Situationen einen Menschen völlig überfordern. Gut, wenn es fürsorgliche Hilfe gibt. Die Diakonie springt mit Familienpaten des „Sozialpsychiatrischen Vereins (SPV) Gemeindepsychiatrische Angebote“ unterstützend ein und sucht dafür dringend Mitarbeiter. Bei Ela Bertram laufen die Fäden zusammen. Sie erklärt im Interview mit WIR-Redakteur Rainer Beutel, wie Belastungen verringert werden können.
Frau Bertram, seit wann gibt es bei der Diakonie Groß-Gerau/Rüsselsheim Familienpaten, und warum wurde dieses Unterstützungsangebot aufgebaut bzw. eingerichtet?
Ela Bertram: Seit 2011. Entstanden ist das Projekt im Rahmen der „Frühen Hilfen“, einer Bundesinitiative in Kooperation mit dem SPV Gemeindepsychiatrische Angebote gGmbH und dem Kreis Groß-Gerau. Familienpaten sind als eine präventive Unterstützung vor allem als Maßnahme für belastete Familien im Kreis gedacht.
Was können Familienpaten denn leisten?
Ela Bertram: Sie bieten eine weitere Bezugsperson für Familien und ihre Kinder, Unterstützung im Alltag, entlasten und schaffen Freiraum für Eltern. Es wird gespielt, gebastelt, gebacken oder auch mal ein Ausflug in Zoos, Museen, einen Park, ins Kino oder zum Schwimmen unternommen. Wichtig auch: die Gespräche mit den Eltern.
Können Sie bitte an einem Beispiel die erfolgreiche Arbeit oder Hilfestellung eines Familienpaten beschreiben?
Ela Bertram: Ja, gerne, etwa das Beispiel einer Mutter mit sieben Monate alten Zwillingen. Sie meldete sich bei uns, weil sie den ganzen Tag allein mit den Babys zu Hause ist, Rückenprobleme bzw. Skoliose und nun auch noch eine Sehnenscheidentzündung in beiden Händen hat. Der Ehemann arbeitet viel, ist den ganzen Tag außer Haus, ab und zu sogar auch am Wochenende. Mutter und Kinder sind sozial sehr isoliert und haben wenige oder eigentlich keine Kontakte.
Und dann?
Ela Bertram: Meine Kollegin vom SPV, Caroline Seufert, und ich machten einen Hausbesuch, um uns die Situation anzuschauen und die Familie kennenzulernen. Der Familie konnte nach einer Wartezeit von ca. vier Monaten, in der wir uns z.B. mit Beratungsangeboten um die Familie kümmerten, eine Patin vermittelt werden. Die Patin durfte direkt mit den Babys spazieren gehen. So hatte die Mutter ein wenig Zeit für sich, auch beim Füttern und Baden wurde sie unterstützt. Später wurden gemeinsam ein Babyschwimmkurs und Kinderturnen besucht. Mittlerweile besuchen die Zwillinge die Patin auch allein zu Hause.
Können Familienpaten alle in Anspruch nehmen und wenn ja, unter welchen Bedingungen?
Ela Bertram: Es gibt einige Voraussetzungen: Die Familie muss im Kreis GG leben und Kinder bis zum Grundschulalter haben, sowie belastet sein. Das heißt: alleinerziehend, Erkrankung, Tod eines Familienmitgliedes, finanzielle Nöte, sozial isoliert, Flucht oder Ähnliches.
Wenn ich Familienpate werden möchte: Was sollte ich können bzw. welche Qualifikationen sollte ich mitbringen?
Ela Bertram: Qualifikationen sind nicht nötig, wir sagen immer „Offenheit und Toleranz für andere Lebenssituationen und ein Herz für Kinder“. Qualifikationen gibt es dann bei uns. Wir Schulen die Paten vor ihrem Einsatz in den Familien. Auch ein Erste-Hilfe-Kurs am Kind wird von uns finanziert.
Kann ich also zur Diakonie oder dem SPV gehen und sagen: Ich will als Familienpate helfen, bitte bringen Sie mir das bei?
Ela Bertram: Ja, wenn die richtige Motivation da ist und keine Berührungsängste vorhanden sind, ist jede und jeder willkommen. Im Rahmen unserer Schulung werden die Paten auf ihren Einsatz gut vorbereitet und auch dann weiterhin begleitet.
Wie viele Familienpaten gibt es zurzeit in Ihrem Zuständigkeitsbereich, wie häufig werden diese eingesetzt?
Ela Bertram: Aktuell haben wir 26 Paten bei 25 Familien im Einsatz, ein Ehepaar macht es gemeinsam. Die Paten sind im Schnitt einmal pro Woche für zwei bis vier Stunden im Einsatz
Geschieht das alles ehrenamtlich?
Ela Bertram: Ja, alle sind Ehrenamtliche, sind über uns haft- und unfallversichert und können Ihre Fahrtkosten erstattet bekommen, falls welche anfallen.