Machtlos gegen „Tonnen von Kippen“
Von Rainer Beutel.
Ein Kommentar hat in der vorigen Ausgabe des WIR-Magazins für Aufsehen gesorgt. In der Rubrik „Worüber die Leute reden“ wurde thematisiert, wie verwahrlost es rund um den Groß-Gerauer Bahnhof aussehe. Mehrere Leser betonten, dass es nicht nur an der Bahn so schlimm sei, sondern auch an vielen anderen Stellen in Groß-Gerau. Auch der Eigentümer der Immobilie sowie seine Pächter meldeten sich beim WIR-Magazin. Sie sollen hier zu Wort kommen.
Tarcisio Bovigna fühlt sich zu Unrecht in der Schusslinie. Als Eigentümer des Bahnhofs, den er vor vielen Jahren von der Deutsche Bahn AG erworben hat, betont er, dass er und seine Pächter alles nur Erdenkliche unternähmen, um das Umfeld zwischen Schienen und Immobilie sowie Vor- und den Parkplatz in Schuss zu halten.
„Wir machen hier jeden Tag sauber“, sagt Kioskpächter Bülent Aygül. „Hier ist sehr viel los, wir kommen nicht hinterher“, bekräftigt Agatino Sciurti, Betreiber von „Aga’s Bar Lounge“ im ehemaligen Wartesaal. „Einen Tag später sieht alles wieder so verschmutzt aus wie vorher“, bedauern alle wie aus einem Munde, darunter Ali Alhazba und sein Vater Husam Alhazba, die den Trödel- und Antiquitätenladen „Nix Neues“ im Bahnhofsgebäude betreiben.
Es sei jeden Tag des Gleiche. Die Bahnkunden ließen ihren Schmutz fallen oder liegen, wie und wo es ihnen beliebe. Die Bahn AG unternehme nichts bis wenig. Eine Reinigungsfirma komme allenfalls einmal die Woche. Das Subunternehmen stopfe alles in die wenigen Mülleimer. Würden die Pächter nicht freiwillig aufräumen, sähe es noch schlimmer aus.
Agatino Sciurti differenziert: Selbstverständlich hätten die Pächter einen großen Vorteil davon, dass so viel Publikum ankomme und wegfahre. Aber die Masse an Menschen bringe eben auch Nachteile. „Es sind Tonnen von Kippen“, die er freiwillig wegräume, nicht von seinem, sondern vom Gelände der Bahn. Ein andere Ursache sei die nahegelegene Schule. In den Pausen kämen die Teenager, verdrückten sich in nicht einsehbare Ecken, um beispielsweise zu rauchen. An Wochenenden gebe es auf den Rampen am Vorplatz Partys. Auch dort entstehe Schmutz.
Tarcisio Bovigna rechnet vor, dass im Kiosk fünf bis sechs Leute beschäftigt seien, in der Gaststätte mit allen Aushilfen ein Dutzend. Seine Investition in den Bahnhof schaffe indirekt Arbeitsplätze. Darüber hinaus erklärt der Eigentümer, dass das Bahnhofgebäude äußerlich so aussehe, weil er bestrebt und angewiesen sei, den Originalzustand zu lassen, wie es der Denkmalschutz verlange. Gerne hätte er die Fassade neu anlegen lassen. Selbstverständlich habe er in behindertengerechte Toiletten im Kiosk investiert. Machtlos sei er, wenn die Sperrbügel am Parkplatz immer wieder gerammt und verbogen würden, so dass diese Barrieren eher schäbig wirkten. Hinzu kämen hohe Ausgaben für den Gebäudeerhalt und die Außenanlagen. Selbst die historischen Fahrradständer mit Dach habe er reparieren lassen, um die Authentizität zu wahren. Vor seinen Erwerb sei das Gebäude heruntergekommen gewesen, habe leer gestanden und im Keller habe sich das Wasser einen Meter hoch gestaut.
Zustände also, die keiner wolle. Wenn sich alle mehr am Riemen rissen, wäre es mit dem Müll nicht so schlimm, sind sich Pächter und Eigentümer einig. WIR-Leser Reiner Elsenbruch, der sich telefonisch meldete, merkte ergänzend an, dass auch ein altbekanntes Problem nicht gelöst sei – die nicht vorhandene Barrierefreiheit. Schon seit fünf Jahren kämpfe er dafür, aber bei der Stadt Groß-Gerau passiere nichts, kritisiert der Mann.
Leserin Sabine Ziegler sieht ein grundsätzliches Problem: Niemand fühle sich zuständig, wenn es um die Verschmutzung gehe. „Auch der Bürgermeister reagiert nicht“, bedauert sie nach Anschreiben an die Stadt. Schlimm sei es mit dem Sperrmüll im Wald, noch schlimmer an der Autobahnausfahrt Büttelborn. Eigentlich in der ganzen Kreisstadt, findet sie. Sie selbst sammele zwei bis dreimal im Jahr freiwillig den Unrat ein. Bevor „eine alte Frau“, wie sie sagt, sich noch häufiger bücke, müsse ein städtisches Konzept her, wie Groß-Gerau endlich sauber werde – vom Bahnhof bis in den Wald. Mindestens.
Auch mich stört der verschmutzte Bahnhof in Groß-Gerau. In Nauheim befindet sich ebenfalls ein Kiosk im Bahnhofsgebäude. Dort allerdings ist es sauber und man wird nicht schon am Vormittag von Bier trinkenden Menschen empfangen. Eigentlich sollte die Kreisstadt den besseren Empfang und Eindruck bieten.
Warum stellt man keine größeren Mülleimer auf? Die vorhandenen Müllbehälter können nicht alles fassen und quellen über.
Warum versucht man nicht die gegenüberliegende Schule mit einzubeziehen. Vielleicht ist es möglich, im Kunstunterricht originelle Plakate oder Bemalungen zu entwerfen und anzubringen, die junge Menschen ansprechen (Comics etc.). Die dann auf die neuen, großen Mülleiner verweisen und die dazu auffordern, diese zu benutzen.
Vielleicht würde es Groß-Gerauer Unternehmen geben, die bereit wären Müllbehälter oder Farbe zu spenden.
Ich bin sicher, dass es Wege gibt den Bahnhof zu verschönern.
Und was ist mit dem Bahnhof in Dornheim? An fast allen Bahnhöfen der Riedbahn gibt es einen barrierefreien Zugang für Radfahrer – außer in Dornheim. Der Bahnhof gammelt vor sich hin. Das Dach an der Unterführung am Gleis Richtung Frankfurt ist undicht – bei Regen tropft es durch. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis es vollkommen durchgefault ist. Mit dem Fahrrad ist es schwer, auf die andere Seite zu kommen. Ist es nicht möglich, wenigstens eine Metallschiene an der Treppe anzubringen, damit man das Rad nicht tragen muss? Damit wäre vielen Schülern, Berufspendlern und Ausflüglern schon geholfen – es wäre immerhin besser als nichts. Die fehlende Perspektive, wann der Bahnhof in einen ansprechenderen Zustand versetzt wird, kritisiert auch Bürgermeister Walter. Es wäre schön, wenn sich bald etwas tut.