Ein Wildnis und Einöd

Von Peter Erfurth.

Diesmal ein Beitrag aus Artikel der Heimatzeitung von 1957 aus den Unterlagen des Groß-Gerauer Stadtmuseums.

Wer sich im Großen Brockhaus einmal über die Kreisstadt Groß-Gerau informieren will, erfährt in lakonischer Kürze, daß man es 1954 mit 10 200 Einwohnern gegenüber 6 900 im Jahre 1939 zu tun hat, die zumeist evangelischer Religion sind. Als Besonderheiten sind ein Amtsgericht, ein Realgymnasium und eine Landwirtschaftsschule, das Versuchsfeld der Liebig-Universität Gießen und die Industriezweige Holz-, Zucker-, Lebensmittelverarbeitung, Preß- und Stanzwerk und Musikinstrumente genannt. Weiterhin erfährt man, daß Groß-Gerau 1398 Stadtrechte erhielt und im letzten Krieg zu 25 % zerstört wurde.

Nachdem Brockhaus weiter nichts zu berichten weiß, ist es ganz interessant, einmal die Vermerke ähnlicher Art nachzulesen. Die älteste bekannte Beschreibung Groß-Geraus stammt aus dem Jahre 1658, abgeduckt in Abraham Saurs „Stättebuch“. Darin heißt es „Geraw, Geroa vel Geravia, ein Fleck ode Stättlein, nicht weit von Franckfurt am Mayne, umb das Jahr Christi 1300 von den alten Grafen von Catzenelnbogen, so nicht weit hiervon gewohnet, erbawet“. Das Gerauer Land kommt in dieser Bescheibung schlecht weg, denn es soll vor dieser Zeit fast „ein Wildnis und Einöd hierumb“ gewesen sein. Der Verfasser vermutet, daß es vor Zeiten von den „Romanis oder anderen frembden Völckern, wie etliche Histori melden“, verwüstet worden sei.

Das „Gerawer Ländlein“ wird als sehr reich und fruchtbar bezeichnet, und als Hauptanbaufrüchte werden Wein und Korn genannt. Die Erträge des Bodens seien so reichhaltig, daß die Produkte bis nach den Niederlanden zu Schiff ausgeführt würden.

Die umfassendste Beschreibung stammt aus dem Jahe 1829 im Rahmen eine statistisch-topographisch-historischen Beschreibung des Großherzogtums Hessen. Groß-Gerau liegt demnach am Schwarzbach, umfaßt 235 Häuser und 1719 Einwohner. Von diesen sind 118 Bauern, 254 Handwerker und 67 Tagelöhner. Die Stadt ist Sitz des Landgerichts, des Rentamts und des Steuerkommissairs.

Die Kirche ist besonders erwähnt, weil sie mit ihrem hohen weißen Turm ein besonderes Wahrzeichen des Landes darstellt. Auch die Befestigungsanlagen bestanden damals noch, denn es heißt, daß Groß-Gerau mit einem wassergefüllten Graben umgeben sei, breite freundliche Straßen und einige überbaute Tore habe. Als besonderer Erwerbszweig werden die Torfgräbereien der Gemarkung bezeichnet, und das Hospital für die Hausarmen habe ein nicht unbedeutendes Vermögen.

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