Gattin oder Frau?
Von Edelgard Rietz.
Ich gehe an einer kleinen Gruppe vorbei und höre gerade noch: „Schönen Gruß an die werte Gattin.“ Himmel denke ich, was ist das? Beim Zurückblicken sehe ich zwei ältere Herren, die sich gerade voneinander verabschieden.
Wie altmodisch und gestrig ist das denn? Ich bin neugierig und muss wissen, warum, wieso, weshalb. Fräulein ist abgeschafft, und warum Gattin nicht?
Das ist schon sehr interessant was da ans Tageslicht kommt. Gattin ist ein bewusst gehobener Ausdruck und schmuggelt praktisch wieder einen Standesunterschied in die Anrede. Es soll auch besonders höflich sein. Ich bin nicht ganz sicher, aber ich glaube, meine Schwiegermutter gehörte dazu. Sie wurde ja auch mit dem Titel ihres Mannes angeredet. Genauso ein Mist. Für mich ist so eine Anrede total verschroben, veraltet und verstaubt. Ein Überbleibsel aus dem 18. Jahrhundert. Wo sich doch schon manche über das Gendern die Köpfe heiß reden und völlig übersehen, was wir sonst noch so mitschleppen. Da sollte man doch erst einmal alte Zöpfe abschneiden, bevor man sich an Neues wagt.
Völlig daneben finde ich auch, wenn durch Heirat die gesellschaftliche Stellung Auftrieb bekommt, ohne dass die eigene Leistung in die Waagschale fällt. Einen Adelstitel der Frau nimmt „Mann“ natürlich als Familiennamen an. Kann ich ja verstehen bei der allgemeinen Titelgläubigkeit. Dabei hat die ja nun gewaltig Schlagseite bekommen bei den vielen Aufdeckungen. Ich möchte nicht wissen, wie viele sich noch einen Titel erschlichen haben, ohne eigene Leistung, und dann ein Leben lang davon profitieren, weil wir solche Titelbewunderer sind.
Zurück zur Gattin. Ich weiß ja, woher sich das Wort ableitet. Nämlich von begatten, sich ineinanderfügen und vereinigen. Es deklariert auch den Familienstand und dass die beiden Sex miteinander haben. Das würde ich nicht wollen, dass die Welt erfährt, ich werde begattet. Auch wenn jeder das annehmen kann, möchte ich nicht, dass es so schon bei der Anrede in die Welt posaunt wird.
Edelgard Rietz
ist Malerin mit Wohnsitz in Groß-Gerau;
edelgard.rietz@gmx.de