Kein normales Bauprojekt

Von Ulf Krone.
Im Juni 2021 wurde die Hospizstiftung Groß-Gerau vom Regierungspräsidium Darmstadt anerkannt, so dass mit dem Sammeln von Spenden begonnen werden konnte, um die Versorgungslücke im Kreis endlich durch ein Hospiz schließen zu können, denn bislang liegen die nächsten Einrichtungen in Flörsheim, Darmstadt oder an der Bergstraße. Vier Jahre später steht die Planung, und der Baubeginn für ein Hospiz in der Kreisstadt ist nicht mehr fern. Damit dabei alles reibungslos läuft und Zeitplan sowie Kosten eingehalten werden, hat die Stiftung seit Juni einen hauptamtlichen Projektleiter, den Architekten Raimund Schreckenberger. Im Interview mit WIR-Redakteur Ulf Krone berichtet er, was ihn zum Jobwechsel bewogen hat und wie es nun konkret weitergeht.
Seit Mai sind Sie bei der Hospizstiftung hauptamtlicher Projektleiter für den Bau des stationären Hospizes, engagieren sich aber schon seit 2022 ehrenamtlich bei den Freunden und Förderern der Stiftung. Wie kam es dazu?
Raimund Schreckenberger: Als Dr. Harald Braun mir zum ersten Mal von der Idee erzählte, in Groß-Gerau ein Hospiz zu bauen, dachte ich zunächst an ein klassisches Generalunternehmer-Angebot – das lag nahe, denn ich war damals Niederlassungsleiter bei einem Generalunternehmer. Doch schnell wurde klar: Die Stiftung brauchte keine ausführende Firma, sondern vor allem fachliche Unterstützung. Gemeinsam mit drei weiteren ehrenamtlichen Architekten habe ich Grundstücke begutachtet, ein Raumprogramm entwickelt und das Konzept mitgestaltet.
Was sind die Besonderheiten bei der Planung eines Hopiz?
Raimund Schreckenberger: Je intensiver ich mich damit beschäftigte, desto deutlicher wurde mir: Der Bau eines Hospizes ist kein normales Bauprojekt. Es geht um einen Ort, der Menschen am Lebensende würdevollen Raum gibt – und darum, eine Lücke in der Versorgung im Kreis Groß-Gerau zu schließen. Als das Grundstück gefunden und die Planer beauftragt waren, sollte ein Projektsteuerer benannt werden. Nach einem kurzen Gespräch mit meiner Partnerin war für mich klar: Ich will diese Aufgabe übernehmen. Also habe ich mich der Stiftung als Projektleiter angeboten – aus voller Überzeugung und mit großem Respekt vor dem, was hier entstehen soll.
Welche Aufgaben hat ein Projektleiter – etwa im Vergleich mit einem Architekten oder Bauleiter? Und wo sehen Sie den Schwerpunkt ihrer neuen Aufgabe?
Raimund Schreckenberger: Die Aufgaben eines Projektleiters in einem Bauvorhaben wie dem Neubau des stationären Hospizes sind vielseitig und richten sich in hohem Maße nach den Bedürfnissen der Bauherrin – in unserem Fall der Hospizstiftung. Eine scharfe Abgrenzung zu anderen Rollen auf der Baustelle gibt es nicht immer, aber grundsätzlich bin ich als Projektleiter vor allem in der Rolle des Bauherrenvertreters tätig. Zu meinen zentralen Aufgaben gehören die Koordination des gesamten Planungsteams sowie das Termin- und Kostenmanagement. Ich stimme die Arbeit der beteiligten Ingenieurbüros aufeinander ab und sorge dafür, dass die Planungsziele der Stiftung eingehalten werden. In der Bauphase überwache ich die vereinbarten Qualitäten und betreue das Vertragswesen mit den ausführenden Baufirmen. Wichtige Entscheidungen bereite ich als Beschlussvorlagen für den Stiftungsvorstand auf – damit dieser fundiert und transparent entscheiden kann. Darüber hinaus vertrete ich die Hospizstiftung auch nach außen – in Gesprächen mit Behörden, Verbänden oder Förderinstitutionen sowie bei öffentlichen Präsentationen des Projekts. Der Schwerpunkt meiner Aufgabe liegt also nicht allein im technischen Management, sondern auch in der Vermittlung und Kommunikation – intern wie extern.
Vor vier Jahren wurde die Hospizstiftung GG ins Leben gerufen, denn ein Hospiz, in dem die Betroffenen die letzte Zeit ihres Lebens angstfrei und professionell versorgt verbringen können, gibt es im Kreis Groß-Gerau bisher nicht. Wie ist der aktuelle Stand bei der Umsetzung, wann geht es los mit dem Bau?
Raimund Schreckenberger: Wir stehen kurz vor der Erteilung der Baugenehmigung. Den Bauantrag haben wir im Februar eingereicht. Aber in den letzten Monaten mussten wir nochmals umplanen und haben aufgrund eines hohen Grundwasserstands und anspruchsvoller geologischer Bedingungen beschlossen, keinen Keller vorzusehen. Das heißt, wir haben nun die überarbeiteten Unterlagen bei der Genehmigungsbehörde eingereicht und hoffen, dass alles zügig weitergeht. Trotzdem sind wir parallel bereits mit der Ausführungsplanung, der statischen Berechnung und der Planung der technischen Gebäudeausrüstung gestartet, um keine Zeit zu verlieren. Wir gehen davon aus, dass die Genehmigung so rechtzeitig vorliegt, dass der eigentliche Baubeginn im Oktober 2025 erfolgen kann. Die Abbruchgenehmigung für das Bestandsgebäude liegt bereits vor – voraussichtlich werden wir den Altbau noch im August dieses Jahres zurückbauen. Damit ist ein wichtiger erster Schritt getan, und wir kommen unserem Ziel, ein stationäres Hospiz im Kreis Groß-Gerau zu realisieren, wieder ein gutes Stück näher.
Sie planen, möglichst wenig Haustechnik zu verbauen? Weshalb, was steckt dahinter?
Raimund Schreckenberger: Unsere Devise lautet: Die beste Gebäudetechnik ist die, die gar nicht erst benötigt wird. Das reduziert nicht nur die Investitionskosten, sondern auch die laufenden Betriebs- und Wartungskosten – und sorgt langfristig für ein robustes, nachhaltiges Gebäude. Voraussetzung dafür war ein Architekturentwurf, der Klima und Standortbedingungen von Anfang an berücksichtigt. So sind beispielsweise tief auskragende Balkone geplant, die nicht nur den Bewohnerinnen und Bewohnern Aufenthaltsqualität im Freien bieten, sondern auch einen wirksamen Sonnenschutz darstellen. Damit wird der sommerlichen Überhitzung passiv entgegengewirkt, bevor die vorgesehene, moderate Fußbodenkühlung überhaupt eingreifen muss. Um dieses Konzept abzusichern, haben wir eine bauphysikalische Gebäudesimulation beauftragt. Sie belegt, dass unser Gebäude im Vergleich zu konventionellen Planungen deutlich weniger Heiz- und Kühlenergie benötigt. Ein häufiger Fehler in der Gebäudeplanung ist es, gestalterische Ideen ausschließlich über technische Systeme abzusichern – das wollten wir vermeiden.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die einfache Bedienbarkeit. Die Steuerung der Haustechnik soll so verständlich sein, dass Bewohnerinnen, Bewohner und Pflegekräfte die Raumtemperatur problemlos selbst regeln können – ohne komplexe Smart-Home-Technik. Ein Hospiz ist ein Ort des Rückzugs, der Ruhe und des würdevollen Abschieds – da braucht es keine übertechnisierte Umgebung, sondern vor allem ein durchdachtes, verlässliches Gebäude.
Und wie sieht es mit Nachhaltigkeit beim Bau aus? Gibt es da ein Konzept, und wie lassen sich ökologische Aspekte mit den in diesem Fall besonders komplexen Anforderungen hinsichtlich der Bedürfnisse der zukünftigen Bewohner in Einklang bringen?
Raimund Schreckenberger: Nachhaltigkeit ist für uns ein zentrales Thema – auch und gerade beim Bau eines Hospizes. Wir haben uns intensiv mit verschiedenen Bauweisen auseinandergesetzt, insbesondere mit einer Holz- oder Hybridbauweise, also einer Kombination aus Holz- und Mauerwerksbau. Letztlich mussten wir feststellen, dass es in unserer Region keine entsprechend entwickelte Holzbau-Industrie gibt. Anders als etwa im Schwarzwald, wo ein breites Angebot vorhanden ist, hätten wir hier mit erheblichen Mehrkosten rechnen müssen. Wir haben uns daher für eine CO2-reduzierte Massivbauweise entschieden. Betonbauteile werden mit Recyclaten hergestellt – also mit Zuschlagstoffen, die aus aufbereitetem Betonbruch bestehen.
Damit fördern wir echtes Recycling und nutzen gleichzeitig regionale Ressourcen, denn ein entsprechender Anbieter sitzt ganz in der Nähe. Kurze Transportwege sind ein wesentlicher Beitrag zur Emissionsminderung. Auch beim Ausbau des Gebäudes setzen wir auf langlebige und ressourcenschonende Materialien. So sind beispielsweise Aluminiumfenster und -türen vorgesehen. Zwar ist Aluminium in der Herstellung energieintensiv, dafür aber extrem langlebig, wartungsarm und zu 100 % recycelbar – ein entscheidender Vorteil im Lebenszyklus eines Gebäudes. Wir bevorzugen außerdem den Einsatz monolithischer Baustoffe, also Materialien, die aus einer einzigen Substanz bestehen. Diese lassen sich später wesentlich besser recyceln als Verbundwerkstoffe. Im Innenausbau prüfen wir derzeit den Einsatz von Lehmputzen und ökologischen Farben wie Caseinfarben – auch wenn die Untersuchungen hierzu noch nicht abgeschlossen sind. Unser Ziel ist es, ein Gebäude zu schaffen, das in seiner Konstruktion und Materialwahl dauerhaft Bestand hat, ökologisch verantwortungsvoll ist und zugleich den besonderen Anforderungen eines Hospizes gerecht wird.

Zur Person: Raimund Schreckenberger ist 59 Jahre alt, Vater zweier erwachsener Kinder, wohnhaft in der Kreisstadt und hat nach seinem Architekturstudium in Darmstadt über viele Jahre hinweg in drei Architekturbüros gearbeitet, später rund zehn Jahre als Planungsmanager bei einem großen Bauunternehmen sowie zehn Jahre als Leiter einer Niederlassung eines kleineren Generalunternehmens; er ist im Ortsvorstand der Grünen und sitzt im Stadtrat.