Kreisbauernmarkt abgesagt
Von Rainer Beutel.
Die Absage des Bauernmarkts durch den Regionalbauernverband Starkenburg e.V. sei bei der Stadtverwaltung in Groß-Gerau nicht nachvollziehbar, heißt es. Die Stadt habe nur ungenügend unterstützt, sagen die Marktveranstalter. Ähnliche Vorwürfe hatte auch der kreisstädtische Gewerbeverein im Mai nach der Groß-Gerauer Gewerbeschau erhoben.
So seien bereits bestehende Sicherheitskonzepte der Stadtverwaltung (beispielsweise für das „Frühlingserwachen“) angeblich aus „datenschutzrechtlichen Gründen“ nicht einsehbar gewesen. Zudem zeigten sich Gewerbeverein und Marktveranstalter darüber irritiert, dass der seit mehr als 20 Jahren mit dem Bauernmarkt fest verbundene verkaufsoffene Sonntag in diesem Jahr erstmals nur für ausgewählte Geschäfte in der Innenstadt freigegeben worden war. Rainer Beutel hat bei Mirko Stepan, Pressesprecher der Kreisstadt, nachgefragt:
Gemeinsame Lösungen wären möglich gewesen
Herr Stepan, wann genau und auf welchem Wege hat die Stadt von der Absage des Kreisbauernmarktes erfahren?
Mirko Stepan: Am Dienstagmittag, 6. September, per Mail seitens des Regionalbauernverbands Starkenburg e.V.
Welches erhöhte Sicherheitskonzept war für die Veranstaltung seitens der Stadt gefordert?
Mirko Stepan: Kein erhöhtes Sicherheitskonzept, sondern ein Sicherheitskonzept, das den zu erwartenden Besucherzahlen sowie den Gegebenheiten der Veranstaltungsfläche auf und rund um den Sandböhl Rechnung trägt. Wichtig: Der Veranstalter hätte ein bereits umfangreich ausgearbeitetes Sicherheitskonzept von 2019 nutzen und entsprechend anpassen können, dies in enger Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung.
Stimmt die Darstellung des Regionalbauernverbands, dass die Unterstützung der Stadt nicht groß genug gewesen sei?
Mirko Stepan: Hier ist anzuführen, dass seitens des Veranstalters keinerlei Anfragen/Hilfeersuchen an die Stadtverwaltung gerichtet wurden. Wäre das im Vorfeld geschehen, wären gemeinsam Lösungen entwickelt worden.
Wie erklärt sich die veränderte Allgemeinverfügung für den verkaufsoffenen Sonntag? Gibt es dafür ein Gesetz oder eine neue Ausführungsbestimmung, in der das nachzuvollziehen wäre?
Mirko Stepan: Aufgrund des Paragrafen 6, Abs. 1, Satz 1 des Hessisches Ladenöffnungsgesetzes sind Gemeinden aus Anlass von Märkten, Messen oder besonderen örtlichen Ereignissen (Anlassereignisse) berechtigt, abweichend vom Paragrafen 3 die Öffnung von Verkaufsstellen an jährlich bis zu vier Sonn- und Feiertagen freizugeben. Diese Freigabe hatte die Kreisstadt Groß-Gerau für den 2. Oktober 2022 wegen des Kreisbauernmarktes auf Antrag des Gewerbevereins Groß-Gerau erteilt. Nach Wegfall des anlassgebenden Ereignisses musste die Freigabe zurückgezogen werden. Die entsprechende Allgemeinverfügung wurde am Donnerstag, 15. September 2022, öffentlich bekanntgemacht, sie trat dann tritt am Folgetag in Kraft.
Wann und von wem wurde eigentlich die dafür notwendige Rechtsgrundlage geändert?
Mirko Stepan: Umfangreiche Änderungen des Hessisches Ladenöffnungsgesetzes erfolgten im Dez. 2019. Es handelt sich um Landesrecht, geändert durch den Landesgesetzgeber.
Wie kam es nun aus Sicht der Stadt zur weiteren Vorgehensweise?
Mirko Stepan: Für die im Innenstadtbereich genehmigte Sonntagsöffnung geben die enge gesetzlichen Voraussetzungen (§ 6 Abs. 1 Satz 1 HLöG sowie die zur Norm ergangene Rechtsprechung der Verwaltungsgerichtsbarkeit in Hessen) den Rahmen vor, der für die Entscheidung der Verwaltung maßgeblich ist. Nur durch die Begrenzung der Sonntagsöffnung auf den Bereich der Groß-Gerauer Innenstadt rund um Sandböhl und den Marktplatz konnte seitens der Kreisstadt der räumliche und inhaltliche Bezug zwischen Sonntagsöffnung und Anlassereignis, dem Kreisbauernmarkt, hergestellt und die beantragte Sonntagsöffnung überhaupt genehmigt werden. Die Stadt wäre beim Kreisbauernmarkt nicht Veranstalter gewesen, sondern war für die Zuteilung der Marktfläche sowie die Erteilung der Nutzungserlaubnis (Sondernutzung) zuständig. Zusätzlich fungiert die Stadt als Ordnungsbehörde, prüft also die erforderlichen Sicherheitsvoraussetzungen und legt gegebenenfalls notwendige Maßnahmen fest. Dafür hat der Veranstalter ein angemessenes Sicherheitskonzept vorzulegen, auf dessen Grundlage eine Bewertung und Gefahrenbeurteilung der Veranstaltung möglich wird.
Nach welchen räumlichen Kriterien wurden denn die Straßengrenzen festgelegt?
Mirko Stepan: Die Grenzen für die Veranstaltungsfläche ergeben sich aus der gesetzlichen Vorgabe beziehungsweise der ständigen Rechtsprechung. Es wird unter anderem verlangt, dass ein enger räumlicher Zusammenhang zwischen anlassgebender Veranstaltung (hier: Kreisbauernmarkt) und Sonntagsöffnung gegeben sein muss. Daher hat sich die Allgemeinverfügung zur Sonntagsöffnung auf den Innenstadtbereich rund um den Sandböhl mit Darmstädter Straße (bis Nr. 36) inklusive Marktplatz bezogen. Dieses Areal wird in Groß-Gerau als Einkaufsstraße/-bereich der Innenstadt wahrgenommen, so dass diese „Grenzziehung“ für die Veranstaltung zur Begründung des räumlichen Zusammenhangs nachvollziehbar und ermessensfehlerfrei ist.
Es gab gegen die Allgemeinverfügung einen Widerspruch seitens eines Gewerbetreibenden? Wie wurde damit umgegangen?
Mirko Stepan: Es wurden zwei Widersprüche eingelegt (ein Gewerbetreibender sowie der Gewerbeverein Groß-Gerau), die sich mittlerweile aufgrund der Absage der Veranstaltung erledigt haben. Im Rahmen des Widerspruchsverfahrens hat die Stadtverwaltung ihre Rechtsauffassung erneut überprüft und zusätzlich vom Hessischen Städte- und Gemeindebund absichern lassen. Das Ergebnis, dass die Allgemeinverfügung in dieser Form Bestand habe, wurde den Widerspruchsführern mitgeteilt. Der nächste Schritt wäre die Abgabe an den Anhörungsausschuss des Kreises gewesen, zu der es aufgrund der Absage der Veranstaltung und der nunmehr zwingend folgenden Aufhebung der Allgemeinverfügung zur Sonntagsöffnung nicht mehr gekommen ist.
Pressemitteilung der Kreisstadt Groß-Gerau zur Aufhebung des verkaufsoffenen Sonntags zum Kreisbauernmarkt im Wortlaut:
Genehmigte Sonntagsöffnung anlässlich des Kreisbauernmarktes wird wegen Absage der Veranstaltung aufgehoben
Die Kreisstadt Groß-Gerau wird die durch Allgemeinverfügung vom 28. Juni 2022 genehmigte Sonntagsöffnung in der Groß-Gerauer Innenstadt aufheben.
Diese bezog sich auf das Offenhalten der Verkaufsstellen innerhalb folgender Straßenzüge:
Darmstädter Straße 1 bis 36, Frankfurter Straße 1 bis 11, Kirchstraße 1 bis 11, Schulstraße 1 bis 15, Am Sandböhl, Am Marktplatz.
Hintergrund ist die Absage der Veranstaltung „Kreisbauernmarkt, Regionale Produkte direkt vom Erzeuger“ durch den Regionalbauernverband Starkenburg e.V., die zum Wegfall der Anlassbezogenheit der Sonntagsöffnung führt – dies ist jedoch eine zwingende Voraussetzung für Sonntagsöffnungen gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 Hessisches Ladenöffnungsgesetz (HLöG).
Aufgrund des § 6 Abs. 1 Satz 1 HLöG sind Gemeinden aus Anlass von Märkten, Messen oder besonderen örtlichen Ereignissen (Anlassereignisse) berechtigt, abweichend von § 3 HLöG die Öffnung von Verkaufsstellen an jährlich bis zu vier Sonn- und Feiertagen freizugeben. Diese Freigabe hatte die Kreisstadt Groß-Gerau für den 2. Oktober 2022 in der Zeit von 12:00 Uhr bis 18:00 Uhr aus Anlass des Kreisbauernmarktes und auf Antrag des Gewerbevereins Groß-Gerau erteilt. Nach Wegfall des anlassgebenden Ereignisses muss nun die Freigabe zurückgezogen werden. Eine entsprechende Allgemeinverfügung wird am Donnerstag, 15. September 2022 öffentlich bekanntgemacht und tritt am Folgetag in Kraft.
Die Kreisstadt Groß-Gerau weist darauf hin, dass für die im Innenstadtbereich genehmigte Sonntagsöffnung die engen gesetzlichen Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Satz 1 HLöG sowie die zur Norm ergangene Rechtsprechung der Verwaltungsgerichtsbarkeit in Hessen (etwa VG Wiesbaden, Az.: 5 L 1724/19.WI zum „vernünftigen räumlichen Bezug des Veranstaltungsgeschehens zur Ladenöffnung“) den Rahmen vorgeben, der für die Entscheidung der Verwaltung maßgeblich ist.
Kommentar zum Thema: Editorial von WIR-Herausgeber Michael Schleidt