Das Universum in Trebur
Von Rainer Beutel.
In Trebur entsteht Großes. Kommendes Jahr soll in der Nachbarschaft zum Freibad der Astroparc eröffnen, mit einer Millionensumme finanziert durch Michael Adrian und die Astronomiestiftung. Kurator Manfred Liedtke erklärt gegenüber WIR-Redakteur Rainer Beutel, welche Pläne, Ziele und Visionen damit verbunden werden
Herr Liedtke, warum entsteht ausgerechnet in Trebur ein Astroparc?
Manfred Liedtke: Die Idee dazu hatte ich schon vor vielen Jahren, es ist etwa 20 Jahre her. Ursprünglich dachte ich, dass so etwas im sonnigen Süden besonders geeignet wäre – wegen der klaren Luft und der guten Sicht auf die Sterne. Aber durch die Kontakte zur Astronomiestiftung in Trebur und insbesondere zu Michael Adrian reifte der Gedanke: Lass es uns hier machen. Hier wohnen, hier leben wir und hier können wir schnell reagieren.
„Schnell reagieren“ – weshalb ist das notwendig?
Manfred Liedtke: Im Astroparc mit seinen zwölf Pavillons wird es möglich sein, auf aktuelle Themen sofort zu reagieren. Wir können sehr rasch etwas aktualisieren, quasi auf Knopfdruck und so immer wieder dafür sorgen, dass es aufs Neue attraktiv ist, die Pavillons zu besichtigen. Das kann zum Beispiel schon bei der Vorabbesichtigung gezeigt werden, die wir für den 22. September planen.
Um was wird es da gehen?
Manfred Liedtke: Dabei handelt es sich um einen Informationstag für besonders Neugierige. Besucher werden durch den Neubau und eine Baustelle geführt. Es werden aber keine Projektionen oder sonstigen Installationen zu sehen sein. Ich möchte keine falschen Erwartungen erzeugen. Die Leute können sich über den Baufortschritt und alles Weitere auf www.astroparc.de informieren
Wer kümmert sich um Aufbereitung und Darstellung der Themen?
Manfred Liedtke: Hm, das mache alles ich, deshalb bin ich der Kurator. Seit 15, 20 Jahren mache ich Ausstellungen zum Thema Astronomie. Da gibt es schon sehr viele Inhalte, die sind einfach da. Allein für die Grundlage – die Geschichte der Astronomie – gibt es ganz viele Videos und Texte. Wir waren damit europaweit unterwegs. Das Material wird jetzt für Trebur neu zusammengestellt und aktualisiert. Außerdem unterstützt mich die Astronomiestiftung mit ihren Mitgliedern. Wir haben ein Redaktionsteam gebildet; da sind auch promovierte Astrophysiker dabei. Als Gestalter ist es mein oberstes Ziel, Wissenschaft und Inhalte so rüberzubringen, dass sie großartig und faszinierend wirken.
Können Sie bitte ein Beispiel nennen?
Manfred Liedtke: Gerne, beispielsweise haben wir das Modell eines Mondautos eins zu eins nachgebaut. Das sieht schon mal cool aus. Dazu haben wir acht Beamer pro Pavillon, die in einem den Horizont des Mondes projizieren. Wer in diesen Pavillon kommt, bekommt das Gefühl: Wow, da steht das Mondauto. Das ist schon ein visuelles Erlebnis. Man kann sich aber auch auf dieses Mondauto setzen und eine Brille aufziehen. Dann sieht man sich auf dem Mond in der virtuellen Realität. Mit einem Joystick lässt sich das Gefährt virtuell über den Mond und durch Krater fahren. Mit der Brille bekommt man das öffnende Erlebnis, dass man sich ganz frei auf dem Mond bewegen kannst. Es ist quasi eine Erweiterung der Realität. Da wird auch ein Monitor zu sehen sein, der zeigt, was jemand gerade sieht, der die Brille aufhat. Die Schnittstelle zwischen Realität und virtueller Realität ist also fließend.
Wie darf man sich die Pavillons vorstellen
Manfred Liedtke: Dunkel und zunächst finster, die sind komplett geschlossen. Mit Beamern werden die Wände mit astronomischen Motiven bespielt, so dass die Besucher immer in der Mitte des Geschehens sind. Ohne Projektoren sind die Pavillons dunkel. Wenn man eine VR-Brille aufsetzt, kann in dem Raum alles real werden, was gewünscht ist. Zum Beispiel die Höhlen von Lascaux. Dann wäre da plötzlich ein kleiner Felsspalt, da muss man sich durchdrücken in den Gang zum nächsten Pavillon.
Also beginnt die Darstellung im Astroparc beim Cro-Magnon-Menschen?
Manfred Liedtke: Nein, nein, ich beschreibe das nur mal so: Wir können für einen Tag einfach das Thema ändern, etwa so, als ginge es nur um Höhlen.
Verstehe, dann sind also beliebig Sonderausstellungen möglich?
Manfred Liedtke: Ja, von mir aus zum Thema „Trebur vor 10.000 Jahren“. Ein Pavillon wird ohnehin für Sonderausstellungen genutzt. Er wird immer da sein, um verschiedene Themen anzudocken. Dass dies im ganzen Astroparc möglich wäre, sei mal dahin gestellt. Wir haben die wüstesten Ideen. Das Beste: Es ist keine Riesenaktion, das so zu machen. Heute wird ja alles mit 3D-Daten vermessen. Wir bauen die so ein, dass sie für unsere 80-Quadratmeter-Pavillions passen, und dann habe ich plötzlich in einer Höhle eine virtuelle Fackel in der Hand, die alles sicht- und erlebbar macht.
Wird das Ganze begleitet?
Manfred Liedtke: Oh ja, unser wissenschaftlicher Leiter Prof. Dr. Ohlert und weitere Wissenschaftler in der Stiftung achten kritisch auf die Inhalte. Wahnsinnig wichtig ist, dass ich ein tolles Team von Entwicklern, Programmieren und Gestaltern habe. Wenn wir hoffentlich im März 2025 eröffnen, dann wollen wir den Astroparc nicht verlassen. Wir sind vor Ort und werden permanent weiter entwickeln. Die Stiftung hat ihre Spezialisten. Wir werden immer die aktuellen, wissenschaftlichen Themen aus dem Bereich der Astronomie in den Vordergrund stellen. Als Designer werde ich dafür sorgen, dass die Leute Spaß daran haben und alles verstehen. Taucht beispielsweise überraschen ein Komet auf, der von der Erde zu sehen ist, dann sind wir in der Pole-Position und können das ganz schnell thematisieren.
Wenn Sie nun eine bundesweite Attraktion erschaffen, wie werden die Besucherströme kanalisiert?
Manfred Liedtke: Tickets sollen über das Internet gebucht werden können, wie in allen großen Ausstellungen längst üblich. Wer bucht, bekommt einen Zeit-Slot. Wir können dann immer schauen, dass vor Ort kein Riesenpulk vor der Tür steht. Wir haben außerdem ein Außengelände mit Live-Teleskopen. Wenn doch plötzlich eine Gruppe von 100 Leuten anreist, können wir sagen, zehn fangen bei Pavillon 1 an, zehn bei Pavillon 3, und wieder andere beginnen auf dem Außengelände oder warten hier im Bistro bei einem Espresso. Alle Inhalte und Animationen sind so angelegt, dass sie zwischen zwei und acht Minuten sind. Man muss also nicht lange warten.
Wie ist das für junge Menschen? Sie locken vermutlich viele Familien mit Kindern an.
Manfred Liedtke: Genau das ist beabsichtigt. Die großen visuellen Attraktionen, die Milchstraße oder die Andromeda-Galaxie zum Beispiel auf drei mal vier Metern Breite vor sich zu sehen – das ist einfach faszinierend, auch für Kinder. Von Pavillon zu Pavillon wird man immer wieder neu eingefangen durch audiovisuelle Erlebnisse und Eindrücke. Aber es gibt ganz bewusst kein Angebot für Kinder, dass die in irgendeiner Ecke im Sand spielen. Das Bild des Saturn oder ein Livebild der Sonne ist für einen Siebzigjährigen wie für ein achtjähriges Kind gleich faszinierend. Über das Universum sind auch in der Treburer Sternwarte immer alle am Staunen, egal welchen Alters.
Welches Baustadium haben wir zurzeit?
Manfred Liedtke: 90 Parkplatze werden dieser Tage gebaut, die auch für das benachbarte Freibad genutzt werden können. In etwa zwei Monaten ist der Parkplatz hergestellt. Im August sollen die Pavillons baulich fertig sein. Im September wird der innere Bereich mit Grünflächen und Wegen gestaltet, auch mit Teleskopen, die Livebilder in die Pavillons projizieren. Im September sollen die Beamer eingebaut werden, die Inhalte werden anschließend eingepflegt.
Was wird einige Monate nach der Eröffnung sein, wenn das erste Interesse gestillt ist?
Manfred Liedtke: Ich habe vor, ganz viele Veranstaltungen im Astroparc zu machen. Vier sind schon fest: an den beiden Tag- und Nacht-Gleichen und den beiden Sonnenwenden. Deshalb wird angestrebt, nächstes Jahr an der Tag- und Nacht-Gleiche im Frühjahr zu eröffnen. Und natürlich die jährlichen Events, zum Beispiel im August, wenn Sternschnuppen gut angeschaut werden können. Oder bei besonderen Ereignissen wie Mond- und Sonnenfinsternissen, die dann von einer Terrasse aus in Liegestühlen betrachtet und erläutert werden können.
Und welche grundsätzlichen Überlegungen stecken hinter dem ehrgeizigen Projekt?
Manfred Liedtke: Der Hintergedanke ist, den Menschen auch bei einer Bratwurst oder beim Kaffee zu vermitteln: Was bedeutet zum Beispiel eine Sonnenwende? Es geht um nichts weniger, als ein bisschen mehr unsere Welt zu verstehen. Es ist ein Ding, das alle Menschen gleich betrifft und alle gleich macht. Ein Thema, bei dem wir verstehen können, dass unsere Erde ein Planet ist, der um einen Stern kreist – aber da oben gibt es noch ganz viele. Wenn man diesen Mechanismus ein Stück weit versteht, kann man anfangen zu sagen: Ich sollte nicht mehr so kleinlich denken auf einer Erde, beispielsweide wenn da die Zweige vom Nachbarn auf meinen Rasen fallen bis hin zum Großen wie den Kriegen. Ich habe immer den Eindruck, wenn alle ein bisschen mehr Ahnung vom Universum hätten, wäre auch alle ein bisschen gechillter.
Zur Person: Manfred Liedtke, Jahrgang 1956, Studium des Kommunikationsdesigns in Mainz, Spezialisierung auf Mediendesign, später angestellt im Institut für Mediengestaltung an der Hochschule Mainz. Entwicklung zahlreicher Ausstellungen, häufig mit astronomischen Schwerpunkten. Forschung an der Technik virtueller und erweiterter Realität (VR / AR). Seit 2022 betraut mit der Realisierung des Astroparcs.