Die Nauheimer Vereine 1922
Von Lothar Walbrecht.
Die Vereinslandschaft ist heute extrem vielseitig. Ob im Sport, im Umwelt- und Katastrophenschutz, auf politischer Ebene, in Heimat- und Geschichtsvereinen, in Tierschutzvereinen oder in der Immigrationshilfe – die ehrenamtlich Tätigen bilden eine Grundsäule unserer Gesellschaft. Ohne das Ehrenamt würde vieles in Deutschland nicht funktionieren, und die Vereine sind aus unserem Alltag nicht wegzudenken. Unser Foto zeigt verschiedene Satzungen von Nauheimer Vereinen aus dem Gemeindearchiv (Quelle: Archiv Gemeinde Nauheim).
Eine Umfrage des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend aus dem Jahr 2019 zeigt, dass rund 40 Prozent der Bevölkerung ab 14 Jahren in Deutschland sich in einem oder mehreren Vereinen ehrenamtlich engagieren. Auch in Nauheim gibt es heute rund 40 eingetragene Vereine sowie etwa zehn Ortsgruppen bundesweiter Organisationen, die alle Bereiche der Vereinsvielfalt abdecken.
Doch wie sah es in den Anfängen der Nauheimer Vereinswelt aus? Die Chronik der Gemeinde Nauheim von 2001 berichtet, dass bereits 1832 ein „Landwirtschaftlicher Verein“ existierte. In den Gemeinderechnungen von 1842 sind zudem Ausgaben für einen „Nauheimer Singverein“ vermerkt.
Eine erste umfassende Auflistung aller Nauheimer Vereine findet sich im Gemeindearchiv Nauheim unter der Signatur „Abteilung XIX, Abschnitt 4, Konvolut 6, Faszikel 10“ aus dem Jahr 1922. Diese Akte trägt den Titel „Schreiben des Delegierten der Rheinlandkommission im Kreise Groß-Gerau wegen Aufstellung eines Verzeichnisses betr. Gesellschaften und Vereine der Gemeinde Nauheim“. In dieser Liste sind 24 Vereine und Ortsgruppen aufgeführt.
Noch heute existierende Vereine wie der Gesangsverein „Eintracht“ (gegründet 1868), der „Obst- und Gartenbauverein Nauheim“ (gegründet 1894) und der „Geflügel- und Kaninchenzuchtverein Nauheim“ (1904, heute bekannt als „Geflügel- und Vogelzüchterverein Nauheim“) sind bereits in dieser Liste zu finden.
Auch unabhängige Vereine wie der Arbeiter-Radfahrer-Bund „Solidarität“ (1906), die „Freie Turn- und Sportvereinigung Nauheim“ (1921) und der „Männer-Gesangsverein Nauheim“ (1921) werden erwähnt. Diese fusionierten im Dezember 1923 zur „Arbeiter-Sport- und Sängervereinigung“, der heutigen „Sport- und Kulturvereinigung“ Nauheim (SKV).
Der Arbeiter-Radfahrer-Bund „Solidarität“ wurde 1906 als Radfahrverein „Eichenlaub“ gegründet und war dem Dachverband Arbeiter-Radfahrer-Bund „Solidarität“ angeschlossen. Nach dem Verbot des Vereins 1933 durch die damalige Regierung und der Neugründung 1945 behielt die Ortsgruppe ihre Selbstständigkeit. 1967 gab sich die Nauheimer Ortsgruppe eine neue Satzung und blieb im Dachverband der „Rad- und Kraftfahrerbund Solidarität e.V.“ bestehen. Sie nahm den Namen „Nauheimer Sandhasen R.K.B Solidarität e.V.“ an und feierte viele Erfolge, darunter die Weltmeisterschaftstitel von Franz Kratochvil im Einer-Kunstradfahren von 1979 bis 1982. Leider wurde der Verein zum 110-jährigen Jubiläum 2016 aufgelöst.
Der heutige Turnverein Nauheim 1888/94 entstand 1923 aus den beiden Sportvereinen „Turnverein 1888“ und dem „Turnerbund 1894“, die noch 1922 als eigenständige Vereine existierten. Der „Krieger- und Militärverein Nauheim“ und der „Kameradenverein Nauheim“ fusionierten 1920 zum „Verein ehemaliger Krieger und Soldaten“. Auch dieser Verein ist in der Liste von 1922 aufgeführt.
Schon 1922 existierten in Nauheim Ortsgruppen überregionaler Vereine und Verbände, wie der „Kriegsbund der Kriegsbeschädigte, Kriegshinterbliebenen und Kriegsteilnehmer“, der Vorläufer des heutigen „Sozialverband Deutschland e.V.“ (SoVD).
Epilog: Es sind noch viele weitere Vereine und Ortsgruppen in der Liste von 1922 aufgeführt, die heute nicht mehr existieren. Vereine, die ich abschließend nicht unerwähnt lassen möchte, weil sie in der heutigen Zeit sehr wichtig wären, sind die Vereine der Gesellschaftspflege. Hier möchte ich die Vereine „Gemütlichkeit“, die Gesellschaft „Alpenrose“ oder den Vergnügungsclub „Germania“ nennen. Vielleicht kommt wieder die Zeit.