Sgraffitos

Von Peter Erfurth.

Aus den Unterlagen des Groß-Gerauer Stadtmuseums und einem Beitrag aus Wikipedia.

Heimatzeitung 1955: Nicht durch ging dagegen ein Antrag des Magistrats, an zwei Häusern an der Umgehungsstraße Sgraffitos anzubringen, die für die Kreisstadt werben sollten. Auf einer dieser Darstellungen sollte ein Bauer mit zwei Ferkeln unterm Arm breitbeinig über der Stadtsilhouette stehen und auf der anderen ein Siedlerpaar mit zwei Kindern zu sehen sein.

Als erster Sprecher wandte sich der Stadtverordnete Schad gegen diese Werbemaßnahme, die einmal nicht im Einklang mit dem Verhältnis der Stadt zu ihrer Landwirtschaft stünden und deren Kosten (2500,– DM) besser gespart und für den Straßenbau verwandt würden. Auch der Stadtverordnete Birkholz lehnte den Antrag ab und meinte, er gehöre eher in die „Bütt“ als vor die Stadtverordnetenversammlung. Der Stadtverordnete Zimmermann führte aus, man sollte, wenn schon was für die Wirtschaftsförderung getan werde, sich Maßnahmen überlegen, die was einbrächten. Übereinstimmend mit dem Stadtverordneten Martin trat Zimmermann dafür ein, den Antrag bis nach den Etatberatungen zurückzustellen. Stadtverordneter Krämer sah in der Darstellung eine Gefährdung des Verkehrs, da sie die Aufmerksamkeit der Kraftfahrer von der Straße ablenke. Schließlich rügte der Stadtverordnete die voreilige Auftragserteilung des Bürgermeisters an den mit der Ausführung betrauten Heppenheimer Maler Hans Kohl. Auch er trat  für eine Zurückstellung des Antrags ein, die dann bei 2 Enthaltungen auch beschlossen wurde.

Ein weiteres Sgraffito von 1958 war „Der barmherzige Samariter“ am alten „Rot-Kreuz-Heim“ in der Gernsheimerstrasse 45a (Foto links) – heute übermalt, aber noch gut erkennbar. Rechts der Ferkelbauer über der Stadtsilhouette.

Gekratzte Idylle. Großformatige und mit wenigen Linien in den Putz gekratzte Bilder waren in den Nachkriegsjahren besonders beliebt. Noch immer zieren sie unzählige Fassaden der 1950er- und 1960er-Jahre. Wer aufmerksam durch die Straßen geht, findet sie: großformatige, mit wenigen Linien an die Fassaden der Häuser gezauberte Bilder. Mit ihrer reliefartigen Struktur beleben sogenannte Sgraffiti die Oberflächen der Wände und verleihen ihnen Tiefe.

Die unbeschwerten Dekorationen erlebten in der Nachkriegsära ihre Blüte – an privaten wie an öffentlichen Gebäuden. Sgraffiti entstehen, indem verschiedenfarbige Putzschichten auf einer Wandfläche übereinander aufgetragen werden. Mit speziellen Eisenwerkzeugen kratzt man sie im noch feuchten Zustand in unterschiedlicher Tiefe wieder ab, sodass die jeweils darunter liegenden Farbebenen zum Vorschein kommen. Wie bei der Freskomalerei werden die Sgraffiti trotz ihrer einfachen Motive und der klaren Linien vorher genau entworfen, weil sie rasch in den noch feuchten Putz gearbeitet werden müssen. Diese Technik lässt sie wie fragile Zeichnungen wirken, macht sie aber gleichzeitig robust und extrem witterungsbeständig.

Peter Erfurth
ist Datenbank-Spezialist des Groß-Gerauer Stadtmuseums;
pedepe@gmx.de

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