Wenn einer über Dichter schreibt

Von W. Christian Schmitt.

Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, keine Buchkritiken mehr zu schreiben. Keine, die darauf hinauslaufen würden, das gelesene Werk als nicht unbedingt lesenswert zu bezeichnen, es zu bemängeln in bisweilen gar zu rechthaberischer Art und Weise.

Auch Arbeiten von Kollegen, die in Sachen Journalismus sowie Schriftstellerei unterwegs sind, wollte ich nicht mehr beurteilen müssen. Aber keine Regel ist ja ohne Ausnahme, wie wir wissen. Und deshalb heute und hier doch noch einmal ein paar Anmerkungen zu einem Kollegen, dessen journalistische wie schriftstellerische Fähigkeiten mit Recht Beachtung gefunden haben. 

Von Harald Gröhler, Jahrgang 1938, in Schlesien geboren, lange Jahre in Köln, heute in Berlin lebend, ist die Rede. Viele Jahre kenne ich ihn bereits – als Schriftsteller, Kulturmoderator, aber auch selbst Literaturkritiker. Er ist u.a. PEN-Mitglied und war mehrmals als Gastprofessor für Literatur in den Vereinigten Staaten. Jetzt bin ich auf sein Buch „Dichter! Dichter! So begegneten sie mir“ (Verlag Könighausen & Neumann) gestoßen und dachte, wer diese Publikation liest, bekommt bei der Lektüre Schriftsteller quasi frei Haus geliefert. Denn 53mal bietet sich solch eine Gelegenheit, und bei 16 Autoren kann ich zudem zu einem vergleichenden Urteil kommen, weil auch ich diese Autoren einmal besuchen und interviewen durfte. Doch, was war das denn? Frage ich mich, als ich auf der letzten Buchseite angekommen bin. Eine Art Unterhaltungsroman, der Einblicke gewährt in die bisweilen wundersame Welt der Literaten? Wo man einem Hans Magnus Enzensberger begegnen kann, der sich – obwohl ein Termin vereinbart schien – partout weigert ein Foto zuzulassen. Wo von einem ehemals berühmten Autor Alexander Lernet-Holenia die Rede ist, der sich weigert, mit dem Besucher (also dem Verfasser dieser Erinnerungen) ein Gespräch zu beginnen und diesem, um ihn wieder aus der Wiener Wohnung zu bekommen, einen Faustschlag ins Gesicht versetzt. Oder das Zusammentreffen mit Ernst Kreuder, 1955 gar Büchner-Preisträger, der den Gast im Morgenmantel empfängt und auch fürs Foto nicht anderes anzukleiden mag. Oder der zu Lesungen eingeladene Christian Graf von Krockow, der in einem für ihn ausgewählten Hotel keineswegs übernachten möchte und wieder abreist. Oder die Begegnung mit Johannes Mario Simmel, bei der wohl einzig die Übereichung einer Visitenkarte erfolgreich war.

Oder die Sache mit Rolf Dieter Brinkmann, in den 60/70er Jahren ein aufsteigender Stern am Literaten-Himmel (der sich zwar fotografieren lässt, was gar bis zum Buchcover reicht), aber aus Sicht des Autors wohl eher ein Stinkstiefel ist. Auch Peter Handke, Heinrich Böll, Wolf Biermann und etliche weitere zeigen sich offenbar nicht so, wie Gröhler das erwartet (hatte) oder sich gewünscht hätte. Und auch über Gabriele Wohmann liest man vornehmlich, dass diese sich wohl permanent mit ihren Ehemann gestritten hatte. Schließlich – und dann will ich der möglichen, neugierigen Leserschar nicht alles vorab verraten – Wolfgang Bächler, einst Mitgründer der legendären Gruppe 47, der – zur Lesung nach Köln usw. von Gröhler eingeladen – nicht im Hotel, sondern bei einem weiblichen Fan einquartiert ist und diese (dafür?) auch noch haben heiraten wollte, dort jedoch – so ist zu lesen – „ein einziges Chaos“ angerichtet und gar noch mitten auf dem Teppich (s)eine Verrichtung hinterlassen habe. Igitt, igitt.

Über diese und andere Geschichten wären Journalisten der Yellow-Press sicher hocherfreut. Aber Literaturfreunde wie ich zum Beispiel? Die erwarten ein wenig mehr zu erfahren, warum ein Autor schreibt, wann und wie er das macht, was ihm vorschwebt, wie er die Gesellschaft sieht, in der er lebt undsoweiter undsofort.

Auf diese und andere Weise (Buchpassagen) kratzt Gröhler mit seinen Erinnerungen „Dichter! Dichter!“ lediglich an so manchem Schriftsteller-Image. Und ich frage mich nach der Lektüre des Buches, ob ich manches Geschilderte nicht unbedingt hätte erfahren müssen. Schade, lieber Harald, aber du weißt selbst, wie das mit Kritik funktioniert – man muss sie ertragen.

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