Schutzschild der Gesundheit

Von Ines Claus.

Wir alle kennen wohl das Gefühl, beim Arztbesuch aus Nervosität nicht richtig zugehört oder die komplizierten Informationen nicht auf Anhieb verstanden zu haben.

Wie, wann und mit was muss ich das Medikament einnehmen? Ist das verschriebene Antibiotikum wirklich das richtige für mein Kind, und kann ich ihm den Hustensaft auch nach einer Woche noch geben? Verträgt sich der neue Blutdrucksenker mit meinen anderen Medikamenten? Wie gut tut es da, wenn Apothekerinnen und Apotheker, die man schon lange kennt, in der Apotheke unseres Ortes all unsere Fragen fachkundig beantworten und den nötigen Zuspruch geben können – gerade für ältere oder chronisch kranke Menschen.

Unsere deutschen Apotheken versorgen täglich rund drei Millionen Menschen mit Arzneimitteln. Sie leisten aber noch viel mehr: Sie erklären, beruhigen, klären auf und beraten – niedrigschwellig, kompetent und persönlich. Das macht sie gerade für die Menschen im ländlichen Raum zu einer ganz wichtigen Anlaufstelle und zu einem Stück Heimat und Sicherheit. Apotheken, die von approbierten Fachkräften geführt werden, sind daher ein unverzichtbarer Bestandteil unserer Gesundheitsversorgung. Sie gewinnen in einer immer älter werdenden Gesellschaft noch weiter an Bedeutung. Nicht ohne Grund sind die Hürden für die Ausübung des Apothekerberufs mit komplexem Studium, Approbation und Kammerzugehörigkeit sehr hoch.

Allerdings sehen sich unsere Apotheken zunehmenden Belastungen wie stark steigenden Betriebskosten, Lieferengpässen bei Arzneimitteln, Konkurrenz durch Internetapotheken und einem immer bedrohlicher werdenden Fachkräftemangel ausgesetzt. Die Übernahme weiterer wichtiger Aufgaben in der Gesundheitsversorgung – Impfungen, Gesundheitschecks oder auch Virentests – kommt hinzu und fordert die Apotheken zusätzlich. Gleichzeitig verharren die Löhne und Einnahmen weitgehend auf dem Niveau von vor 20 Jahren – seit 2003 gab es nur eine einmalige Lohnerhöhung von 3 Prozent, während sie in anderen Branchen kräftig gestiegen sind. Die prekäre wirtschaftliche Situation hat in den letzten Jahren zu einem spürbaren Apothekensterben vor allem auf dem Land geführt. Auch bei uns im Gerauer Land. Um eines deshalb klarzustellen: Ich begrüße, dass Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach eine Apothekenreform in Angriff nimmt, denn es besteht akuter Handlungsbedarf. Aber die vom Bundesgesundheitsministerium geplanten Reformen – vor allem die Zulassung von Filialapotheken ohne Approbierte, die Verkürzung der Daseinsvorsorge und der Öffnungszeiten sowie eine reine Umverteilung statt Erhöhung der Honorare – führen aus meiner Sicht eben nicht zu einer Stärkung des Gesundheitssystems. Ganz im Gegenteil. Machen wir uns klar, was diese Vorschläge konkret bedeuten: Die Folge wären „Apotheken light“ – Apotheken ohne Apotheker und damit ohne die notwendige Fachberatung bei hochkomplexen Wechselwirkungen; lange Wege und Wartezeiten; eine weitgehende Entwertung der mehrstufigen Fachausbildung zum approbierten Apotheker; der Wegfall der Abgabe von lebenswichtigen Betäubungsmitteln im Notfall sowie von wichtigen Impfungen und Gesundheitschecks. Kurz: die Aushöhlung des bewährten Systems der kompetenten, niedrigschwelligen und persönlichen Arzneimittelversorgung vor Ort in Hessen und im Gerauer Land. Der Apotheker schenkt uns Sicherheit in einem gut austarierten Sicherheitsdreiklang: Neben dem Arzneimittelrecht in der Herstellung und dem ärztlichen Berufsrecht für die Verordnung von Arzneimitteln folgt die kontrollierte Abgabe von Arzneimittel in Apotheken durchapprobierte Apotheker.

Ich sage es daher ganz deutlich: Wir sind in großer Sorge um die Patientensicherheit und die Gesundheitsversorgung unserer Bürgerinnen und Bürger. Deshalb lehnen wir diese „Apotheken light“ strikt ab und stehen fest an der Seite der Apothekerinnen und Apotheker. Wir brauchen die Kompetenz des approbierten Fachpersonals vor Ort mehr denn je, vor allem bei uns auf dem Land. Wir können und dürfen Medikamente mit hochkomplexen Wechselwirkungen nicht wie ein T-Shirt oder eine Cola verkaufen. Die inhabergeführte Apotheke gibt uns allen die notwendige Sicherheit, sie ist das letzte Schutzschild unserer Gesundheit. Genau deshalb haben wir in unserem christlich-sozialen Koalitionsvertrag für Hessen fest verankert, dass wir uns für die inhabergeführte Apotheke vor Ort einsetzen werden.

Genau deshalb habe ich mich auf der zentralen Kundgebung der hessischen Apothekerinnen und Apotheker am 27. Juni in Frankfurt am Main und in einem Brief an Bundesgesundheitsminister Lauterbach ganz persönlich für die Stärkung der Präsenzapotheken eingesetzt. Genau deshalb haben wir diesem wichtigen Thema im Hessischen Landtag im Juni eine Aktuelle Stunde gewidmet. Genau deshalb haben wir führende Vertreterinnen und Vertreter der Apothekerverbände in unsere Fraktionssitzung nach Wiesbaden eingeladen und uns direkt mit ihnen ausgetauscht. Und genau deshalb haben wir eine Initiative zur Zusammenarbeit der Gesundheitsminister der Länder initiiert, um gemeinsam im Sinne der Apotheken Einfluss auf die Reform zu nehmen.

Und unsere umfangreichen Bemühungen tragen konkrete Früchte: Der ursprüngliche Referentenentwurf wurde bereits überarbeitet und die Verabschiedung des Gesetzes im Bundeskabinett bis auf Weiteres verschoben. Das gibt uns Zeit, um gemeinsam auf weitere notwendige Änderungen zu drängen. Wir brauchen Reformen. Aber sie müssen die Gesundheitsversorgung in unserem Land stärken und nicht schwächen. Deshalb werden wir nicht lockerlassen und uns weiter für die Apothekerinnen und Apotheker einsetzen – sie sind die letzte Verteidigungslinie unserer Gesundheit. Und die Gesundheit der Menschen in Hessen und im Gerauer Land ist für uns nicht verhandelbar.

Ines Claus
ist direkt gewählte CDU-Abgeordnete im Hessischen Landtag; i.claus@ltg.hessen.de

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