Adressaten junger Politik

Von Rainer Beutel.

Maike Hanewald aus Gernsheim und Fiete Müller aus Groß-Gerau führen gemeinsam die Kreisschülervertretung (KSV). Die Institution hat es nicht immer leicht, sich Gehör zu verschaffen – weniger gegenüber der Politik, eher an manchen Schulen. Über ihre Aufgaben, Ziele und Schwierigkeiten, ernst genommen zu werden, hat sich Rainer Beutel von der WIR-Redaktion bei der Doppelspitze erkundigt.

Frau Hanewald, Herr Müller, über die Aufgaben der Kreisschülervertretung und des Kreisschülerrats ist im Internet nachzulesen. Wie gelingt es, Ziele umzusetzen? Was ist im schulischen Alltag erlaubt und wo enden Ihre Befugnisse?

Fiete Müller: Wir wären nicht die Kreisschülervertretung ohne ihre vielen engagierten Schüler, die in Ausschüssen mitarbeiten oder uns bei kurzfristigen Projekten unterstützen. Aber all unser Engagement ist unnütz, wenn das Gehör der Schulleitungen und Politiker verschlossen bleibt. Wir müssen von lokalen Machtträgern gehört werden, da wir allein nur die Schüler im Kreis erreichen, darüber hinaus jedoch niemanden. Grundlegende Veränderungen liegen bei den Verantwortlichen, die wir leider nur beraten und nicht kontrollieren können.

Haben Sie das Gefühl, dass die Politik Sie ernst nimmt?

Fiete Müller: Zwar sehen wir unsere Anforderungen als gehört, jedoch hat man öfters den faden Beigeschmack von: „Du bist ja nur der Schüler, ich verstehe, was du meinst, aber die Realität sieht halt anders aus, ich kenne die Probleme der Schüler eigentlich besser als du oder sie sind mir egal.“ Hierbei ist unsere Angst, dass unsere Aussagen abgeschwächt werden, weil uns Zurechnungsfähigkeit abgesprochen wird. Wir sind jedoch sehr wohl in der Lage, Situationen abschätzen zu können und demnach unsere Forderungen zu stellen. Diese sind nicht willkürlich gewählt, sondern tragen für Schüler eine wirkliche Relevanz und Notwendigkeit für ein gutes Zusammenleben mit Schule, Gesellschaft und Umwelt.

Wer sind die Ansprechpartner in der Politik? Auf welchen Ebenen gibt es Kontakte, wie darf man sich den Austausch vorstellen?

Maike Hanewald: Auf Kreisebene sind wir bekannt. Mit den einzelnen Parteien haben wir schon häufiger Interviews geführt und auch unabhängig davon unsere Forderungen an den Kreistag gebracht. Auch darüber hinaus sind wir mit den Land- und Bundestagsabgeordneten unseres Kreises in regem Austausch.

Wie werden Sie von der Lehrerschaft unterstützt? Gibt es da im Kreis nennenswerte Unterschiede, also Schulen, an denen die Lehrerinnen und Lehrer Sie besonders fördern oder sie sogar ignorieren?

Maike Hanewald: Anders als bei den Schülervertretungen ist hier an Gymnasien kein positiver Unterschied zu sehen, im Gegenteil. Dadurch, dass Schülervertretungen an Gesamtschulen meist von Lehrern geleitet oder mit auf den Weg gebracht werden, ist von ihnen auch mehr Input zu beobachten, was positiv sowie negativ ausfallen kann. Schulleitungen hingegen tun sich hin und wieder schwer mit uns, es herrscht oft die Haltung, welche gerade von Fiete beschrieben wurde vor. Es gibt aber auch positive Erfahrungen mit Schulleitungen. Auch Lehrer unterstützen uns, wie unser Verbindungslehrer, welcher immer „Feuer und Flamme“ für unsere Arbeit ist.

Welche inhaltliche Ziele stehen für die KSV im aktuellen Schuljahr und darüber hinaus an?

Maike Hanewald: Wie schon seit Beginn des Wiederaufbaus im Jahr 2019 bleibt unsere Priorität die Betreuung und Aktivierung der Schülervertretungen (SV), da weiterhin nicht jede Schule eine stabile eigenständige SV hat. Somit fehlt auch die Verbindung zur KSV. Einladungen werden buchstäblich weggeworfen, obwohl Schulen gesetzlich dazu verpflichtet sind, Delegierte für unser Gremium zu wählen und zu entsenden. Um neue und mehr Schüler dazu zu bewegen, an unserer Arbeit teilzuhaben, stehen dieses Jahr eine Podiumsdiskussion mit Jungparteien aus dem Kreis und die erste Zusammenkunft eines Grundschülerrats auf dem Programm.

Sind Sie persönlich und die übrigen Mitglieder im Vorstand eine besonders seltene Spezies junger Menschen, die sich gerne und stark engagieren, oder reißen sich Schülerinnen und Schüler darum, in der KSV Verantwortung zu übernehmen?

Maike Hanewald: Wir sehen vor allem zwischen den Schulformen Unterschiede, was nicht zuletzt am Altersdurchschnitt liegt. So sind gymnasiale Schülervertretungen oft selbstständiger, und der Andrang an Kandidaten für politische Ämter ist hoch, aber an den Kompetenzen der Schüler ändert das überhaupt gar nichts. Jeder Jugendliche hat die besten Voraussetzungen, ein repräsentatives Amt zu übernehmen, man muss nur einmal den Mut dazu haben, und dann wächst man in die Strukturen und vor allem in seine Herausforderungen herein.

Wie können Sie (noch) mehr Interesse bei Gleichaltrigen wecken? Wie und wo sorgen sie für Öffentlichkeit und Transparenz?

Fiete Müller: Unser Hauptmedium ist Instagram, hier erreichen wir die meisten Schüler und auch Schulen, die mit uns vielleicht noch nichts zu tun hatten. So laden wir sie dazu ein, in Diskussion mit uns zu treten und an Projekten mitzuarbeiten. Auch einen Einblick in unsere alltägliche Arbeit bekommt man hier am besten. Auch auf unserer Webseite kann man einiges nachlesen. Hier wollen wir künftig mehr mit der Kalenderfunktion arbeiten, um die Transparenz unserer Arbeit zu verbessern und Außenstehenden einen besseren Überblick zu zeigen.

Ganz persönlich: Wo sehen Sie beide sich in zehn Jahren? Eventuell in der Politik?

Maike Hanewald: Tatsächlich sind heutzutage viele ehemalige KSV-Mitglieder im Kreistag wiederzufinden. Wer nicht in die Politik gerutscht ist, hat meist Rechtswesen oder Lehramt studiert, woran die Arbeit auf dieser Ebene sicherlich beigetragen hat. Durch meine Interessen an Politik, welche ich auch aktuell im PoWi-Leistungskurs ausbaue, sehe ich mich in den kommenden Jahren in einem Studium mit dem Schwerpunkt Politikwissenschaften. Danach möchte ich aktiv an der Politik teilnehmen und diese mitgestallten.

Fiete Müller: Ich sehe persönlich für mich mehr offene Möglichkeiten denn je. Daher kann ich nicht genau sagen, wo genau ich in zehn Jahren beruflich sein werde. Vermutungen gehen ins Rechtswesen bis hin zur Bundeswehr. Dies ist ein sehr breit gefächertes Spektrum, und durch meine vielen Interessen ist es schwer, hier einen konkreten Weg oder Position abzuschätzen.

Zur Person: Maike Hanewald, 17 Jahre, besucht die zwölfte Klasse im Gymnasium in Gernsheim.
Fiete Müller, 18 Jahre, besucht die 13. Klasse der Prälat-Diehl-Schule in Groß-Gerau.

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