Immer da, wenn man ihn braucht
Von Jürgen Volkmann.
Menschen, die gewöhnlich nicht im Fokus der Öffentlichkeit stehen, sind das Thema unserer Serie „unter uns“. Diesmal ist Jürgen Volkmann im Gespräch mit Sheikh Mohammad Kamran vom Restaurant „Al Gusto“.
Herr Kamran, Sie sind ja neben dem Besitzer-Ehepaar Lavorato so etwas wie das Gesicht des Restaurants „Al Gusto“ am Marktplatz. Wie lange sind Sie schon dabei?
Mohammad Kamran: Ich bin seit 20 Jahren dabei!
Man kennt Sie in Ihrer sehr angenehmen, zurückhaltenden Art, die Gäste zu bedienen. Was ist ihre Philosophie, den Beruf auszuüben?
Mohammad Kamran: Ich habe gelernt, dass der Gast König ist und Respekt verdient hat. Und weil es um das Essen und Trinken geht, ist es ein wenig wie zuhause, wo die Mama weiß, welches Kind was gerne isst und trinkt. Ich weiß natürlich, wenn ein bestimmter Gast kommt, dass er beispielsweise gerne einen Frascati trinkt und oft dazu Vitello tonnato bestellt. Für mich ist wichtig, dass der Gast im Restaurant eine vertraute Umgebung vorfindet und das Gefühl hat, ich gehe wohin, wo man mich kennt. Wichtig für mich auch, dass ich im Hintergrund bleibe und dann da bin, wenn man mich braucht.
Man erlebt ja heute in der Gastronomie, dass die Bestellungen oft mit elektronischen Geräten aufgenommen werden und dabei oftmals der Blick für den Gast fehlt. Sie dagegen benutzen in der Regel noch nicht einmal einen Schreibblock. Wie können Sie sich alle Bestellungen merken?
Mohammad Kamran: Ja, mich sprechen häufig Leute darauf an. Manchmal gibt es Gruppen von 15 Personen, aber trotzdem muss ich mir nicht aufschreiben, was bestellt wird. Das hat damit begonnen, dass ich mir überlegt habe, wenn zwei Gäste zwei Pizzas mit Getränken bestellt haben, warum ich das aufschreiben soll. Das kann man sich merken. Also, ich habe mit zwei Leuten angefangen und dann mit drei, mit vier usw. immer mehr gemerkt. Man muss halt konzentriert sein.
Was sind so die Herausforderungen in Ihrem Beruf. Es gibt bestimmt auch Situationen, wo‘s mal kompliziert wird mit den Gästen?
Mohammad Kamran: Ja, meistens ja nicht. Aber dann, wenn man merkt, die Gäste haben vielleicht weniger Geduld und der Gast ist gerade mal nicht so ausgeglichen und entspannt und ihm fehlt die innere Ruhe. Aber das ist kein Problem.
Können Sie sich an lustige Begebenheiten im Restaurant erinnern?
Mohammad Kamran: Ja, es passiert schon mal, wenn eine Familie mit Kindern zu Gast ist, dass, kaum, dass ich die Fanta oder Cola serviert habe, die Flasche auch schon umgestoßen ist. Aber das passiert halt. Es sind halt noch Kinder!
Geboren sind Sie ja in Pakistan. Wie sind Sie nach Deutschland gekommen?
Mohammad Kamran: Ich bin in Pakistan geboren, in Gujranwala, einer Stadt mit zwei Millionen Einwohnern. Und bin dann mit 20 Jahren von dort nach Deutschland gekommen, um eine bessere Zukunft zu haben. Ich hatte gehört, dass man in Deutschland bessere Möglichkeiten hat, voranzukommen, als wenn ich dageblieben wäre. Aber das war zunächst nicht so einfach und wirklich hart. Wenn man aber den Willen hat, dann klappt es auch, und wenn man gesund ist, ist man stolz darauf, mit Schwierigkeiten klar zu kommen. Wenn man kämpfen muss, merkt man, dass man lebt.
Was war Ihre erste Station in Deutschland?
Mohammad Kamran: In der Gastronomie hab‘ ich in der Düsseldorfer Altstadt angefangen.
Das war bestimmt sehr fordernd!
Mohammad Kamran: Oh ja, aber wie. Da gab es keinen Tag und keine Nacht. Da ging es an normalen Tagen bis drei Uhr nachts und am Wochenende bis fünf Uhr morgens. Besonders an Tagen mit Fussballspielen war‘s besonders anstrengend. Dort habe ich drei Jahre lang gearbeitet, und dann war es auch genug für mich.
Sie sind dann nach Groß-Gerau gekommen und haben mit Ihrer Frau eine Familie gegründet.
Mohammad Kamran: Ich habe dann meine Frau geheiratet, die in Groß-Gerau lebte. Wir kannten uns bereits aus Pakistan. Wir sind in derselben Stadt geboren. Ich bin dann nach Groß-Gerau gekommen und nach einem Jahr habe ich im Al Gusto angefangen, zunächst hinter der Bar, da ich die Sprache noch nicht gut beherrschte, und anschließend dann im Restaurant bei den Gästen.
Sie kamen aus der Großstadt ins viel kleinere, beschaulichere Groß-Gerau. Was schätzen Sie an unserer Stadt?
Mohammad Kamran: Wenn Sie mich als Familienvater fragen, so kann ich sagen, dass Groß-Gerau ein sehr angenehmer Ort für Eltern ist. Hier muss man sich keine großen Sorgen um die Kinder machen, wie z.B. in den Großstädten, wo so viel auf die Kinder einströmt. Hier können sie eher ihren Weg finden.
Sie haben drei Kinder im Alter von 18 bis 22 Jahren. Was machen sie derzeit?
Mohammad Kamran: Unser großer Sohn Abdul Hadi studiert in Frankfurt im Fachbereich Sonderpädagogik, Sohn Hubeb macht eine Ausbildung bei einem Groß-Gerauer Logistikunternehmen und Tochter Munaima geht noch in Darmstadt auf die weiterführende Schule. Vielleicht geht sie auch einmal in den erzieherischen Bereich. Ich bin froh, dass die Kinder sehr starke soziale Kontakte haben. Der große Sohn hat auch schon ein paar Jahre ehrenamtlichen Dienst im Altenheim gemacht.
Was haben Sie Ihren Kindern so an Grundsätzen mit auf den Weg gegeben?
Mohammad Kamran: Ja, zuerst, man soll mit dem zufrieden sein, was man hat, und nicht nach den andern schauen, wenn die vielleicht ein großes Auto fahren usw. Und ich habe ihnen immer gesagt, wenn man jemandem helfen kann, dann überlegt nicht zweimal. Auch, dass sie auf eigenen Beinen stehen müssen, aber wenn sie mich brauchen, bin ich für sie da.
Nochmal abschließend zu Ihrem Beruf. Wir hören ja viel über Probleme, Personal im Gastronomiebereich zu finden. Woran liegt das Ihrer Meinung nach?
Mohammad Kamran: Ja, bei vielen wird die Arbeit in der Gastronomie als nicht so attraktiv angesehen, und die junge Generation hat weniger Interesse an dieser Tätigkeit. Wie ich es sehe, will die Generation so schnell wie möglich alles haben, obwohl wir heute mehr als genug haben, nicht so wie wir früher. Sie wollen nicht so anstrengend arbeiten, aber viel verdienen. Da ist nicht so der Wille da, sich anzustrengen. Wenn Sie mich aber fragen, dann sage ich, dass die Gastronomie Spaß macht. Man hat den Kontakt mit den Leuten, man unterhält sich. Man kann jeden Tag etwas lernen, oder die anderen lernen vielleicht von einem selbst. Man bekommt mehr mit von der Wirklichkeit und bewegt sich nicht nur in Youtube oder sonst wo im Internet. Ich würde diesen Beruf wieder ergreifen.
Lieber Herr Kamran, ich danke Ihnen für das Gespräch.