Lösungen mit Augenmaß

Von Rainer Beutel.

Der neue Vorstand der Baugenossenschaft Ried, Nauheims früherer Bürgermeister Jan Fischer, beschreibt die anstehenden Wohnbauprojekte. Das Genossenschaftsprinzip sieht er im Interview mit WIR-Redakteur Rainer Beutel als eine gute Lösung, um Mietpreise bezahlbar zu halten.

Herr Fischer, die Baugenossenschaft Ried hat 2023 ein Mehrfamilienhaus mit sechs sozial geförderten Wohneinheiten in Berkach fertiggestellt. Zuletzt kamen 38 Wohneinheiten in Gernsheim dazu. Welche weiteren Projekte stehen aktuell auf der Agenda?

Jan Fischer: Wir sind mit unserem Projekt „Wohnen am Rosenhof“ gerade auf die Zielgerade eingebogen. Dort sehen wir aktuell der Fertigstellung von insgesamt 40 Wohneinheiten in Riedstadt-Goddelau entgegen. In zwei L-förmig angeordneten Baukörpern entsteht eine Gesamtwohnfläche von über 3.200 Quadratmetern. Die Flächen bilden dabei Wohnungen von 1,5 bis zu 5 Zimmern ab und teilen sich in 24 geförderte Wohnungen und 16 frei finanzierte Wohnungen auf. Die Mieten liegen bei 9,20 Euro für den geförderten Bereich und durchschnittlich 12 Euro bei den frei finanzierten Wohnungen. Der Bezug der Wohnungen soll ab Juni erfolgen, wobei die Bewerberlage schon sehr erfreulich ist.

Es bewegt sich offenbar viel im Süden des Kreises?

Jan Fischer: Richtig, bei den Neubauvorhaben für 2025 können wir in Riedstadt bleiben, denn dort plant die Baugenossenschaft RIED eG gerade die Bebauung eines freien Grundstückes in der Goethestraße. Dort ist ein Gebäudekomplex geplant, der mit 20 Wohnungen im Bereich des sog. Frankfurter Bogens ebenfalls in Gänze den Vorgaben für geförderten Wohnungsbau entspricht. Da es eine intensive und konstruktive Vorbereitungsphase mit der Bauaufsicht gab, könnte die Genehmigungsphase „unbürokratisch“ laufen und im dritten Quartal 2025 der Spatenstich erfolgen. 

Wie sieht es in der Kreisstadt aus?

Jan Fischer: In Groß-Gerau haben wir zu Beginn des Jahres einen Antrag auf einen partnerschaftlichen Vorhaben-Erschließungs-Plan in der Mühlstraße in Dornheim an die Stadt gestellt. Für eine heute schon dem geförderten Wohnungsbau zugeschriebene freie Fläche soll dort eine verträgliche und wirtschaftliche Nachverdichtung generiert werden. Ansonsten investieren wir massiv in die energetische Sanierung unserer Bestandsgebäude. Dort ermitteln wir jeweils Objekte, die durch eine entsprechende Sanierung werterhaltend wieder für Jahrzehnte auf Stand gebracht werden und die für unserer Mieter und die Nachhaltigkeit einen deutlichen Mehrwert erzeugen. Hier steht in 2025 der Startschuss in der Ulmenstraße in Bischofsheim kurz bevor. 

Wie sieht Ihre Strategie für die nächsten fünf bis zehn Jahre aus, um den Bestand an Wohnungen weiter auszubauen?

Jan Fischer: Aus der Historie lässt sich beim Projekt „Wohnen im Rosenhof“ erkennen, dass wir hier bereits einen Strategiewechsel vorgenommen hatten. Mit Blick auf die Baukostenentwicklung hatte sich die Baugenossenschaft in der Planungsphase entschieden, den Ausbau von sozial geförderten Wohnungen stärker voranzutreiben. Dies liegt vor allem an den guten Förderinstrumenten, die das Land hier in Form von zinsverbilligten Darlehen und Zuschüssen bereitstellt. Für die mittelfristige Strategie untersuchen wir dieses Jahr alle Bestandsgrundstücke auf ihre Möglichkeiten zur Nachverdichtung. Ebenso prüfen wir, ob es Objekte gibt, die ihren Lebenszyklus hinter sich haben und ggf. nach einem Abriss Raum und Fläche für Neues bieten.

Wer kommt bei all dem als Ried-Partner in Frage?

Jan Fischer: Vor allem wollen wir unsere strategische Partnerschaft mit den Kommunen des Kreises verstärken und weiterhin als Partner für die Entwicklung von Flächen zur Verfügung stehen. Gerade in Zeiten, in denen es den Kommunen an Ressourcen im Bereich Personal und Finanzen fehlt, können wir hier unbürokratisch Lösungen schaffen und sind mit unserem genossenschaftlichen Gedanken ein mehr als nachhaltiger Partner, um bei dem drängenden Problem der Wohnraumversorgung ohne den Anspruch der Gewinnmaximierung zu agieren. Letztlich beobachten wir aber natürlich auch den Markt und sind offen für Bestandsobjekte ab einer bestimmten Größe.  

Welche Hauptursachen sehen Sie für den Wohnungsmangel in Deutschland und wie kann die Baugenossenschaft Ried entgegenwirken?

Jan Fischer: Deutschland gehört historisch zu den Ländern mit einer der geringsten Eigentumsquoten und durch den demografischen Einfluss, gepaart mit geänderten Anforderungen beim Wohnen – z.B. der Suche nach der Nähe zum Ballungsraum – wird der Markt knapper. In den letzten drei Jahren haben dazu die Rahmenbedingungen aus sprunghaft gestiegenen Baupreisen, extrem gestiegenen Bodenpreisen und deutlich gestiegenen Finanzierungskosten das Bauen extrem ausgebremst. Für anstehende Bauvorhaben versuchen wir gerade bei den Standards und den Baukosten mit Augenmaß die Kosten zu senken. D.h. konkret der Verzicht auf „architektonische Besonderheiten“, überteuerte Standards bei Ausstattungsmerkmalen, Nutzung von günstigen Produktionsweisen. 

Bundesweit ist die Zahl der Sozialwohnungen seit 1990 von fast drei Millionen auf etwa 1,2 Millionen gesunken. Wie bewerten Sie diese Entwicklung und welche Rolle spielen Genossenschaften heute bei der Schaffung bezahlbaren Wohnraums?

Jan Fischer: Das Prinzip der Genossenschaften ist dabei so attraktiv wie eh und je; und der Gedanke, dass man gemeinsam mehr schafft als der einzelne für sich – würde unserer Gesellschaft an vielen Stellen helfen. Die statistischen Effekte der gesunkenen Zahlen mal außen vorgelassen, gilt natürlich, dass eine Wohnung „nur“ weil sie aus der Bindung gelaufen ist, trotzdem noch auf Jahre den geförderten Mietpreis nachhält, da das Gesetz enge Grenzen für Erhöhungen setzt. Meines Erachtens haben die Kommunen hier eine herausragende Rolle, da sie durch die Bereitstellung von zinsfreiem Bauland gerade bei uns als Genossenschaft einen zuverlässigen Partner findet und aktiv die Wohnungsmarktpolitik vor Ort beeinflussen kann. Durch die langfristige Rückführung des „Bodenwertes“ haben die Kommunen wiederum eine verlässliche Einnahmequelle, die nicht mit einem Schlag im Finanzhaushalt verpufft. 

Welche konkreten Maßnahmen ergreift die Baugenossenschaft Ried, um die Mietpreise für ihre Mitglieder stabil zu halten?

Jan Fischer: Unser satzungsgemäßer Auftrag ist die „Förderung unserer Mitglieder vorrangig durch eine gute, sichere und soziale Wohnungsversorgung“ – diesem Auftrag werden wir gerecht, indem wir – wie bereits dargestellt – beim Neubau versuchen, die Kosten zu senken und öffentliche Förderungen so einsetzen, dass durch entsprechende Bindungsfristen langfristig stabile Mieten unterhalb des ortsüblichen Mietniveaus entstehen. Bei unseren Bestandsgebäuden schöpfen wir beispielsweise nicht den gesetzlich zulässigen Rahmen an Mieterhöhungen aus, sondern achten auch hier auf moderate Anpassungen. Und natürlich setzen wir auf nachhaltige Investitionen bei Gebäudesubstanz und Technik, um unsere Mitglieder bei den Nebenkosten zu entlasten. Das gepaart mit einer guten Einkaufsstrategie für Energie und Dienstleistungen sorgt ebenfalls für stabile Verhältnisse. Aus Sicht der BG RIED gilt hier ein besonderes Lob unseren Gremien, neben der Vertreterversammlung insbesondere dem Aufsichtsrat, der schon immer mit besonderer Sorgfalt und Augenmaß ein gesundes Mittel von Wachstum und sozialer Leistungsfähigkeit an den Tag gelegt hat.

Was wünschen Sie sich von der Politik, um den sozialen Wohnungsbau und das genossenschaftliche Modell stärker zu fördern?

Jan Fischer: Die Bereitstellung der zinsgünstigen Darlehen und echter Förderzuschüsse ist im Bundesvergleich etwas, was in Hessen wirklich schon sehr gut funktioniert. Hier hoffe ich darauf, dass die Genossenschaften als traditioneller Partner bei der Vergabe der Förderung ob ihrer sozialen Verpflichtung weiterhin besondere Berücksichtigung finden. Ansonsten brauchen wir schnellere und mutigere Entscheidungsprozesse, um wieder mehr zu wagen. Das beginnt bei überhöhten Forderungen bei der Bauleitplanung bis hin zum Loslassen von überhöhten Baustandards. Betrachtet man z.B. die Regelungen mancher Stellplatzsatzungen wäre hier sicherlich einiges möglich, was das Bauen, die Versiegelung und am Ende das Mietniveau positiv beeinflussen könnte.   

Welche Schritte planen Sie, um Ihre Projekte klimafreundlicher zu gestalten?

Jan Fischer: In den vergangenen Jahren haben wir im Bestand schon sehr massiv an der Umstellung unserer Heizungsanlagen gearbeitet und so für einen zeitgemäßen Technikmix gesorgt. Gleiches gilt für die Investitionen in die Gebäudehüllen und die innenliegenden Dämmungen. In den vergangenen Jahren haben wir hierzu unsere Mittel für energetische Vollmodernisierungen erheblich aufgestockt. Sie werden auch kaum größere Dächer finden, die wir nicht schon länger – meist durch Contracting – für PV-Analgen nutzen. In diesem Jahr werden wir uns mit der strategischen Planung unserer Maßnahmen für die kommenden Jahre beschäftigen und einen entsprechenden Prioritätenplan aufstellen.

Der Fachkräftemangel ist auch in der Baubranche spürbar. Wie wirkt sich das auf Ihre Projekte aus und welche Lösungsansätze verfolgen Sie?

Jan Fischer: Aktuell merken wir eher, dass sich die Flaute am Bau beim Wettbewerb zu unseren Gunsten auswirkt und die zuletzt nur noch steil gestiegenen Baupreise wieder sinken – zumindest für die meisten Gewerke. Dafür nutzen wir Ausschreibungen für unsere Projekte, um gleichermaßen Chancen für die Firmen im Umfeld zu eröffnen und gleichzeitig für unsere Mitglieder marktgerechte Preise zu erzielen. An einigen Stellen sehen wir natürlich, dass fehlendes Fachpersonal zu einer Verknappung von Firmen führt. Hier versuchen wir besonders durch Partner-Firmen im näheren Umfeld ein starkes Netzwerk aufzubauen, um in einzelnen Gewerken nicht von einzelnen Firmen abhängig zu sein und gleichzeitig für eine ausgewogene Wertschöpfung vor Ort zu sorgen. Von daher sind Firmen, die sich mit unseren Werten der Wertschätzung, Zuverlässigkeit und Kompetenz identifizieren, herzlich eingeladen sich bei uns vorzustellen.  

Welche Innovationen sehen Sie als besonders vielversprechend für die Zukunft des sozialen Wohnungsbaus? 

Jan Fischer: Insgesamt wird uns – nicht nur im sozialen Wohnungsbau – die Verarbeitung von digital erfassten Daten über die sog. „Smart Meter“ deutlich Vorteile bringen. So sehen wir, dass durch das Controlling heute Fehler und Verluste viel schneller auffallen als es früher der Fall war. Hier, denke ich, wird sich in den kommenden Jahren noch einiges tun, gleiches gilt für neue Technologien, die sich gerade rasant entwickeln wie zum Beispiel im Bereich der Luft-Wärme-Pumpen.

Die Baugenossenschaft Ried arbeitet eng mit lokalen Handwerkern zusammen. Wie wichtig ist das Regionalprinzip für Sie und welche Vorteile ergeben sich daraus für die Region Groß-Gerau?

Jan Fischer: Extrem wertschätzend, extrem zuverlässig, extrem kompetent.

Baugenossenschaft RIED eG

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