Die Schule als Mittelpunkt
Von Ulf Krone.
Es ist inzwischen bereits ein Gemeinplatz, dass der Schule mehr Bedeutung zukommt, als bloß eine reine Stätte der Wissensvermittlung zu sein. Längst gehören zu ihren Aufgaben auch Integration und Inklusion, und Lehrer sind nicht mehr bloß Pädagogen, sie müssen darüber hinaus Erzieher, Psychologen, Sozialarbeiter und noch vieles mehr sein. An der Mittelpunktschule Trebur (MPS) versucht man deshalb, Schule neu zu denken – als eine Art zweites Zuhause für die Schüler, wo all diese Aspekte von Anfang an mitgedacht werden und in die tägliche Arbeit mit einfließen. Was das konkret bedeutet, hat WIR-Redakteur Ulf Krone bei Schulleiter Jens Lang nachgefragt.
Stellen Sie unseren Lesern bitte einmal die Mittelpunktschule vor! Was sind die Schwerpunkte und Besonderheiten – und weshalb heißt sie „Mittelpunktschule“?
Jens Lang: Die Mittelpunktschule Trebur, oder einfach MPS, ist eine lebendige Haupt- und Realschule mitten in Trebur. Unser Name „Mittelpunktschule“ hat eine doppelte Bedeutung: Zum einen liegt unsere Schule im Zentrum der Region, zum anderen verstehen wir uns als Mittelpunkt der Bildungs- und Persönlichkeitsentwicklung unserer Schüler.
Wir sind eine familiäre, sehr persönliche Schule. Hier kennt eigentlich jeder jeden. Wir nehmen uns bei der Einschulung die Zeit, jede Klasse einzeln zu begrüßen und jeden persönlich kennen zu lernen. Uns ist die Förderung der sozialen Kompetenzen und der individuellen Talente unserer Schüler besonders wichtig. Außerdem legen wir großen Wert auf praktische Erfahrungen, Berufsorientierung, Öffnung der Schule nach außen, Vernetzung, Kooperationen und attraktive Angebote, die das schulische Leben zusätzlich bereichern.
Ein Highlight ist unsere Bikeschool mit einer eigenen Fahrrad-AG und Werkstatt. Aber auch unser Schulacker ist ein besonderes Angebot, bei dem Schüler den Anbau von Gemüse und Kräutern lernen. Hier können sie die Früchte ihrer Arbeit direkt sehen und genießen. Unsere Schulhühner, unser Schulhund und unser Schulgecko sowie unser Aquarium sind weitere besondere Projekte, die das schulische Leben mit dem wirklichen Leben verknüpfen.
Ich bin stolz darauf, dass wir „Schule ohne Rassismus“ und Teil des Programms KICKFAIR sind. Mit unserem Engagement im Rahmen von Fairtrade zeigen wir auch unseren Einsatz für globale Gerechtigkeit.
Die Mittelpunktschule Trebur ist mehr als nur ein Ort zum Lernen – hier wachsen unsere Kinder in einer Gemeinschaft auf, die sie stärkt und fördert!
Welche Vorteile hat eine Förderstufe für die Schüler?
Jens Lang: Die Förderstufe ist ein Herzstück unserer Schule, das den Übergang von der Grundschule zur weiterführenden Schule erleichtert. In den Klassen 5 und 6 können die Schüler ihre Stärken und Interessen ohne den Druck einer frühzeitigen Einteilung in die Schulformen entfalten. Durch die individuelle Förderung in der 6. Klasse können wir gezielt auf die Bedürfnisse jedes Kindes eingehen.
Ein weiterer Vorteil ist die Möglichkeit der gezielten Leistungsentwicklung. Schüler, die sich in bestimmten Fächern besonders hervortun, können in höheren Klassenstufen Arbeitsgemeinschaften und Wahlpflichtunterrichte belegen, die ihren Fähigkeiten entsprechen. Dadurch schaffen wir eine Lernumgebung, die sowohl herausfordert als auch unterstützt.
Ende Mai haben Sie einen Kooperationsvertrag mit den Beruflichen Schulen Groß-Gerau (BSGG) unterzeichnet. Worum geht es dabei, und welche Vorteile bringt die Kooperation den Schülern der MPS?
Jens Lang: Unsere Kooperation mit den BSGG ist ein echter Glücksgriff für unsere Schüler. Es geht darum, den Übergang von der Mittelpunktschule in die Berufswelt oder zu den weiterführenden Schulen so einfach wie möglich zu gestalten und gleichzeitig spannende neue Möglichkeiten zu eröffnen.
Ein Riesenvorteil ist, dass bei entsprechender Eignung ein Schulplatz an den BSGG garantiert wird. Das nimmt viel Druck und Unsicherheit und gibt eine klare Perspektive! Unsere Kinder wissen: Wenn ich mich reinhänge, habe ich meinen Platz sicher.
Außerdem bekommen unsere Schüler die Chance, das MINT-Zentrum der BSGG zu nutzen. Das ist ein echtes Highlight! Ein weiterer Pluspunkt ist, dass unsere Schüler die Beruflichen Schulen und die dortigen Lehrer schon einmal kennenlernen können. Auch das erleichtert den Übergang enorm, weil die Umgebung und die Gesichter nicht mehr fremd sind, wenn sie dann tatsächlich dort starten.
Durch diese Partnerschaft geben wir unseren Schülern also nicht nur Sicherheit und Orientierung, sondern auch die Möglichkeit, ihre Fähigkeiten weiterzuentwickeln und sich bestmöglich auf ihre berufliche Zukunft vorzubereiten. Diese Zusammenarbeit ist ein großer Schritt nach vorn und wir freuen uns sehr, dass unsere Schüler davon profitieren können.
Rechtsruck in der Gesellschaft, Ukraine-Krieg, Gaza-Konflikt und nicht zuletzt die immer gravierenderen Folgen des vom Menschen verursachten Klimawandels – wir leben in schwierigen Zeiten. Welche Folgen hat das alles auf die Heranwachsenden, und wie gehen Sie an der MPS damit um?
Jens Lang: Die aktuelle Entwicklung macht uns allen zu schaffen. Vor allem bei unseren Schülern hinterlässt das Weltgeschehen Spuren. Angst, Unsicherheit und das Gefühl der Hilflosigkeit sind oft spürbar. So fragte mich ein Schüler der fünften Klasse die Tage während meines PoWi-Unterrichts tatsächlich: „Kommt jetzt der dritte Weltkrieg?“. Das sitzt. Unsere Aufgabe als Schule ist es nun, diesen Themen Raum zu geben.
Wir legen daher großen Wert darauf, den Kindern zuzuhören und mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Wir schaffen sichere Räume, in denen sie ihre Sorgen und Ängste offen aussprechen können. Das ist so wichtig – denn nur, wenn die Kinder das Gefühl haben, gehört zu werden, können wir sie wirklich unterstützen. Wir setzen auf eine offene Gesprächskultur. Meine Tür steht immer offen.
Dabei arbeiten wir eng mit den Eltern zusammen. Zusätzlich engagieren wir externe Partner. Zum Beispiel arbeiten wir mit dem Galli-Theater in Wiesbaden zusammen. Die bieten Workshops und Theaterstücke an, die sich mit aktuellen Themen auseinandersetzen. Ein weiterer Partner ist Frau Eckhard von Genius Coaching. Sie führt gezielte Coaching-Workshops durch, in denen die Kinder offen über ihre Ängste sprechen können. Die externen Experten bringen professionelle Ansätze ein.
Darüber hinaus sind wir unter anderem auf dem Weg, Umweltschule zu werden: Engagement in Umweltbildung und nachhaltige Entwicklung schreiben wir groß, um den Kindern einen Weg zu zeigen, die Probleme selbstständig angehen zu können. Indem wir den Kindern zuhören, mit ihnen ins Gespräch kommen, sie mit externen Experten unterstützen und ihre Demokratiebildung fördern, antworten wir auf die aktuellen Entwicklungen auf der Welt.
Digitalisierung und Künstliche Intelligenz sind weitere Themen, die gerade an Schulen für Aufregung sorgen, Stichwort: Chat GPT. Wie begegnet man diesen Herausforderungen an der MPS?
Jens Lang: Die Digitalisierung und der Einsatz von Künstlicher Intelligenz bieten enorme Chancen – bringen aber auch riesige Herausforderungen mit sich. Wir stellen uns diesen Herausforderungen!
Unsere digitalen Angebote sind vielseitig: Wir haben einen eigenen Podcast, einen YouTube-Kanal und sogar ein Schnittstudio mit entsprechender Ausstattung. Wir bieten natürlich in diesem Rahmen AGs und WPUs zu den Themen Digitalisierung an. Unsere Schüler lernen, wie man digitale Inhalte erstellt, bearbeitet und professionell präsentiert. Jeder Raum in unserer Schule ist mit WLAN und modernen Promethean-Panels ausgestattet. Zusätzlich haben wir eine Tablet-Klasse, in der wir innovative Unterrichtsformen testen und umsetzen.
Auch das Thema Künstliche Intelligenz spielt bei uns eine Rolle. Wir setzen uns aktiv damit auseinander – sowohl mit den Schülern als auch durch Fortbildungen für das Kollegium.
Um den Anschluss zu den Jugendlichen zu halten und aktuelle Trends zu verstehen, sind wir auch auf den sozialen Medien aktiv. Das ermöglicht es uns, direkt mit den Schülern zu kommunizieren und ihre Lebenswelt besser zu verstehen. Gleichzeitig lernen die Schüler, wie sie sich sicher und bewusst in den sozialen Medien bewegen.
Durch diese vielfältigen Maßnahmen begegnen wir den Herausforderungen der Digitalisierung und Künstlichen Intelligenz aktiv und zukunftsorientiert.
Noch ein paar Worte zu Ihrer Person: Sie wohnen mit Ihrer Familie in Wiesbaden. Wie hat es Sie nach Trebur an die MPS verschlagen, und was ist für Sie das Besondere an Ihrer Aufgabe als Schulleiter?
Jens Lang: Ich habe im Rahmen einer Abordnung an das Staatliche Schulamt die Mittelpunktschule Trebur 2014 kennengelernt. Der enge Zusammenhalt und das Engagement der Schulgemeinde haben mich von Anfang an beeindruckt. Das merkt man sofort, wenn man dort angekommen ist. Die Schule im Grünen wirkt so familiär und einfach sympathisch! Der tägliche Weg von Wiesbaden nach Trebur ist für mich mehr als nur eine Pendelstrecke – er ist der Weg zu einer Aufgabe, die mir einfach Freude bereitet.
Das Besondere an meiner Rolle als Schulleiter ist nämlich die Möglichkeit, direkt Einfluss auf die Entwicklung junger Menschen zu nehmen. Gemeinsam mit meinem tollen Schulleitungsteam arbeite ich jeden Tag daran, eine Umgebung zu schaffen, in der sich die Schüler wohlfühlen, sich entfalten und zu selbstbewussten, verantwortungsvollen Bürgern heranwachsen können. Was kann es Besseres geben?