Aufräumen

Von Edelgard Rietz.

Immer öfter höre ich in meinem Umfeld: „Ich muss aufräumen!“ Gemeint ist damit das große Aufräumen, bevor man stirbt. Gut, wir sind alt, und das letzte Stück hat begonnen. Aber ich käme nie auf die Idee, klar Schiff zu machen.

Testament und Altersvorsorgevollmacht sind wichtig, das muss sein. Aber ich lebe ja nicht im Chaos. Na gut, manche Schubladen lasse ich besser zu. Aber alle Bücher und Dinge, die einmal wichtig waren, will ich nicht entsorgen. Man nimmt doch manchmal bestimmte Sachen wieder in die Hand, weil man sich erinnert, Fotos, Briefe usw. Meine wunderschönen High Heels entsorge ich doch nicht. Erinnerung an durchtanzte Nächte. Auch Bücher, die zu lesen einfach Spaß gemacht haben, will ich noch einmal lesen. Da denke ich gerade an Elke Heidenreichs Buch „Männer in Kamelhaarmänteln“. Darin erzählt sie, wie eine betrogene Frau Rache nimmt. Während er bei der Freundin nächtigt, schneidet sie an allen Hosen ihres Mannes die Beine oberhalb des Knies ab, auch der neue Smoking muss dran glauben. Stellen sie sich das Gesicht des Mannes vor! Erst die Irritation und dann das Begreifen. Herrlich!

Es gibt Firmen, die eine Wohnung oder ein Haus vom Keller bis zum Dach ausräumen. Kostet etwas, aber das kann man ja ansparen und zum Testament legen. Was die Kinder behalten wollen, haben sie eingepackt. Was mit dem Rest passiert, ist dann völlig egal, man ist tot, alles vorbei. Viel wichtiger ist doch, den Kopf freizumachen, Missverständnisse zu klären, Verletzungen aufzuarbeiten, alles, was man unter den Tisch gekehrt hat, aus welchen Gründen auch immer, erst dann entsorgen, wenn es keine Fragen mehr dazu gibt. Mein Wunsch, mit meinem Vater noch über viele Dinge zu sprechen, hat er nicht zugelassen. Ist aufgesprungen mit dem Satz, dass er es nicht aushält. Auch mit meinem Mann hätte ich so gerne noch Begebenheiten besprochen. Es war zu spät, Zeitpunkt verpasst. Das Sterben zu begleiten, war Last genug.

Meinen Kindern habe ich schon oft gesagt, dass ich auf alles antworten werde. Ich bin nicht perfekt, viele Begebenheiten haben vielleicht verletzt, und es wäre im Idealfall doch einfach gut, wenigstens darüber zu sprechen. Vaters Verweigerung hat mir weh getan. Das möchte ich meinen Kindern und Enkeln ersparen.

Also, aufgeräumt wird nicht, und ausräumen müssen dann die Kinder oder eine Firma. Hab´ schon mal die Visitenkarte zum Testament gelegt.

Edelgard Rietz
ist Malerin mit Wohnsitz in Groß-Gerau;
edelgard.rietz@gmx.de

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