Der Bildung verpflichtet

Von Ulf Krone.

Nach dem Wechsel der ehemaligen Schulleiterin Dr. Annette Petri an die Internatsschule Schloss Hansenberg musste die Prälat-Diehl-Schule (PDS) in Groß-Gerau erst einmal ein Jahr ohne Schulleiterin oder Schulleiter auskommen. Zu diesem Schuljahr hat nun Dr. Michael Förster den Posten übernommen. Der 50-jährige Pädagoge wechselte von der Anna-Seghers-Schule in Mainz zurück in seine Geburtsstadt an die PDS. WIR-Redakteur Ulf Krone hat nachgefragt, wie der Start in die neue Aufgabe verlaufen ist.

Es geht auf Weihnachten zu, und Ihr erstes Schulhalbjahr als Leiter der PDS neigt sich langsam dem Ende entgegen. Wie waren die ersten Wochen und Monate für Sie persönlich, und welchen Eindruck haben Sie von Ihrer neuen Schule gewonnen?

Dr. Michael Förster: Die ersten Wochen waren ereignisreich, spannend, aber auch beindruckend. Ich bin an der PDS auf ein sehr engagiertes Kollegium getroffen, dass mich überaus positiv aufgenommen hat. Ich habe schon viele Gespräche mit den unterschiedlichsten Gruppen an unserer Schule geführt, sei es im Kollegium, im Schulelternbeirat, der Schülervertretung oder dem Förderverein, alle Gespräche waren gewinnbringend und konstruktiv. Besonders mein Schulleitungsteam war in der Anfangszeit und ist natürlich weiterhin sehr wichtig und hat mich in zahlreichen Bereichen beraten und hilft mir bei den vielen Fragen, die ich auch jetzt noch habe. Das Amt eines Schulleiters ist unglaublich komplex und dementsprechend herausfordernd, denn natürlich gibt es auch Konfliktsituationen, denen man sich als Schulleiter stellen muss oder Probleme, die gelöst werden müssen.

Sie sind gebürtiger Groß-Gerauer, haben allerdings in Mainz studiert und dort auch gelebt. Was hat Sie bewogen, wieder zurückzukehren, beruflich, aber auch hinsichtlich ihres Lebensmittelpunkts?

Dr. Michael Förster: Ich fühlte mich meiner Geburtsstadt tatsächlich immer verbunden und war auch immer gerne in Groß-Gerau. Ich bin hier nicht nur geboren, sondern auch sehr unbeschwert und glücklich aufgewachsen. Der Wegzug aus Groß-Gerau war für mich nie eine Flucht. Meine Eltern leben immer noch hier in Groß-Gerau, und ich habe gemerkt, dass im Alter die Nähe zu Ihnen wichtig ist. Ich bin, obwohl ich in Mainz gelebt habe, dem Chor der Stadtkirchengemeinde über die Jahre hinweg treu geblieben und regelmäßig zu den Proben gefahren. Ich bin hier ebenfalls durch enge und sehr langjährige Freundschaften verwurzelt. Zudem bin ich eigentlich nicht der Typ, der gerne im Trubel lebt, und da ist Groß-Gerau doch beschaulicher und ruhiger. Die Stadt bietet alles, was man zum Leben braucht und in vielerlei Hinsicht auch darüber hinaus. Auch die geographische Lage ist ein Pluspunkt, da ich unter anderem sehr gerne die Oper besuche, sind die Bühnen in Frankfurt, Darmstadt und Wiesbaden gut zu erreichen – und das Staatstheater in Mainz natürlich auch.

Die PDS ist eine große Schule und außerdem auf zwei Standorte verteilt. Was reizt Sie besonders an der Aufgabe?

Dr. Michael Förster: Dass die Schule zwei Standorte hat, stellt natürlich für alle Beteiligten in manchen Bereichen eine gewisse Schwierigkeit dar. Als ich selbst noch Schüler war, ist einem das gar nicht so aufgefallen, aber als Kollegin oder als Kollege ist das sicherlich nicht einfach, und organisatorisch ist es immer wieder herausfordernd. Aber grundsätzlich darf diese Tatsache auch nicht überbewertet werden, es gibt ja durchaus auch positive Aspekte. Ich denke, dass beispielsweise Oberstufenschülerinnen und Schüler nicht unglücklich sind, dass sich in „ihrem“ Gebäude nicht dauerhaft Mittelstufenschülerinnen und -schüler aufhalten. Um sich als eine Schulgemeinschaft zu verstehen sind allerdings zwei getrennte Standorte nicht immer hilfreich. Mich hat nicht in erster Linie die Größe der Schule oder die Tatsache, dass sie zwei Standorte hat, maßgeblich gereizt, Schulleiter an der Prälat-Diehl-Schule zu werden. Ich wusste, dass die PDS eine gute Schule ist, mit einem großen Angebot für die Schülerinnen und Schüler – vor allem fand ich es sehr reizvoll, dass die Schule einen musikalischen Schwerpunkt hat und sich der kulturellen Vermittlung verschrieben hat. Ich denke, dass es gerade heute umso wichtiger ist, Kinder, Jugendliche und Heranwachsende an die vielfältige und umfangreiche Kultur heranzuführen und ihnen auch in diesem Bereich Türen zu öffnen und Perspektiven zu bieten. Kultur ist das grundlegende Fundament einer Gesellschaft, und darum ist es ungeheuer wichtig, junge Menschen mit Kultur vertraut zu machen, um ihnen Orientierung und Bodenhaftung zu geben.

Haben Sie konkrete Pläne, was Sie an der PDS gern umsetzen möchten. Was ist Ihnen besonders wichtig?

Dr. Michael Förster: Natürlich habe ich Ideen, aber diese müssen sich auch mit und in der Schulgemeinschaft entwickeln und von dieser getragen werden. Ich möchte, wie schon erwähnt, die kulturelle Vermittlung bzw. die kulturelle Bildung an der PDS weiter stärken, aber in allen Bereichen, die die PDS zu einer guten Schule machen, weiterarbeiten und Kolleginnen und Kollegen in ihre Arbeit unterstützen und stärken. Der Unterricht und das Wirken der Kolleginnen und Kollegen ist, meiner Ansicht nach der Kern, das Wichtigste in einer guten Schule. Es sind die vielen Beteiligten in der Schule, die dazu beitragen, dass eine Schule eine gute Schule ist. Meiner Ansicht nach kann künstliche Intelligenz keine Lehrerin oder Lehrer ersetzen, überhaupt ist eine Vermittlung von Wissen, Fertigkeiten und Fähigkeiten ohne Lehrerinnen und Lehrer aus meiner Sicht nicht möglich. Die Digitalisierung kann eine Bereicherung sein, sie kann neue und sicherlich auch sehr gute Möglichkeiten eröffnen, aber junge Menschen brauchen Kernkompetenzen wie Lesen und Schreiben, um sich in einer positiven Weise zu entwickeln. Das Denken kann und darf uns die Technik nicht abnehmen, auch wenn es vielen sehr bequem erscheint – es gilt immer noch das Gebot der Aufklärung: Selbst denken und sich selbst dazu zu motivieren. Immer noch gilt für mich der Humanismus als Leitidee: Menschlichkeit ist ohne eine grundlegende Bildung nicht vorstellbar.

Wir leben in schwierigen Zeiten: Politische Instabilität, Kriege, das Erstarken radikaler gesellschaftspolitischer Kräfte, die rasante technische Entwicklung und deren psychologischen und gesellschaftlichen Folgen. Was sind Ihrer Meinung zufolge heutzutage die größten Herausforderungen an einer Schule?

Dr. Michael Förster: Wir leben aktuell in wirklich sehr anstrengenden und herausfordernden Zeiten. Man hat oft den Eindruck, die Probleme der Welt drohen uns zu verschlucken oder zu überwältigen. Gerade für junge Menschen, die sich noch in ihrer Entwicklung befinden, ist es heute anstrengend, und mit Sicherheit fühlt es sich auch bedrohlich an. Umso wichtiger ist es, dass gerade die Schule als wichtiger Lebensort für Kinder, Jugendliche und Heranwachsende auch in gewisser Weise ein Schutzraum ist. Junge Menschen begegnen nicht nur im Internet und virtuell Gewalt, Hass und gezielter Manipulation, auch in ihrem persönlichen Umfeld können sie immer wieder darauf treffen und müssen Eindrücke und Erlebnisse verarbeiten. Die globalisierte Welt kann für einen weltumspannenden Austausch großartig und bereichernd sein, aber alle Probleme und Krisen in der Welt kommen so auch zu uns, und wir müssen lernen, alles das, was uns begegnet, einzuordnen und auch für uns zu bewerten. Das kann uns leicht überfordern. Wir können in der Schule natürlich so tun, als gehe uns die Welt „da draußen“ nichts an. Die Aufgabe der Schule ist es – und das gelingt nur, wenn Eltern uns als Schule intensiv unterstützen und ihre Kinder vorbildlich auf ihrem Lebensweg begleiten, die Schülerinnen und Schüler auf ein Leben vorzubereiten, in dem sie verantwortungsvoll, respektvoll und menschlich mit ihrer Umwelt interagieren. Hier finde ich die Initiative des Kultusministeriums zur Stärkung der Wertevermittlung sehr hilfreich und gut. Wer in der Kultur verankert ist, wer Wissen ins sich trägt – auch solches, das auf den ersten Blick unmodern oder überflüssig erscheint – und Werte vermittelt bekommen hat, kann auch in einer digitalisierten und technologisch weitentwickelten Gesellschaft dazu beitragen, dass die Angst vor der Welt und der Zukunft uns nicht überwältigt und die Gesellschaft in ihrer Substanz zerstört.

Und wie wollen Sie damit umgehen?

Dr. Michael Förster: Persönlichkeiten, menschliche Wesen entstehen durch Zuwendung, Wertschätzung, aber auch Regeln. Uneingeschränkte Freiheit, wie sie uns das Internet oft vorgaukelt, oder absoluter Individualismus zerstören ein gemeinschaftliches Zusammenleben, und deshalb muss sich jeder Einzelne immer wieder – wieder im Sinne der Aufklärung – die Frage stellen: Welche Konsequenz haben mein Handeln und mein Verhalten? Wir müssen uns stets bewusst sein, dass vorbildliches Verhalten und Zivilcourage wichtig sind, für Menschen, die nach einer Orientierung suchen – wer dem „Schlechten und Bösen“ nicht den Raum überlassen will, muss diesem selbst einen positiven Gegenentwurf entgegenstellen.

www.praelat-diehl-schule.de

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