Die Erzählerin

Von Ulf Krone.
Nach drei Romanen hat die Autorin und WIR-Kolumnistin Britta Röder nun den Band „Fliehkraft“ mit Erzählungen veröffentlicht. Wie der entstanden ist, was an Erzählungen im Vergleich zum Roman so besonders ist und wie sich das bei Lesungen auswirkt, hat sie WIR-Redakteur Ulf Krone verraten.
Gerade ist Ihr Erzählband „Fliehkraft“ in der edition federleicht erschienen. Bislang waren Sie vor allem als Romanautorin bekannt. Was hat Sie nun an der Kurzform Erzählung gereizt, wie kam es dazu?
Britta Röder: Also eigentlich ist es für mich nichts Neues, was ich da gemacht habe. Die in Fliehkraft veröffentlichten Erzählungen sind zeitlich nicht nach den Romanen entstanden. Die insgesamt sieben Erzählungen habe ich über einen langen Zeitraum hinweg geschrieben, immer mal wieder zwischen den großen Romanprojekten und auch ganz unabhängig davon. Neu ist für mich jetzt nur, dass es genug an der Zahl waren, um daraus ein Buch machen zu wollen. Weshalb ich froh bin, mit der edition federleicht ein verlegerisches Zuhause für diese Texte gefunden zu haben. Was mir an der literarischen Gattung „Erzählung“ besonders gefällt, ist, dass durch den geringeren Umfang – also bei circa zwanzig Seiten anstelle von romanhaften zweihundert Seiten – ganz automatisch eine höhere Konzentration auf einen einzelnen Aspekt entsteht. Der eigentliche Kern der Geschichte wird dabei noch stärker ins Rampenlicht gestellt. Das bietet mir als Erzählerin die Möglichkeit, mit meinem Text einen Schlüsselmoment zu inszenieren, vielleicht sogar einen Schicksalsmoment für den jeweiligen Protagonisten. Das finde ich ungeheuer spannend.
Um was geht es in dem Buch, gibt es einen „rote Faden“? Und was hat es mit der Fliehkraft auf sich?
Britta Röder: Es gibt im Buch eine Erzählung, die heißt „Fliehkraft“. Und weil dieser Titel besonders repräsentativ ist, haben der Verlag und ich ihn ausgewählt, um das ganze Buch so zu nennen. „Fliehkraft“ ist ursprünglich ein physikalischer Begriff. Sie wird auch als Scheinkraft oder Trägheitskraft bezeichnet, die bei Dreh- und Kreisbewegungen auftritt. Mich hat die Mehrdeutigkeit, die in diesem Wort steckt, stark gereizt. Mir gefiel dieses Bild so gut, wie sich jemand um die eigene Achse dreht, aber trotz aller Anstrengungen nicht wegkommt. Es repräsentiert ein Bild, in dem jemand den starken Wunsch hat, wegzugehen, dem eine gewisse Trägheit entgegensteht. Das passt sehr gut zu den Figuren im Buch, die alle irgendwie gefangen sind in ihren Leben. Sie haben ihre Gründe wegzuwollen, aber ihnen haftet zugleich auch eine gewisse Trägheit an, das Gewünschte umzusetzen. Letztendlich läuft es auf den Mut hinaus, den es braucht, um die Umstände, von denen man festgehalten wird oder auch an denen man selbst festhält, zu durchbrechen. Das ist der rote Faden der Erzählungen.
Das Buch erschien Anfang März, und Sie haben es gerade mit musikalischer Unterstützung durch Hans-Werner Brun auf der Buchmesse in Stockstadt vorgestellt. Wie geht es jetzt weiter, wird es weitere Lesungen geben?
Britta Röder: Ja, selbstverständlich wünsche ich mir ganz viele Lesungen mit „Fliehkraft“. Im Vergleich zum Roman bietet der Erzählband eine noch größere Flexibilität bei der Auswahl der Texte an. Es ist also noch leichter, individuell Schwerpunkte zu setzen, je nachdem unter welchem Motto eine Veranstaltung steht. Die Zusammenarbeit mit Hans-Werner Brun geht jetzt bereits ins vierte Jahr. Hans-Werner ist ein Songpoet vom Feinsten und seine Lieder sind eine große Bereicherung für meine Prosatexte. Wir haben zu meinen Romanen „Zwischen den Atemzügen“ und „Das Gewicht aller Dinge“ gemeinsam Lesekonzerte entwickelt und zu zahlreichen Aufführungen gebracht. Daraus sind wundervolle musikalische Lesungen geworden, und daher war für mich von Anfang an klar, auch mit „Fliehkraft“ wird es wieder so ein gemeinsames Konzept geben. Das haben wir zur Buch-Premiere auf der Buchmesse in Stockstadt das erste Mal gezeigt. Am 20. März sind wir mit „Fliehkraft“ in der Buchhandlung Frank in Groß-Gerau. Soweit ich weiß, gibt es noch Tickets.

Britta Röder, Fliehkraft
2025 edition federleicht, 233 Seiten
ISBN 978-3-68935-009-3, 16 €