Sturmwarnung

Von Ulf Krone.

Was Klimaforscher seit vielen Jahren vorhersagen, ist jetzt alljährliche Realität: Der Klimawandel ist in unser aller Alltag angekommen. Der rasche Wechsel zwischen hohen Temperaturen und immer verheerenderen Extremwetter-Ereignissen sowie das vermehrte Auftreten von Dürren, die nicht nur den Wäldern, sondern der gesamten Umwelt und auch uns Menschen zusetzen, stellen besonders die Einsatzkräfte der Feuerwehren und Rettungsdienste vor veränderte Herausforderungen.

Davon weiß auch Kreisbrandinspektor Friedrich Schmidt zu berichten, der in seiner Funktion die Leitung des Fachbereichs Gefahrenabwehr mit den Fachdiensten Allgemeiner Brandschutz, Vorbeugender Brandschutz, Katastrophenschutz und Einsatzplanung (mit Ziviler Verteidigung) sowie Rettungsdienst mit Zentraler Leitstelle verantwortet. Denn er hat nicht nur den Überblick über die im Kreis absolvierten Einsätze der Feuerwehren, sondern ihm obliegt außerdem die Aufgabe, Bedarfspläne zu erstellen und Strategien zu entwickeln, wie diese wachsenden Herausforderungen gemeistert werden können.

„Grundsätzlich gab es die Systematik Wald- und Vegetationsbrände und auch Extremwetterlagen schon immer, aber es hat sich da einfach eine Veränderung ergeben. Wenn man bei den Extremwetterlagen bleibt, dann hatte man früher eher das Gefühl, dass die Gewitterfront einmal über den Landkreis Groß-Gerau gezogen ist, und es war eine flächige Betroffenheit festzustellen, die aber nicht unbedingt zu einer großen Anzahl an Einsätzen geführt hat, weil in der Bevölkerung noch mehr Selbsthilfe gegeben war.“ Das sei in den vergangenen Jahrzehnten jedoch weniger geworden, und auch hinsichtlich meteorologischer Prozesse könne man Veränderungen beobachten. „Was wir feststellen ist, dass es oftmals nicht mehr die große Front gibt, die über den gesamten Kreis zieht, sondern es gibt punktuelle Ereignisse, die häufig von den Meteorologen nicht genau vorhergesagt werden können.“ So entstehen bei entsprechender Wetterlage Gewitterzellen immer öfter quasi aus dem Nichts, was dann zu Extremwettereignissen führen kann.

Großeinsätze wie etwa anlässlich der Flutkatastrophe im Ahrtal können natürlich nicht allein bewältigt werden, dann müssen Kräfte der umliegenden Gemeinden, Kreise oder – wie im Ahrtal vor zwei Jahren – aus dem gesamten Bundesland oder gar ganz Deutschland hinzugezogen werden. Selbst große Städte wie Frankfurt müssten in einem solche Fall auf Kräfte aus dem Umland zurückgreifen.

Um die jeweilige Lage richtig einschätzen und die Einsatzschritte entsprechend planen und koordinieren zu können, gibt es im Kreis bereits seit einiger Zeit die Möglichkeit, etwa bei Vorwarnungen durch den Deutschen Wetterdienst, präventiv zusätzliche Einsatzkräfte vorhalten oder mobilisieren zu können. Darüber hinaus kann die Zentrale Leitstelle Groß-Gerau im Einsatzfall in zwei Stufen zuerst unterstützt oder sogar verstärkt werden, was bedeutet, dass ein Lagedienst, ein Kreisbrandmeister mit entsprechender Qualifikation, bei der Einschätzung der Lage hilft. Das beinhaltet unter anderem die Frage, welches Gerät benötigt wird und welche Dienststellen dieses Gerät zur Verfügung stellen können, aber auch die Koordinierung von Einsatzkräften und Fahrzeugen. Und das ist eine durchaus sensible Frage. „Wenn ein punktuelles Ereignis wie zuletzt das Sturmereignis in Kelsterbach geschieht, müssen wir sicherstellen, dass nicht alle Einsatzkräfte des Kreises in einer Ecke versammelt sind und der Rest leergefegt ist, sondern dass die Versorgung überall aufrechterhalten werden kann“, erläutert Friedrich Schmidt die Aufgabe des Lagedienstes. Bei Großereignissen sorgt der nämlich dafür, dass die benötigten Kräfte der verschiedenen Standorte effektiv tätig werden können. In diesem Zuge werden auch THW und DLRG mit ihren spezialisierten Kompetenzen je nach Lage mit in die Einsatzplanung einbezogen.

Auch im Bereich Wald- und Vegetationsbrände, die aufgrund häufigerer Dürren und höherer Temperaturen zunehmen, wurde in den vergangenen Jahren bereits strukturell nachgeschärft, vor allem nach dem Großwaldbrand zwischen Mörfelden-Walldorf und dem Frankfurter Flughafen im August 2020, als eine Arbeitsgruppe Wald- und Vegetationsbrandbekämpfung gegründet wurde. Diese arbeitet mit dem Fachbereich Gefahrenabwehr des Kreises zusammen, woraus in diesem Jahr die erste Ausbildungsveranstaltung mit Fachleuten zu dem Thema sowie Beschaffungen resultierten.

Denn die Einsatztaktik bei Wald- und Vegetationsbränden unterscheidet sich laut Friedrich Schmidt deutlich von der etwa bei Gebäudebränden im urbanen Raum. „Man greift beispielsweise mit dem Wind an, und wenn es etwas abgekühlt ist, dann auch aus dem schwarzen Bereich, dem abgebrannten Bereich heraus, oder man beginnt an den Flanken des Feuers.“ Und dann muss je nach Lage entschieden werden, welche Bereiche nicht mehr gerettet werden können und aufgegeben und welche unbedingt geschützt werden müssen. Wo werden Schneisen geschlagen, um das Feuer aufzuhalten, wo sichere Bereiche für die Arbeit der Einsatzkräfte geschaffen? All das sind Fragen, die von der Einsatzleitung im Fall der Fälle schnell beantwortet werden müssen, Fragen, die sich Feuerwehrleuten früherer Tage nicht oder nur alle zehn Jahre einmal stellten.

Ein weiteres Thema sind die veränderten Anforderungen an die Fahrzeuge und Geräte im Fall eines Wald- oder Vegetationsbrandes. So werden dabei etwa Rohre mit geringerem Durchmesser genutzt, um den Wasserverbrauch zu reduzieren, da im Bereich außerhalb der Bebauung die Wasserversorgung durch fehlende Hydranten oftmals problematisch ist. „Aber das Weniger an Wasser reicht aus“, versichert Friedrich Schmidt. „Denn die Wendigkeit der Trupps bleibt erhalten, wenn die Schläuche dünner sind und das Gerät nicht so schwer ist. Es ist nicht so eine Belastung.“

Betrachtet man andere Szenarien, etwa Wipfelfeuer mit 20 Meter hohen Flammen, sieht der Fachmann Deutschland insgesamt derzeit noch schlecht aufgestellt. „Da sind wir wirklich hintendran. Es gibt keine Lobby dafür, dass man sagt: Wir brauchen auch Löschflugzeuge wie Spanien, Portugal, Frankreich etc.“ Zwar könne zum Löschen aus der Luft auf Hubschrauber zurückgegriffen werden, doch die Mengen, die in den Wassersäcken transportiert werden, sind natürlich nur ein Tropfen auf den heißen Stein im Vergleich mit den Mengen, die ein Löschflugzeug aufnehmen kann. Immerhin gebe es am Boden mittlerweile mehr großvolumige Löschsysteme, mit denen dann beispielsweise Siedlungen vor übergreifenden Wald- und Vegetationsbränden geschützt werden können.

Als Erkenntnis aus den Überlegungen der AG sind in den vergangenen Jahren verschiedene Geräte angeschafft worden, die den Anforderungen solcher Einsätze gerecht werden, von so genannten Kreisregnern bis zu besonders geländegängigen kleinen Fahrzeugen, um die Mobilität in schwierigem Terrain zu gewährleisten. Dafür wird auch über den Tellerrand, sprich: den eigenen Kreis, hinausgeschaut und bei der Anschaffung mit den Nachbarn zusammengearbeitet.

In den kommenden Jahren sollen noch spezialisierte Gelände- und watfähige Löschfahrzeuge folgen, die aber trotzdem flexibel sein müssen. „Wenn wir solche Fahrzeuge anschaffen, dann sagen wir natürlich: Was beim Waldbrand hilft, muss auch bei einem Extremwetterereignis einsatzfähig sein“. Ob Großfeuer oder Überschwemmung, Einsatzkräfte und Material müssen mit allem klarkommen, und das Material muss über den Kreis verteilt sein, damit nicht eine Einsatzbereich allein die gesamte Last zu tragen hat. Die Zahl der Einsatzkräfte ist mit etwa 1.600 im gesamten Kreis erfreulicherweise über Jahre stabil, in ländlicher geprägten Kreisen mit deutlich mehr Einsatzabteilungen sieht das jedoch zum Teil anders aus.

„Man muss immer dranbleiben und den Einsatzkräften mit Respekt begegnen, aber das Thema Gewalt gegen Einsatzkräfte ist inzwischen leider auch bei uns ein Thema. Das geht natürlich gar nicht!“ Das allerdings ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die derzeit in vielen Bereichen aktuell ist. So wie die sich ändernden klimatischen und meteorologischen Verhältnisse, die nicht bloß die Bevölkerung, sondern besonders die Feuerwehren, aber auch andere Hilfskräfte, vor große Herausforderungen stellen. Die Welt verändert sich, und wir müssen uns anpassen.

Der Kreisbrandinspektor ist zuständig für die Organisation und Leitung der Brandschutzdienststelle des Kreises, die Umsetzung der Anforderungen im vorbeugenden Brandschutz, die Wahrnehmung der beauftragten Gesamteinsatzleitung, die Organisation eines Brandschutzaufsichts- und Lagedienstes sowie die Unterstützung bei der Einsatzabwicklung der Feuerwehren, darüber hinaus für die Führung der bestellten Kreisbrandmeister/innen, die Wahrnehmung der Dienst- und Fach-Aufsicht über die kommunalen Feuerwehren, die Abstimmung der kommunalen Bedarfs- und Entwicklungspläne, die Organisation und Durchführung der Ausbildung auf Kreisebene, für Einrichtung und Betrieb des Kreisschulungs- und Ausbildungs-Zentrums, die Prüfung der Qualifikation der Feuerwehr-Führungskräfte, für Schutz und Sicherheit, die Beratung der Kommunen, die Beschaffung von Dienst- und überörtlichen Einsatzfahrzeugen und die Gremienarbeit auf Verbandsebene.

Das könnte dich auch interessieren …