An der richtigen Stelle angekommen

Von Ulf Krone.

Bei der Bundestagswahl im September hat sich die inzwischen 32jährige Melanie Wegling von der SPD das begehrte Direktmandat im Kreis gegen den ehemaligen Groß-Gerauer Bürgermeister Stefan Sauer (CDU) gesichert. Nun heißt es: Ankommen im Berliner Politbetrieb und möglichst schnell zur Sacharbeit übergehen. Was das bedeutet und welche Ziele sie sich für die kommenden Jahre gesetzt hat, darüber hat die junge Politikerin mit WIR-Redakteur Ulf Krone gesprochen.

Sie sind gerade zum ersten Mal für die SPD in den Bundestag gewählt worden. Wie waren die ersten Wochen im Berliner Polit-Zirkus?

Melanie Wegling: Spannend. Keine 24 Stunden nachdem das Wahlergebnis am Sonntagabend feststand, saß ich schon im Zug nach Berlin, um dort pünktlich am Dienstagmorgen die ersten Termine wahrnehmen zu können. Viele Gepflogenheiten haben mich überrascht, beispielsweise dass mit Taschen und Jacken Plätze im Plenum reserviert werden. Und dann muss man sich im Bundestag und den angrenzenden Gebäuden, die alle mit Tunneln verbunden sind, auch erst einmal zurechtfinden.

Zwischenzeitlich habe ich ein Büro bezogen und Mitarbeitende in Berlin und im Wahlkreis eingestellt, die mich bei meiner Arbeit unterstützen. Seit Mitte Dezember steht fest, dass ich in den Ausschüssen für Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Kommunen und für Finanzen mitarbeiten werde. In den letzten Wochen habe ich immer wieder inne gehalten und mich über meine neue Aufgabe gefreut. Es macht mir seit dem ersten Tag einfach unglaublich viel Spaß und ich habe das Gefühl, genau an der richtigen Stelle angekommen zu sein. 

Sie haben sich beim Rennen um das Direktmandat im Kreis ein wenig überraschend gegen den ehemaligen Groß-Gerauer Bürgermeister Stefan Sauer (CDU) durchsetzen können. Was war Ihrer Meinung nach ausschlaggebend für diesen Erfolg?

Melanie Wegling: Das Ergebnis war vielleicht überraschend deutlich, aber ich habe immer daran geglaubt, das schaffen zu können. Mit dieser Energie sind meine Unterstützer/innen und ich dann auch in den Wahlkampf gezogen. Über mehrere Monate habe ich an tausenden Haustüren geklingelt und mich dort persönlich vorgestellt. Mir war es wichtig, glaubwürdig zu sein und auch selbst zu leben, was ich fordere. Ich trete für Klimaschutz ein, also waren meine Wahlkampfmaterialen auch nachhaltig. Ich trete ein für die Verkehrswende, also fahre ich auch selbst mit dem Zug. Dabei habe ich mich auf meine eigenen Ziele und Inhalte fokussiert und gar nicht so sehr den politischen Gegner beobachtet. Auf leere Floskeln habe ich verzichtet. In vielen persönlichen Gesprächen mit den Menschen im Kreis Groß-Gerau habe ich dafür sehr positives Feedback bekommen. Schlussendlich haben dann wohl Authentizität und Persönlichkeit den Ausschlag gegeben. Dass bundesweit die Zeichen in den letzten Wochen vor der Wahl auf Wechsel standen, hat uns allen im Wahlkampfteam im Schlussspurt nochmal ziemlich Auftrieb gegeben. Alleine ausschlaggebend war das aber sicher nicht.

Haben Sie sich für Ihre erste Legislaturperiode im Bundestag konkrete Ziele gesetzt, oder muss man als „Neuling“ erst einmal in den Politbetrieb hineinfinden, um solche Ziele formulieren zu können?

Melanie Wegling: Als Neuling muss ich mich natürlich in einiges hineinfinden: Wie verstelle ich eigentlich die Höhe des Rednerpults im Plenarsaal? An welche Adresse schicke ich meine Anfrage an die Regierung? Oder wie heißen eigentlich die ganzen Abgeordneten in meinen Ausschüssen? Diese organisatorischen Neuerungen halten mich aber nicht davon ab, meine politischen Ziele seit dem ersten Tag zu verfolgen. 

Sie haben Politikwissenschaft und Sinologie in Frankfurt und in Peking studiert. Ist die Außenpolitik, Stichwort China, ein Feld, auf dem Sie sich in den kommenden Jahren betätigen möchten?

Melanie Wegling: Bestimmt werde ich in den kommenden Jahren mal eine Delegationsreise nach China übernehmen oder Gäste aus Fernost hier begrüßen. Ich freue mich persönlich über die Möglichkeit, mal wieder etwas Smalltalk auf Chinesisch zu halten. Für meine politische Arbeit habe ich aber einen anderen Schwerpunkt gesetzt. Ich möchte die Menschen aus dem Kreis Groß-Gerau in Berlin vertreten und eine starke Stimme für die Kommunen sein. Deshalb arbeite ich im Bundestagsausschuss für  Bauen, Wohnen, Stadtentwicklung und Kommunen. Außerdem bin ich im Ausschuss für Finanzen. Auf der einen Seite werde ich mich also mit Themen wie bezahlbarem Wohnraum, Stadtentwicklung und Förderung der Kommunen beschäftigen. Auf der anderen Seite warten Themen wie Besteuerung und Verteilungsgerechtigkeit auf mich. Aus meiner kommunalpolitischen Tätigkeit kann ich viele Themen mit in den Bundestag nehmen und jetzt auch von dort aus dafür sorgen, dass gute Entscheidungen für die Städte und Kommunen getroffen werden, denn dort vor Ort sind die Handlungsmöglichkeiten leider allzu oft sehr begrenzt.

Und darüber hinaus? In welchen Bereichen würden Sie zukünftig gern aktiv werden, und welche Themen brennen Ihnen besonders auf den Nägeln?

Melanie Wegling: Aufgefallen ist mir in den letzten Wochen die große Aktivität von Lobbyverbänden gegenüber den Abgeordneten. Ich möchte gerne dazu beitragen, dass Entscheidungen nicht einseitig von den Organisationen mit den hübschesten Broschüren oder teuersten Parlamentarier-Frühstücken beeinflusst werden. Bei Gesprächen zu Fachthemen werde ich immer mehrere Perspektiven einholen und eine stärkere Transparenz in der Entscheidungsfindung unterstützen. Weiterhin sind mir die Themen Klimaschutz und Nachhaltigkeit wichtig. Meine zukünftigen Entscheidungen werde ich nicht nur nach den Auswirkungen auf das Bruttoinlandsprodukt bewerten, sondern immer auch nach den Auswirkungen auf Klima und Umwelt. 

Als junge Mutter müssen Sie nun mit dem beruflichen Spagat zwischen dem Kreis Groß-Gerau, wo Sie auch wohnen, und Berlin zurechtkommen. Wie begegnen Sie und Ihre Familie dieser Herausforderung, und was muss die Politik leisten, um die gesellschaftliche und berufliche Position der Frau weiter zu stärken?

Melanie Wegling: Aktuell trete ich meine Reisen nach Berlin nicht alleine an, sondern werde von meiner Familie begleitet. Mein Mann ist noch in Elternzeit, für nächstes Jahr steht unser Sohn auf der Warteliste für einen Krippenplatz in unserem Heimatort Ginsheim-Gustavsburg. Leider ist zurzeit kein Platz frei und wir müssen warten. Da geht es uns auch nicht anders als anderen Eltern. Wir haben uns bewusst dafür entschieden, mit Baby in den Bundestag einzuziehen. Es gibt einfach noch zu wenige junge Mütter und Väter, die politische Entscheidungen treffen. Vielleicht kann ich dazu beitragen, dass es zukünftig noch mehr werden. Aber egal welchen Job man als Mutter oder Vater ausüben möchte, Grundlage ist immer eine gute Kinderbetreuung. Dazu fehlt den Kommunen aktuell die finanzielle und personelle Ausstattung. Eine Berufstätigkeit beider Elternteile ist aber oft nur möglich, wenn die Kinderbetreuung planbar ist. Nicht jeder kann, so wie wir, auf die Unterstützung von Großeltern zurückgreifen. Die Kommunen brauchen die finanziellen Mittel für ihre Kitas. Außerdem braucht es eine Ausbildungsoffensive und stärkere Anreize, damit die Kommunen Fachkräfte für die Kinderbetreuung finden können.

Viele Eltern würden sich die Elternzeit gerne gleichmäßiger aufteilen, häufig sprechen aber finanzielle Gründe dagegen. Das müssen wir verbessern. Hürden müssen auch abgebaut werden bei der Rückkehr von Teilzeit in Vollzeit. Es bleibt also viel zu tun für einen familienfreundlicheren Arbeitsmarkt. Ich freue mich, dass ich meine eigene Expertise da direkt einbringen kann.

Zur Person: Melanie Wegling, geb. 1990 in Mainz; Abitur in Mainz, Bachelor in Politikwissenschaft und Sinologie an der Goethe Universität in Frankfurt am Main, Studium chinesischer Sprache, Kultur und Kalligraphie an der Peking University, Master in Modern East Asian Studies an der Goethe Universität in Frankfurt am Main; Managerin im internationalen Vertrieb eines Wasserfilterherstellers; verheiratet und Mutter eines kleinen Sohnes, wohnhaft in Ginsheim-Gustavsburg.

melanie-wegling.spd.de
melanie.wegling.wk@bundestag.de

Das könnte dich auch interessieren …