Ansprechpartnerin für alle
Von Rainer Beutel.
Frauenbeauftragte in Unternehmen und öffentlichen Verwaltungen üben einen – leider immer noch – dringend notwendigen Job aus. Sie achten unter anderem darauf, dass niemand benachteiligt wird. Wie das im Stadthaus Groß-Gerau gelingt, wo seit Kurzem Kerstin Kalweit als Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte tätig ist, hat sich WIR-Redakteur Rainer Beutel von der früheren städtischen Gesamtpersonalratsvorsitzenden erklären lassen.
Frau Kalweit, welche Hauptaufgaben haben Sie als Frauenbeauftragte der Kreisstadt?
Kerstin Kalweit: Meine Aufgaben ergeben sich nach dem Hessischen Gleichberechtigungsgesetzes und dem Allgemeinen Gleichberechtigungsgesetzes, soweit es um das Verbot von Benachteiligungen aufgrund des Geschlechts einschließlich des Verbots von sexuellen Belästigungen geht. Dies bezieht sich auf meine internen Aufgaben als Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte für die Beschäftigten der Stadtverwaltung.
Wie sieht Ihr typischer Arbeitstag aus?
Kerstin Kalweit: Ich unterstütze die Dienststellenleitung bei der Umsetzung dieser Gesetze. Dazu gehört etwa die Entwicklung von Maßnahmen zur beruflichen Frauenförderung und zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die Mitwirkung bei Stellenausschreibungen und am Auswahlverfahren sowie an Vorstellungsgesprächen für Personalstellen der Dienststelle und die Beteiligung bei Personalentwicklung. Außerdem initiiere ich Fort- und Weiterbildungsmaßnahmen, berate Einzelpersonen und bin Anlaufstelle für Fragen, Beschwerden und Anregungen. Das wird auch gut von den Beschäftigten angenommen.
Ist das relevant für die Bevölkerung?
Kerstin Kalweit: Oh ja, ich bin nach der Hessischen Gemeindeordnung (HGO) auch zur Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten bestellt und bin dadurch Ansprechpartnerin für die Bürgerinnen der Kreisstadt – und natürlich auch für die Bürger. Meine Vorgängerin hatte keine Bestellung zur externen Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten, weshalb sich hier für mich ein ganz neues Aufgabengebiet ergibt, das ich zunächst in der Öffentlichkeit transparent machen möchte.
Welche aktuellen Herausforderungen sehen Sie speziell für Frauen im Kreis GG sowie vor allem bei der Stadt?
Kerstin Kalweit: Ich bin seit Mitte Mai im Amt und befinde mich noch in der Einarbeitungsphase. Im Rahmen der Netzwerkarbeit suche ich die Kooperation mit dem Büro für Frauen und Chancengleichheit (BFC) der Kreisverwaltung. Das BFC ist unter anderem zuständig für die Zusammenarbeit und Koordination aller auf Kreisebene tätigen Frauenbeauftragten. Die ersten Kontakte gab es schon bei einem Schulungsangebot für neu bestellte Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte – ausgerichtet vom BFC.
Welche Projekte oder Initiativen haben Sie bereits erfolgreich umgesetzt und welche positiven Veränderungen konnten dadurch erreicht werden?
Kerstin Kalweit: Für Ende Oktober 2024 konnte ich kurzfristig eine Fortbildung für die Beschäftigten der Stadtverwaltung mit dem Titel „Klare Grenzen setzten oder: die Kunst, zu sich selbst zu stehen“ organisieren. Ich möchte etwas bewegen und verändern. Dazu gehört die Planung von Veranstaltungen und anderen Aktionen, um mich vor allem bei den Bürgerinnen und Bürgern bekannter zu machen.
Ein Beispiel bitte.
Kerstin Kalweit: Ich hatte bereits den ersten Kontakt zu einer bestehenden Frauengruppe und unterstütze deren Sprecherin auf der Suche nach geeigneten Räumlichkeiten für das monatliche Frauentreffen. Das Anliegen der Gruppe konnte ich in einem Jour Fixe mit dem Bürgermeister besprechen. Die ersten Gespräche mit den zuständigen Beschäftigten für die Raumvergabe innerhalb der Verwaltung wurden bereits geführt. Und am 25. November 2024 ist der Internationale Tag gegen Gewalt an Frauen und Mädchen. Für diesen Aktionstag befinde ich mich in der Planung, um auf das weltweite Problem aufmerksam zu machen.
Wie arbeiten Sie mit anderen Organisationen und Institutionen zusammen, um die Belange der Frauen zu fördern?
Kerstin Kalweit: Es gibt eine bestehende Arbeitsgruppe für alle Frauenbeauftragten auf Kreisebene. Dieser habe ich mich bereits angeschlossen und strebe an, Mitglied in der Landesarbeitsgemeinschaft Hessischer Frauenbüros zu werden. Diese Vernetzung der Frauen- und Gleichstellungsbüros im Kreis und auf Landesebene bietet ein Forum für frauenpolitische Diskussionen, Erfahrungsaustausch und Informationsfluss. So können wir die Rechte und Interessen von Frauen und Mädchen besser vertreten.
Welche Strategien und Maßnahmen setzen Sie ein, um die Gleichstellung von Frauen und Männern im beruflichen Umfeld zu fördern?
Kerstin Kalweit: Die Umsetzung und Anwendung des Gleichstellungsplans ist hier von großer Bedeutung. Neben dem Bürgermeister stehen alle Führungskräfte in der Mitverantwortung, dass der Plan und die formulierten Ziele umgesetzt werden. Es ist wichtig, dass alle Führungskräfte verpflichtend an einer Fortbildung zum Hessischen Gleichstellungsgesetz und an einem Präventionsseminar zur sexuellen Belästigung bzw. Mobbing am Arbeitsplatz teilnehmen. Ebenso ist die Sensibilisierung für Themen der Gleichstellung bei allen Beschäftigten sehr bedeutend. Dies gelingt durch Aufklärungsarbeit in Form von Gesprächen, Schulungen und auch Informationen durch Broschüren und Veranstaltungen.
Das heißt konkret?
Kerstin Kalweit: In unserem Frauenförderplan ist ein Appell an die Frauen verankert, der für mich sehr wesentlich ist. Dazu gehören einige Appelle: Traut euch, seid mutig, nutzt eure Qualifikationen und/oder baut diese aus; fordert aktive Väter; Familie wird zur Ressource. Familienpflichten müssen gerecht verteilt werden, denn Gleichstellung fängt im Kopf an. Und es geht um die faire Aufteilung von Pflichten in allen Bereichen.
Wie gehen Sie mit möglichen Widerständen oder Kritik an Ihrer Arbeit um, und welche Strategien haben Sie entwickelt, um Veränderungen zu verankern?
Kerstin Kalweit: Wo Menschen sind, gibt es unterschiedliche Meinungen. Das ist auch gut so. Ich höre mir Kritik an und lehne diese nicht sofort ab. Ich versuche, Kritik aufrichtig zu verstehen. Das gelingt nur, indem ich Abstand von den eigenen Emotionen nehme, achtsam zuhöre und sachlich bleibe. Dialog und Diskurs leben von der Vielfalt der Meinungen, und nur im gemeinsamen Gespräch können wir uns annähern.
Was sind Ihre langfristigen Ziele?
Kerstin Kalweit: Bei einer besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist aus meiner Sicht in der Verwaltung noch viel Luft nach oben. Hier sollte die Öffnung zu noch flexibleren Modellen im Bereich der mobilen Arbeit beziehungsweise Home Office und Arbeitszeiten sein. Familienfreundliche Arbeitsplätze sollten auch bei der Stellenbesetzung auf Führungsebene mehr berücksichtigt werden.
Frauen mit dem Wunsch nach Teilzeitarbeit sollten die Möglichkeit haben, diese Stellen bei gleicher Qualifikation besetzen zu können. Ich plane zudem, die Fortschreibung des Frauenförderplans der Stadtverwaltung, der am 31. Januar 2026 außer Kraft tritt, in die Wege zu leiten.
Wie möchten Sie dies in den nächsten Jahren realisieren?
Kerstin Kalweit: Unter anderem, wenn bei der Überarbeitung des Frauenförderplans Akteure aus den unterschiedlichen Bereichen innerhalb der Stadtverwaltung mitarbeiten und Bürgermeister Jörg Rüddenklau als Hauptverantwortlicher daran beteiligt ist.
Zur Person: Kerstin Kalweit ist seit 1986 angestellt bei der Kreisstadt Groß-Gerau, 28 Jahre als Erzieherin, elf Jahre in der Freistellung als Gesamtpersonalratsvorsitzende und Vorsitzende des örtlichen Personalrates. Frauen- und Gleichstellungsbeauftragte seit Mai 2024 mit 20 Wochenstunden, bestellt für sechs Jahre.