Nachruf

Von Jürgen Volkmann.

Peter Erfurth ist tot. Die Nachricht hat bei meinen Mitarbeitern und mir Bestürzung ausgelöst. Jeden Montag fand er den Weg ins Stadtmuseum am Marktplatz, zog sich ohne Aufhebens in sein Arbeitszimmer im Untergeschoss zurück und arbeitete an einem Projekt, das man ohne zu zögern als herausragende Erschließungsarbeit zur Groß-Gerauer Geschichte beschreiben kann.

Seit mehr als zehn Jahren hat er die Bestände des Stadtmuseums nach Fotos, Dokumenten und Zeitungsveröffentlichungen der letzten gut 150 Jahre durchsucht, digital erfasst und in eine selbst konzipierte, hierarchisch strukturierte Datenbank eingespeist. Er hat damit eine Quelle historischen Wissens erschaffen, die in ihrem Umfang und in ihrer Qualität alles übertrifft, was in der Vergangenheit in der Groß-Gerauer Geschichtsforschung in dieser Hinsicht geleistet wurde. Peter Erfurth, der gebürtige Westfale, kam 1976 nach Groß-Gerau und war einer der Ingenieure der Nachrichtentechnik, die die Weltraummessstelle der Bundesnetzagentur am Leeheimer Rheindamm eingerichtet haben. Er war es gewohnt, mit der neuesten Computertechnik umzugehen und dies war die Grundlage für sein Projekt im Stadtmuseum, das er vor gut zehn Jahren aufnahm. Die Idee, alle verfügbaren Fotos und Dokumente von Groß-Gerauer Häusern und Institutionen in einer Datenbank zusammenzuführen und durch ein ausgeklügeltes Gliederungsschema mit wenigen Schritten verfügbar zu machen, war naheliegend und genial zugleich. Fortan konnte für nahezu jedes Haus der Kernstadt die Geschichte und die Abfolge der Nutzer und Nutzungen anhand verschiedenster Fotos und Eintragungen verfolgt werden. Darüber hinaus schuf er eine umfängliche Personendatenbank und eine Chronologie der Ereignisse unserer Stadt. Dieser neue Zugang zum Bestand beförderte die Museumsarbeit außerordentlich. Sonderausstellungen konnten fortan durch zeitsparende Recherchen auf noch vielfältigeres Material zurückgreifen. Wir erinnern uns an erfolgreiche Präsentation zur Geschichte der Firma Faulstroh, an die Ausstellung „Groß-Gerau im Luftbild“ und aktuell „Groß-Gerau im Wandel 1945 – 2000“. Aber nicht nur die Museumsarbeit profitierte von seiner Datenbank, sondern gleichermaßen viele Anfragen Groß-Gerauer Bürgerinnen und Bürger, die nun viel schneller bedient werden konnten. Peter Erfurth hat ganz wesentlich dabei mitgeholfen, die Geschichte unserer Stadt zugänglich und populär zu machen. Sein Archiv wuchs beständig. Jeden Montag wurden weitere Bände des vormaligen Kreisblattes und der Heimatzeitung nach Artikeln, Werbeanzeigen und manch Anekdotischem durchgearbeitet und in die Datenbank eingepflegt. Auf über 150.000 Einzelbelege ist sie inzwischen angewachsen. Was den Außenstehenden in ungläubiges Staunen versetzt, hat Peter Erfurth durch unermüdliche und kompetente Arbeit möglich gemacht. So nimmt es auch nicht wunder, dass er aus dem überreichen Material seit einigen Jahren eine Kolumne hier im WIR-Magazin unter der Überschrift „Gerauer Puzzle“ mit vielfach amüsanten Beiträgen wie zum Gerauer Karneval, zur Gaststättenkultur oder zu einschneidenden Ereignissen wie dem Autobahnbau veröffentlicht hat. Zuletzt hat er zusammen mit dem Unterzeichner den Bildband „Groß-Gerau im Wandel 1945 – 2000“ für den Magistrat herausgegeben und damit einen ganz wichtigen Beitrag zur Nachkriegsentwicklung unserer Stadt vorgelegt. Er hat sich dadurch in die Groß-Gerauer Historiographie eingeschrieben und es hätte noch zahlreiche Projekte und Ergebnisse seiner bemerkenswerten Arbeit geben können. Mit seiner Datenbank hat er für Groß-Gerau ein kulturelles Gut geschaffen, das weiterhin seine Früchte tragen wird und mit dem er uns nachhaltig in dankbarer Erinnerung bleiben wird. Als sympathischer, humorvoller Gesprächspartner wird er uns sehr fehlen.

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