Von Dante bis Dylan
Von W. Christian Schmitt.
In dieser Rubrik geht es um Dichter, Poeten, Lyriker, Verse-Schmiede, Wort-Produzenten etc. und um all das, was sie uns an Geschriebenem hinterlassen haben. Doch vor allem um das, was mir beim Katalogisieren meiner Lyrik-Bibliothek (neuerlich) begegnet, aufgefallen ist – und woran ich mich erinnere. Diesmal geht es um Autoren (und ihre Arbeiten) mit dem Anfangs-Buchstaben D.
Was verbindet eigentlich Udo Lindenberg z.B. mit Wolf Biermann, Franz Josef Degenhardt („Spiel nicht mit den Schmuddelkindern“; 1967 bei Hoffmann und Campe) oder Bob Dylan („Lyrics“, 2004 ebenfalls bei Hoffmann und Campe)? Sie alle haben in Sachen Songtexte Geschichte geschrieben. Biermann hat u.a. dafür 1991 den Büchnerpreis erhalten – und Dylan 2016 sogar den Literatur-Nobelpreis. Von Biermann, Degenhardt und Dylan finden sich in meiner Lyrik-Bibliothek einige Werke. von Lindenberg, den ich 1974 bei einem Auftritt in Hannover erleben durfte, jedoch nichts. Wenn man an sein „Perlensammlung“ genanntes Songbook mit den 100 besten Songs denkt, könnte man allerdings fragen, ob nicht auch dies in eine Lyrik-Sammlung passen würde.
Doch dies ist kein Problem, denn diesmal geht es ja einzig um den Buchstaben D. Und da gibt es bei 36 Autoren und deren 92 Bücher einiges neu zu entdecken. Zum Beispiel Dantes „Göttliche Komödie“, die – von Stefan George übersetzt – u.a. 1921 beim Verlag Georg Bondi erschienen ist. Allerdings umfasst diese Ausgabe nur 159 Seiten, im Gegensatz zu der 1991 bei Diogenes aufgelegten Fassung, die immerhin 651 Seiten stark ist.
Auffallend sind auch drei Autoren mit Darmstadt-Bezug. Von Fritz Deppert, den ich seit mehr als 50 Jahren kenne und schätze, stehen 16 Gedichtbände bei mir im Regal. Er war mehr als drei Jahrzehnte Lektor des Literarischen März, bei dem alle zwei Jahre Nachwuchs-Lyriker im Wettstreit um den Leonce- und-Lena-Preis antraten. Zu Depperts frühen Publikationen zählte u.a. der Gedichtband „Atemholen“, der 1974 in der Reihe fox-produktionen erschien. Deppert, Mitglied von PEN und VS, zudem Ehrenpräsident der Kogge, wurde 2017 mit der Goethe-Plakette des Landes Hessen geehrt.
Ebenfalls mit Darmstadt in Verbindung zu bringen sind der aus dem brandenburgischen Henningsdorf stammende Kurt Drawert sowie Margarete Dierks, die in kleineren Verlagen Titel wie z.B. „Immer weniger Worte“ oder „Lichtwandel. Gedichte aus Jahrzehnten“ (beide bei Liebig) veröffentlichte. Drawert, u.a. ausgezeichnet mit dem Leonce-und Lena-Preis, kann Suhrkamp zu seinem Hausverlag zählen, wo (aus meiner Sicht) wichtige Arbeiten wie etwa „Frühjahrskollektion“ (2002) oder „Wo es war“ (1996) erschienen sind.
Gut in Erinnerung geblieben ist mir ein Besuch bei Hilde Domin in Heidelberg, bei dem sie mir 1987 in ihre Publikation „Gesammelte Gedichte“ die Widmung schrieb: „Für W. Christian Schmitt, den lebendigen Gesprächspartner“. Bei Piper und S. Fischer erschienen jene Gedichtbände wie z.B. „Ich will Dich“, „Nur eine Rose als Stütze“ oder „Rückkehr der Schiffe“, in denen sie ihr Lebensschicksal verarbeitet hat. Viel Platz, exakt 15 Bände, ist bei mir reserviert für Annette von Droste-Hülshoff. Darunter auch Titel wie „Der Droste würde ich gern das Wasser reichen“ (1987 bei Faude) oder „Spiegelbild und Doppellicht“ (1983 in der Sammlung Luchterhand).
Kabarett-Freunde wissen mit der Figur „Heinz Becker“ etwas anzufangen und zudem, dass sich dahinter Gerd Dudenhöffer verbirgt. Wohl weniger bekannt sein mag, dass dieser Entertainer auch als Lyriker hervorgetreten und durchaus ernst zu nehmen ist. Bei Eichborn sind unter dem Titel „Opuscula“ zwei Bände erschienen.
Zum Schluss noch der Hinweis auf zwei für mich ganz besondere Bücher. Als einer der wohl umfangreichsten Lyrik-Bände darf der schon eingangs erwähnte Dylan-Titel zählen – mit nämlich insgesamt 1.150 Seiten Umfang. Übertroffen einzig von Droste-Hülshoffs Band „Gesammelte Werke“, der es beim Vollmer Verlag auf 1.271 Seiten bringt. Und schließlich der diese Kolumne abschließende Blick auf ein 1965 beim Merlin Verlag angezeigtes Lyrik-Debut einer damals blutjungen (gerade mal 16 Jahre alten) Hamburger Autorin namens Heike Doutiné. Mit „In tiefer Trauer“ begann sie ihre literarische Karriere, die sie bis ins Verlagsprogramm von C. Bertelsmann führte. In ihrem Merlin-Buch findet sich eingangs der mit „Für Optimisten“ überschriebene Dreizeiler: „Ich schwimme gegen den Strom./ Da dreht sich der Strom plötzlich um -/schwimmt mir nach.“ Dies entsprach damals wohl dem Zeitgeist unter uns jungen Menschen. Zumindest war er für mich Anlass, einige Jahre später zum Auftakt der Serie „Junge Autoren, Talente, Entdeckungen“, die ich 1972 für die Hannoversche Allgemeine Zeitung realisieren durfte, Heike Doutiné in Hamburgs Klein-Flottbek zu besuchen und zu interviewen. 50 Jahre später schrieb sie mir zu meinem Erinnerungsbuch „Willkommen in der Aula“ u.a.: „Vielen, vielen Dank für Ihr Werk, wahrlich eine vollbesetzte Aula…!“