Benn, Böll, Brecht & Co.

Von W. Christian Schmitt.

In dieser Rubrik geht es um Dichter, Poeten, Lyriker, Verse-Schmiede, Wort-Produzenten etc. und um all das, was sie uns an Geschriebenem hinterlassen haben. Doch vor allem um das, was mir beim Katalogisieren meiner Lyrik-Bibliothek (neuerlich) begegnet, aufgefallen ist – und woran ich mich erinnere. Diesmal geht es um den Buchstaben B.

Wolfgang Bächler, der einst beim Gründungstreffen der legendären „Gruppe 47“ mit dabei war, wartete in seiner kleinen Zweieinhalb-Zimmer-Wohnung im 5. Stock über den Dächern von München-Straubing auf meinen Besuch. Es war – obwohl wir uns vorher noch nie begegnet waren – eine durchaus herzliche Begrüßung, der man allerdings auch anmerkte, dass wohl nicht allzuoft Journalisten den Weg hierher suchten. Bächler freute sich zwar sichtlich, aber nicht zu übersehen war auch, dass er kränklich wirkte. Wir sprachen damals, 1982, über seine Schreib-Blockade und über seine Träume, sicher auch über seinen gerade erschienenen neuen Band „Nachtleben“ (bei S. Fischer). „Gedichte schreiben ist so etwas wie Strohhalm und Droge gleichermaßen“, gab er mir nach einem langen Gespräch mit auf den Weg, „sie sind für mich immer auch ein Stück Leben“.Schon Heinrich Böll, von dem bei Kiepenheuer & Witsch 2021 der Erinnerungsband „Ein Jahr hat keine Zeit“ erschien, hatte – als Lyriker zwar selbst kaum hervorgetreten – über seinen Schriftsteller-Kollegen einst geäußert, dass dieser „selbstverständlich in die Geschichte der Nachkriegslyrik“ gehöre.

Wenn ich mir die fast 250 Lyrikbände, die in meinen Regalen allein unter dem Buchstaben B zu finden sind, abermals ansehe, dann gibt es zunächst ein paar quantitative Anmerkungen. Ingeborg Bachmann ist dort gleich achtmal vertreten, natürlich mit Büchern wie „Die gestundete Zeit“ oder „Anrufung des Großen Bären“, die beide bei Piper erschienen sind. Auch von Charles Baudelaire gibt es gleich bei fünf verschiedenen Verlagen „Die Blumen des Bösen“. Lesekost von Wolf Biermann finde ich zwölfmal, dabei auch der 1965 bei Wagenbach aufgelegte Titel „Die Drahtharfe“ ebenso wie sein drei Jahre später erschienenes Buch „Mit Marx- und Engelszungen“ (ebenfalls bei Wagenbach).

Doch meine Sammel-Vorlieben liegen sichtlich – was mich jetzt selbst überrascht – bei ganz anderen Autoren. Gottfried Benn z.B. ist gleich mit 14 Lyrikbänden vertreten, darunter die 1948 bei Limes veröffentlichten „Statischen Gedichte“ sowie „Morque und andere Gedichte“ (bei Klett-Cotta, versehen zudem mit Zeichnungen von Georg Baselitz). Noch vor Benn sind 18 Bände aus der Produktion von Bert Brecht einsortiert, natürlich auch „Brechts Hauspostille“ und sogar erotische Gedichte, die in der Insel-Bücherei unter dem Titel „Als ich nachher von dir ging“ erschienen sind. Den meisten Platz indes habe ich einem anderen Autor reserviert, der zwar 1920in Andernach geboren wurde, aber erst in den USAzum Schreiben kam (und in den 70er Jahren auch in Deutschland entdeckt wurde) – Charles Bukowski. Ganze 22 Gedichtbände bringen das zumeist chaotische Leben dieses Autors dem Leser, auch mir, ganz nahe. Verlage wie Maro, KiWi, Zweitausendeins, Heyne oder dtv haben sein vielfältiges Werk im Angebot.

Aber es sind nicht nur diese Autoren und ihre Lyrikbände, die Aufmerksamkeit verdienen. Johannes Bobrowski (u.a. mit „Sarmantische Zeit“, bei DVA), Nicolas Born mit dem Band „Gedichte. 1967 bis 1978“ (bei rororo), Rolf Dieter Brinkmann mit „Westwärts 1&2 (1975 bei Rowohlt), Michael Buselmeier mit „Dante Deutsch“ (2012 bei Wunderhorn) oder z.B. Manfred Bosch („Lauter Helden. Westerngedichte“, 1971 erschienen im Henstedter Handdruck) gehören ebenso dazu. Bosch, den ich seit meiner Zeit im Feuilleton des Darmstädter Echos kenne, schrieb mir einmal: „In meinem Belegordner finden sich viele Seiten des Darmstädter Echos, wo meine kurzen Spruchgedichte Dir als ´Umbruchshilfe´ dienten…“. Und so war es tatsächlich, als meine Liebe zur Lyrik sich zur Leselust zu entwickeln begann.

Autoren, die mir in irgendeiner Form auf diesem Weg geholfen haben, gab es etliche. Einer davon ist Hans Georg Bulla, von dem bei Suhrkamp Titel erschienen sind wie z.B. „Der Schwimmer“ und „Weitergehen“. Bulla, der heute in Wedemark wohnt,schrieb mir unlängst, dass er mit Blick auf heutige Medienberichterstattung besorgt sei: „…da können Sie sehen, wie man jetzt mit den Poeten umgeht“.
Nicht unerwähnt bleiben soll auch Volker Braun (u.a. „Wir und nicht sie“, 1970 in der edition suhrkamp erschienen), den ich im Rahmen einer Veranstaltungsreihe unter dem Titel „Dichterlesungen in der Kreisstadt“ 2009/10 neben Ulla Hahn, Wolf Wondratschek, Gert Heidenreich, Silke Scheuermann u.a. nach Groß-Gerau einladen konnte. Sie wie auch andere über ihre Gedichtbände hinaus live erleben zu können, ist auch ein Stück Lebensqualität.

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