Literatur im Gerauer Land

Von Siggi Liersch.

Bestandsaufnahmen sind wichtig, um sowohl ein zeitliches Moment als auch Entwicklungen aufzuzeigen und nachzuvollziehen. Dieser spannenden Aufgabe haben sich nun (v.l.) W. Christian Schmitt (Gründungs-Herausgeber des WIR-Magazins) und Jürgen Volkmann (Leiter des Groß-Gerauer Stadtmuseums) verschrieben. Und ums Schreiben geht es auch hier in erster Linie. Denn die beiden haben einen Literatur-Reader für Groß-Gerau und die Region zusammengestellt, der am Freitag, 7. Oktober, im Stadtmuseum vorgestellt wird.

Ursprünglich wollte Schmitt, selbst ein begeisterter Lyrik-Liebhaber, eine Lyrik-Anthologie mit all den Gedichten herausgeben, die in den vergangenen zwanzig Jahren im Wir-Magazin in der Rubrik „Lyrik-Ecke“ erschienen waren und die bereits einen Teil des literarischen Schaffens in der Region widerspiegelten. Doch mit der Zeit wurde ihm klar, dass mit Lyrik ja nur ein kleiner Teil der literarischen Aktivitäten abgebildet wurde. Und dass es doch sinnvoller sei, eine Gesamtübersicht über möglichst viele Wort-Produzenten aus Groß-Gerau und der Region zu erfassen und zu präsentieren.

Als der Groß-Gerauer Museumsleiter Jürgen Volkmann als Mitherausgeber gewonnen werden konnte, wurde die Herausgabe in Sachen Kultur auf eine breitere Basis gestellt. Nun konnten alle zu Wort kommen, ob Romancier oder Lyriker, ob Liedermacher oder Sachbuch-Autor. Damit war die gesamte Palette der kreativ Schreibenden angesprochen. Etwa sechzig wurden ermittelt und dazu eingeladen, mit einem Statement anhand eines Fragebogens an diesem Band teilzunehmen. Davon zeigten sich 49 interessiert und haben Aufnahme in dieser Sammlung gefunden. Sie sind mit je einem Porträt, das wesentliche Informationen über die Autorin oder den Autor liefert, vertreten. Das ist das Kernstück dieses Kompendiums.

Der Band wird von lesenswerten Essays zu den Themen Buch und Schreiben ergänzt, und man kann den Werdegang vom Manuskript bis zur öffentlichen Verwertung verfolgen. Das soll hier keinesfalls respektlos oder gar abwertend gemeint sein, ganz im Gegenteil, bis ein Buch das Licht der Welt erblickt, sind viele Hürden zu überspringen. Und auch über diese Hürden, über innere und äußere Widerstände gibt der Literatur-Reader informativ Auskunft. Zuguterletzt sind darin auch noch eine ganze Reihe an Gedichten enthalten, die über die Jahre hindurch im Wir-Magazin erschienen und der Ursprung dieses Readers sind.

Für den Literatur-Reader bleibt jedoch der lokale Bezug der hier aufgeführten Personen am wichtigsten. Drei besonders bekannte Vertreter aus dieser Region sind bereits in vielen Sammlungen zur Literatur gewürdigt worden. Besonders der Name Georg Büchner ist nicht nur den deutschen Lesern geläufig. Büchner stammt aus Goddelau und sein schmales Werk ist Bestandteil der Weltliteratur. Der vor einigen Jahren verstorbene Peter Härtling, der im Stadtteil Walldorf lebte, gehört zu den bedeutendsten deutschsprachigen Gegenwartsautoren, dessen Werke in viele Sprachen übersetzt wurden. Zur Erinnerung: Nach ihm wurden mehr als zwanzig Schulen benannt. Elisabeth Langgässer hat mit ihrem „Gang durch das Ried“ den wohl lokalsten Bezug im Zeichen von Wirtschaftskrise und aufkommendem Nationalsozialismus in den 20er Jahren literarisch geschaffen.

Zusammenfassend kann man sagen, dass der Literatur-Reader ein wichtiges zeitgenössisches Nachschlagewerk für alle diejenigen ist, die sich über den momentanen Stand der Literatur-Produktion in unserer Region einen repräsentativen Überblick verschaffen wollen, aber auch für Kulturämter und Bibliotheken sowie Entscheidungsträger und für jeden, der sich für das gegenwärtige Schreiben und Publizieren in unserer Region interessiert.

„Der Literatur-Reader für Groß-Gerau und die Region“ (Ladenpreis: 19,50 Euro) wird am Freitag, 7. Oktober, 18 Uhr, im Rahmen einer öffentlichen Veranstaltung im Stadtmuseum Groß-Gerau offiziell vorgestellt.

Siggi Liersch
arbeitet als Schriftsteller, Liedermacher und Kritiker in Mörfelden-Walldorf;
siegfried.liersch@gmx.de

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