Ein Buch entsteht

Von Ulf Krone.

Um einen Roman zu schreiben, braucht man eine Idee, viel Fantasie, eine ordentliche Recherche und Schreib-Disziplin. Aber knapp die Hälfte der jährlichen Veröffentlichungen im deutschen Buchhandel entfallen auf Sachbücher aller Art, von natur-, geistes- und sozialwissenschaftlichen Themen über Lehrbücher bis hin zu Ratgebern oder Reiseberichten. Wie ein solches Sachbuch entsteht, hat WIR-Redakteur Ulf Krone bei W. Christian Schmitt herausgefunden, der aktuell an einem Buch über Lyrik arbeitet.

In diesem Fall begann alles mit der Idee, die eigene Lyrik-Bibliothek mit einem stolzen Bestand von mehr als 2.700 Bänden von mehr als 860 verschiedenen Autoren zu katalogisieren, eine Fleißaufgabe, die den Autor rasch in die eigene Vergangenheit führte – zum Augenblick der ersten Begeisterung, als klar wurde, dass Gedichte einen einzigartigen Zugang zur Gedankenwelt und den Gefühlen des jeweiligen Verfassers bieten. „Denn Lyrik hat ja immer in gewissem Maße mit der Gefühlswelt des Autors zu tun“, bringt es W. Christian Schmitt auf den Punkt. Und aufgrund der Interpretationsoffenheit von Lyrik interagiert diese mit der Gefühls- und Gedankenwelt des Lesers. „Einen Lyrikband kann ich an einem Tag so und am nächsten schon ganz anders lesen“.

Lyrik hat ja immer in gewissem Maße mit der Gefühlswelt des Autors zu tun.

So war für ihn etwa der große deutsche Nachkriegslyriker Peter Rühmkorf ein gutes Beispiel für politische Lyrik und bot einen Zugang zur Lyrikszene der bewegten 60er Jahre. Im Verlauf seiner publizistischen Tätigkeit erhielt W. Christian Schmitt in den folgenden Jahrzehnten dann die Möglichkeit, zahlreiche Autoren auch persönlich kennenlernen und interviewen zu können, was die Liebe zur Lyrik und ihren zahlreichen Facetten weiter verstärkte und zu der umfangreichen Sammlung führte, die er heute sein eigen nennt.

Dabei rufen die Namen und Werke schon im Gespräch unzählige Assoziationen hervor, die in Geschichten münden – von Gehörtem oder Gelesenem genauso wie von Erlebtem. Und auf diese Weise entstehen schließlich auch die Kapitel des Buches, dessen Arbeitstitel „Unterwegs mit dem Lyrik-Flüsterer“ ist. Dabei beginnt alles mit der Katalogisierung der Bibliothek, weshalb das Buch strukturell den Buchstaben des Alphabets folgt, doch dann setzen die Assoziationsketten ein.

„Ich bleibe bei dem einen oder anderen Autoren hängen und verbinde damit etwas“, beschreibt er diesen Vorgang und liefert damit gleichzeitig eine treffende Definition von Kreativität: Die Herstellung von Verbindungen zwischen einzelnen Erinnerungs-Elementen, also Erfahrungen, Erlerntem, Gefühlen etc. Das Ganze wird dann nach und nach durch Recherche unterfüttert, was in diesem Fall das Wiederentdecken der eigenen Interviews und Aufzeichnungen meint, die schließlich ihrerseits zu neuen Assoziationen führen. Und die spiegeln letztlich Charakter und Leben des Autors wider, denn diese Erfahrungen, dieses spezielle Wissen, diese Gefühle hat nur er, niemand sonst.

Das war der entscheidende Impuls, der zu dem Entschluss führte, ein Buch über die geliebte Lyrik-Bibliothek zu schreiben, „ein Buch, das nur ich schreiben kann“, wie er sagt. Ein Buch der Erinnerungen an Gedichte, Autoren, Erlebnisse und was diese bei ihm selbst ausgelöst, in Bewegung gebracht haben. Dementsprechend ist die Arbeit an dem Buch vor allem Erinnerungsarbeit und steht damit in der Tradition seiner bisherigen Publikationen, die seine Begegnungen mit Literatur und ihren Produzenten nachzeichneten. W. Christian Schmitt notiert die eigenen, persönlichen Erfahrungen, Gefühle, Assoziationen, und macht daraus ein Buch, das so nur er schreiben kann.

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