Im Kampf gegen Rassismus

Von Ulf Krone.

WIR-Redakteur Ulf Krone hat bei Wida Zmarai vom Netzwerk gegen Rechtsextremismus und Rassismus im Kreis Groß-Gerau nachgefragt.

Erläutern Sie unseren Lesern bitte einmal, was das Netzwerk gegen Rechtsextremismus und Rassismus im Kreis genau ist und wie Struktur und Arbeit des Netzwerks aussehen?

Wida Zmarai: Der Kreistag im Landkreis Groß-Gerau beschloss 2014 die Einrichtung eines kreisweiten Netzwerks gegen Rechtsextremismus und Rassismus innerhalb des Büros für Integration des Kreises. Das Hauptziel besteht darin, eine nachhaltige, langfristig angelegte kritische Auseinandersetzung mit rechtsextremen Entwicklungen in der Region zu gewährleisten und frühzeitig demokratie- und menschenfeindliche Muster zu erkennen, um auf unterschiedlichen Handlungsebenen darauf reagieren zu können.

Seit 2017 gibt es eine Fachstelle für das kreisweite Netzwerk gegen Rechtsextremismus und Rassismus. Die Aufgaben und Ziele der Fachstelle sind neben der Vernetzungsarbeit von regionalen und überregionalen Akteur/innen und Bündnissen, die Organisation von (Fach-) Veranstaltungen und Fortbildungen, das Angebot an Beratung und Begleitung von Betroffenen von rechtsextremistischer und rassistischer Gewalt, die Beratung und finanzielle Unterstützung von Präventionsmaßnahmen und die Sammlung und Bewertung von Informationen zur rechtsextremistischen Szene.

Jährlich finden im Landkreis Groß-Gerau Vernetzungstreffen – manchmal auch als Fachtag – statt, die für den Austausch und die Reflexion einen geschützten Raum bieten. Eine weitere wichtige Maßnahme ist NoRa-GG: NoRa-GG steht für No Racism und spiegelt eine gemeinsame Haltung gegen Rassismus und Diskriminierung im Landkreis Groß-Gerau wider. NoRa-GG ist eine Beratungs- und Anlaufstelle für Betroffene von rechtsextremer und rassistischer Gewalt. Durch die Anlaufstelle werden Fälle gemeldet, die hier im Landkreis Groß-Gerau passieren. Daraus ergibt sich die Möglichkeit, Erfahrungswerte und Ansätze zu sammeln, um mit den verschiedensten Akteur/innen zukünftig eine Gesamtstrategie zu entwickeln. Gemeldete Fälle werden jährlich anonym dokumentiert und mit dem jährlichen Bericht des Büros für Integration publiziert.

Sie sind im Büro für Integration zuständig für die DEXT-Fachstelle. Worum geht es dabei? Wie muss man sich Ihre Arbeit vorstellen?

Wida Zmarai: Die vom Landesprogramm „Hessen – aktiv für Demokratie und gegen Extremismus“ geförderte DEXT-Fachstelle ist in der Kreisverwaltung im Büro für Integration angedockt. Dort dient sie als zentrale Anlauf- und Beratungsstelle für Fragen und Angelegenheiten zu den Themen Demokratieförderung, Radikalisierung und Extremismusprävention.

Die Arbeit ist phänomenübergreifend: Das Ziel der Fachstelle ist es, die Menschen im Landkreis in ihrem Engagement für die Demokratie zu stärken, sie zu vernetzen, für extremistische Tendenzen zu sensibilisieren und präventiv zu wirken. Angebote der DEXT-Fachstelle sind (Verweis-) Beratung, Fort- und Weiterbildungen und Netzwerkarbeit. Weitere Aufgabengebiete sind die Durchführung bzw. die Förderung von Maßnahmen, Veranstaltungen und Projekten. Diesbezüglich organisiert die DEXT-Kooperation Südhessen zwei Mal jährlich eine Online-Veranstaltungsreihe mit verschiedenen Phänomenbereichen als Oberthema.

Um verschiedene Bereiche gut abdecken zu können und gemeinsame Strategien zu entwickeln, gilt es eine gute Netzwerkstruktur aufzubauen. Ich bin demnach vernetzt mit Gemeinden und Kommunen, Präventionsbeauftragten der Polizeipräsidien und pädagogischen Mitarbeiter/innen an Schulen. Gemeinsam wird der Umgang mit den verschiedenen Phänomenbereichen des Extremismus ausgearbeitet. Schwerpunkt der DEXT-Arbeit im Landkreis Groß-Gerau ist die Präventionsarbeit im schulischen Kontext.

Die Bedeutung dieser Arbeit ist kaum zu unterschätzen in Anbetracht jüngster Umfragen, die zeigen, wie tief und in welcher Breite rassistische, antisemitische und sexistische Ansichten in der Bevölkerung vertreten sind. Welches diesbezügliche Bild zeigt sich Ihnen bei Ihrer Arbeit im Kreis Groß-Gerau?

Wida Zmarai: Durch die Meldeplattform NoRa-GG können wir die Ergebnisse der Umfragen leider bestätigen. Wir bekommen immer wieder Meldungen über rassistische, antisemitische und menschenfeindliche Äußerungen. Nachbarschaftliche Auseinandersetzungen mit rassistischem, homophoben und antimuslimischen Äußerungen häufen sich. Lehrkräfte und Schulsozialarbeiter/innen berichten immer häufiger von rechtsextremen Symbolen, die in der Schule in verschiedenen Kontexten auftreten. Es ist jetzt umso wichtiger, dagegen zu halten, Menschenrechte gehören in den Vordergrund von all dem, demokratische Grundwerte müssen wiederhergestellt werden. 

Wo liegen Ihrer Meinung zufolge die Gründe für diese Entwicklung?

Wida Zmarai: Durch die Sozialen Medien kursieren viele Fake-Meldungen, viele Menschen sind damit überfordert und es wird immer schwieriger, zwischen echten und gefälschten Nachrichten zu unterscheiden. Auch die allgemeine politische Unzufriedenheit in Bezug auf Wirtschaft, Arbeitsmarkt und Gesellschaft hat einen erheblichen Einfluss auf die „Stimmung“ im Land. Es herrschen Defizite in der Bildungspolitik. Es fehlen Fachkräfte an Schulen. Einige Lehrkräfte sind – auch in Bezug auf die aktuelle Situation in Israel und Palästina – überfragt.

Was muss geschehen, um diesen Trend wieder umzukehren, um Demokratie und ihre Werte wieder „attraktiv“ zu machen und die Unzufriedenheit damit zu bekämpfen?

Wida Zmarai: Das A und O unserer Gesellschaft sind Wissen und Bildung. Wenn an den richtigen Stellen investiert wird, wird die Gesellschaft sich auch dementsprechend verändern. Es müsste viel mehr Aufklärung, auch in Bezug auf Erinnerungskultur geben. Es bräuchte viel mehr Räume der Begegnungen – die Schule spielt hierbei meiner Meinung nach eine gesellschaftsprägende Rolle. Begegnungsräume schaffen es, den Zusammenhalt untereinander zu stärken und mögliche Vorurteile aus dem Weg zu räumen. Die Politik sollte viel lauter werden gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus. 

Was raten Sie Menschen, die selbst Rassismus erleben oder Zeuge davon werden?

Wida Zmarai: Ich würde immer raten – auch wenn es schwerfällt –, nie zu schweigen. Reden Sie mit Menschen, denen Sie vertrauen. Suchen Sie Hilfe – es passiert viel mehr als man denkt. Wenn Sie selbst nicht darüber reden können, bitten Sie Freunde und Familie, eine Beratungsstelle aufzusuchen. Für Zeug/innen gilt es auch, nicht zu schweigen. Achten Sie jedoch darauf, dass Sie sich während eines rassistischen Angriffes nicht selbst in Gefahr begeben.

Netzwerk gegen Rechtsextremismus und Rassismus im Kreis Groß-Gerau

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