Worüber die Leute reden (330)
Von Rainer Beutel.
Etwas euphemistisch klingt der Begriff „Lenkungsverfahren“ für einen Vorgang, der bei vielen Eltern und Schulkindern zu Verdruss führen kann. Eltern können nämlich für einen abgehenden Viertklässler keine weiterführende Schule außerhalb der zugewiesenen Region aussuchen. Zu viele wollen ihr Kind auf ein Gymnasium schicken. Das führt zu Überkapazitäten, deshalb das Lenkungsverfahren, bei dem das Wohnortprinzip gilt. Der Kreis ist dafür in drei Regionen unterteilt. Beispiele: Ein zehnjähriger Junge aus Nauheim darf nicht die nahe gelegene Gerhart-Hauptmann-Schule in Königstädten und ein Mörfeldener Mädchen kann kein Rüsselsheimer Gymnasium besuchen. Sie müssen nach Groß-Gerau. Der Kreis verspricht trotzdem, „dass am Ende keiner unzufrieden“ sei. Dies bleibt abzuwarten.
Reichlich Diskussionsbedarf birgt im Rüsselsheimer Stadtteil Königstädten ein Konflikt um Jugendräume im Einkaufszentrum „Im Reis“. Die Stadt lehnt es wegen zu teurer Brandschutzmaßnahmen ab, ehemals dafür genutzte Kellerräume zu ertüchtigen, die mittlerweile als Spendenlager dienen. Stattdessen gebe es im gleichen Gebäude seit 2016 einen Jugendtreff im früheren Stadtbüro, argumentiert der Magistrat. Erwähnt wird eher nebenbei, dass die Gewobau als Eigentümerin „perspektivisch plant“, das Gebäude „durch eine Wohnbebauung zu ersetzen“. Die Jugendräume sollen dann in ein Nachbarschafts- und Familienzentrum an einer neuen Grundschule verlagert werden. Das bedeutet auch: Der Standort der Stadtteilbücherei steht in Frage – „perspektivisch“ jedenfalls.
Zunächst gilt die Unschuldsvermutung, doch die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen möglicher Untreue im Groß-Gerauer Landratsamt. Eine Fachbereichsleitung wurde bereits freigestellt. Dem leitenden Mitarbeiter wird vorgeworfen, bei Auftragsvergaben und Rechnungen nicht korrekt gearbeitet zu haben und Ausgaben, die dem privaten Bereich zuzuordnen seien, über den Kreis abzurechnen. Es soll mehrere Wochen dauern, bis Klarheit herrscht, was passiert ist. Die Kreisspitze hält sich zu den Vorgängen (bis Redaktionsschluss) mit Stellungnahmen bedeckt. Über eine mögliche Schadenshöhe gibt es bislang keine Auskünfte.
Unpopulär sind Straßenbeiträge allemal. Wer will schon gerne nach den anfänglichen Erschließungskosten noch einmal dafür zahlen, wenn vor seinem Haus die Straße grundhaft erneuert wird? In Trebur ist das (noch) vorgeschrieben. Nun haben die Kommunalpolitiker entschieden, die Straßenbeiträge abzuschaffen, die insgesamt nur noch in fünf von 14 Kreiskommunen erhoben werden. Bürgermeister Jochen Engel hält den Zeitpunkt für gut, weil seit zehn Jahren keine Zahlungen eingefordert worden seien. Also werde niemand benachteiligt, der vielleicht kürzlich seinen Obolus entrichtet hätte. Befürworter der Beiträge warnen allerdings, irgendwie müssen neue Straßen bezahlt werden. Möglicherweise über die Grundsteuer.