Hilfe in der Not
Von Ulf Krone.
Jeder kennt wohl die Diakonie, den sozialen Dienst der evangelischen Kirchen, verkörpert durch die regionalen Diakonischen Werke wie das Diakonische Werk Groß-Gerau/Rüsselsheim. Doch was das Diakonische Werk im Einzelnen alles leistet, ist vielen Menschen nicht bewusst. Denn von zahlreichen Beratungsangeboten über Hilfe für Geflüchtete und Migranten bis hin zum Mehrgenerationenhaus in der Kreisstadt oder einem Projekt wie der medizinischen Versorgung von Wohnungslosen ist die Bandbreite der Aktivitäten groß. Einen Einblick in die Arbeit des Diakonischen Werks gaben Jenna Reibold, stellvertretende Leiterin des Diakonischen Werks Groß-Gerau/Rüsselsheim, und Simone Welz, Koordinatorin des Mehrgenerationenhauses, im Gespräch mit WIR-Redakteur Ulf Krone bei einem Treffen im neuen Diakoniezentrum in der Danziger Straße.
Bitte geben Sie unseren Lesern einmal einen kurzen Einblick in das vielfältige Engagement des Diakonischen Werks hier im Kreis!
Jenna Reibold: Das Diakonische Werk hat eine Vielzahl an Angeboten an Standorten über den gesamten Landkreis verteilt, von stationären Angeboten in der Jugend- und Wohnungslosenhilfe über Ambulant Betreutes Wohnen und Streetwork hin zu einer großen Bandbreite an Beratungsangeboten – Schwangerenberatung, Schwangerschaftskonfliktberatung, Psychologische Einzel- und Paarberatung, Sozialberatung, Täter- und Gewaltberatung, Migrationsberatung, Verfahrensberatung für Geflüchtete, Fachberatung in der Wohnungslosenhilfe – und Unterstützung durch die Tafel und das Mehrgenerationenhaus, um nur einige zu nennen. Auch sind wir in der Arbeit mit Geflüchteten seit 2014 sehr aktiv und in der aktuellen Situation rund um die Ukraine involviert in Beratungsangebote in einer Notunterkunft in Ginsheim-Gustavsburg. Außerdem sind wir schon viele Jahre in der Flüchtlingssozialarbeit aktiv.
Simone Welz: Wir versuchen immer, bedarfsorientiert zu arbeiten, und arbeiten hier in engem Austausch mit Kooperationspartnern, Kommunen und Auftraggebern.
Wie ist die Arbeit des Diakonischen Werks organisiert? Welchen Anteil daran nimmt ehrenamtliches Engagement ein?
Jenna Reibold: Ehrenamtliches Engagement ist vor allem in der Gemeinwesenarbeit (bei der Tafel und im Mehrgenerationenhaus) ein wichtiger Baustein in der gesamten Organisation, aber auch in Projekten wie den Familienpaten und dem neu eröffneten Modezirkel in Nauheim.
Wir möchten die Arbeit mit Ehrenamtlichen voller Wertschätzung auf Augenhöhe gestalten, und da wir immer und immer wieder „Nachwuchs“ finden – oder andersherum: Engagierte uns finden, gelingt uns dies, denke ich, ganz gut.
Wie wird das Ganze finanziert?
Jenna Reibold: Für das Mehrgenerationenhaus gibt es ein Bundesprogramm und eine enge Kooperation mit der Stadt Groß-Gerau.
Die Tafel wird bis auf kleine Förderungen der Kommunen durch Eigenmittel und Spenden finanziert. Das macht dieses Arbeitsfeld so schwer. Auf der einen Seite sollte dies ein kurzfristiges Zusatzangebot sein und ist jetzt mehr oder minder zu einem Versorgungsauftag angewachsen, der eigentlich in der Verantwortung der Länder und dem Bund liegt. Auf der anderen Seite gibt es aber keine regelhafte Förderung der Tafeln. Die Politik und auch die Wohlfahrtsverbände stehen hier vor dem Dilemma, dass sich Tafeln nie etablieren sollten, jedoch die Bedürftigkeit wächst und wir dem ohne Förderung langfristig nicht gerecht werden können. Wenn wir nun anerkennen, dass es die Tafeln längerfristiger braucht, dann muss überdacht werden, wie die Träger in ihrer Arbeit unterstützt werden können.
Welche Projekte liegen Ihnen besonders am Herzen?
Jenna Reibold: Alle unsere Projekte und Angebote liegen uns am Herzen, da wir Menschen unabhängig von Herkunft, Alter, Geschlecht, Religion unterstützen und begleiten.
Simone Welz: Bei aktuellen Projekte ist es natürlich so, dass hier punktuell mehr Ressourcen eingebracht werden, so wie z.B. beim Repair-Treff. Bei vielen Angeboten und Projekten müssen wir aber immer wieder überprüfen, ob wir noch am Puls der Zeit sind, und passen dann unsere Angebote an – wie etwa im Sozialkaufhaus „Shop“ in der Kreisstadt.
Seit zwei Jahren beschäftigt uns die Corona-Pandemie, und jetzt sehen wir uns mit den Konsequenzen von Russlands völkerrechtswidrigem Angriffskrieg auf die Ukraine konfrontiert. Wie wirken sich die Pandemie und der Krieg auf Ihre Arbeit aus?
Jenna Reibold: Sowohl Pandemie als auch Krieg belasten unserer Mitarbeiter/innen und Klient/innen zusätzlich und verlangen allen viel ab. Wir sind aber stolz darauf, dass wir immer Wege und Lösungen finden, Menschen dennoch zu erreichen.
Wir unterstützen ukrainische Geflüchtete und vergessen dabei nicht, dass es viele Geflüchtete in Deutschland aus anderen Herkunftsländern gibt, die unsere Hilfe auch weiterhin brauchen. Als Wohlfahrtsverband müssen wir alle Menschen und Perspektiven einbeziehen, das heißt auf ukrainische Geflüchtete bezogen, dass wir voller Dankbarkeit und Anerkennung darauf schauen, dass Ukrainer/innen nun andere Möglichkeiten eröffnet werden als Geflüchteten, die ab 2014 nach Deutschland kamen. Gleichzeitig müssen wir aber dafür Sorge tragen, dass alle anderen Geflüchteten in Deutschland nicht vergessen werden und auch diesen die notwendige Unterstützung zukommt. Beides muss parallel benannt werden und schließt sich nicht gegenseitig aus. Wir dürfen keine Kategorien „gut“ und „schlecht“ akzeptieren und sich etablieren lassen. Entsprechend wichtig ist uns Aufklärung und Bewusstseinsschaffung bei der Bevölkerung.
Simone Welz: Trotz schwieriger Situation gibt es schöne Momente, in denen wir mit Menschen oder Geflüchteten untereinander in Kontakt treten und trotz aller Widrigkeiten Beziehungen gefördert werden können.
Wenn sich jetzt Menschen entscheiden, sich bei einem der Projekte zu engagieren, was müssen sie beachten, und wie nehmen sie am besten Kontakt auf?
Jenna Reibold: Jeder der aktiv werden möchte, kann sich bei uns melden und versuchen herauszufinden, welches Engagement am besten passt.
Diakonisches Werk Groß-Gerau/Rüsselsheim:
www.diakonie-kreisgg.de, Tel.: 06152-172680, info@dw-kreisgg.de