Die Sache mit der Energie
Von Ulf Krone.
Seit Monaten wird spekuliert, wie es mit Blick auf den Winter um die deutsche Energieversorgung steht. Nach dem Wegfall der russischen Gaslieferungen und den bis dato ungesehenen Preissprüngen für Energie wird hektisch nach Alternativen gesucht. Nun ist der Winter da, und die Situation scheint sich ein wenig beruhigt zu haben. Den aktuellen Stand der Dinge und wie ein regionaler Versorger wie die Stadtwerke Groß-Gerau Versorgungs GmbH (GGV) damit umgehen, erklärt GGV-Geschäftsführer Paul Weber.
Herr Weber, der völkerrechtswidrige Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine hat in den vergangenen Monaten zu einer beispiellosen globalen Energiekrise geführt, die auch hierzulande Politik, Gesellschaft und Unternehmen beschäftigt. Wie stellt sich die aktuelle Situation für einen kommunalen Energieversorger wie die GGV dar?
Paul Weber: Das derzeitige Umfeld ist selbstverständlich äußerst schwierig, und man muss in der Summe sagen, dass sich der Energiemarkt stark unter Druck befindet. So hohe Preise habe ich noch nie erlebt, und ich bin nun schon seit 40 Jahren dabei. Derart schwierig war die Lage noch nie. Als GGV sind wir natürlich ebenfalls betroffen und bekommen die Veränderungen zu spüren. Wir sind hier in Groß-Gerau der Grundversorger beim Strom und bieten unseren Kunden seit vier Jahren auch einen Gas-Tarif an. Da sind wir allerdings kein Grundversorger, das ist die Entega. Wir haben bereits früh und noch zu günstigeren Preisen Teilmengen Strom und Gas eingekauft, deshalb ist die Situation bei uns nicht so dramatisch wie bei einigen anderen Versorgern. Man sieht ja, was an anderen Stellen passiert. Was den Kaufzeitpunkt anbetrifft, haben wir Glück gehabt, denn die Preisschwankungen sind seit Beginn des Ukraine-Kriegs enorm.
Müssen die Menschen Ihrer Meinung nach mit Versorgungsengpässen oder gar den vielzitierten Blackouts über die Wintermonate rechnen?
Paul Weber: Die Versorgungssicherheit ist ein anderer Punkt. Da sind wir ein Glied in der Kette – und zwar relativ weit hinten. Gerade beim Gas sind wir auf einige Partner angewiesen, bis es beim Kunden ankommt. Aber da beobachte ich seit einigen Wochen ein gewisse Preis-Beruhigung, zwar auf einem hohen Niveau, aber dennoch eine Stabilisierung. Und das zeigt mir, dass es auch bezüglich der Mengen eine Beruhigung gibt, denn Mengenverknappung führt immer zu höheren Preisen und umgekehrt. Wenn die Marktteilnehmer befürchten würden, dass es zu Knappheit kommen könnte, würden sie zur Risikovorsorge mehr einkaufen und die Preise würden steigen. Das passiert derzeit nicht.
Die Versorgungssicherheit hängt letztlich von zwei Dingen ab: Wie kalt wird es im Winter – vielleicht über einen längeren Zeitraum, und wieviel können die Verbraucher, von der Industrie über den Mittelstand bis hin zu den privaten Verbrauchern, einsparen.
Jeder einzelne kann durch einen bewussteren Umgang mit Energie einsparen. Was bringt wirklich etwas, und wie spart man bei der GGV?
Paul Weber: Die Beleuchtung durch LED-Leuchtmittel zu ersetzen, ist ein wirklich guter Weg, Energie zu sparen. Dadurch konnten wir bspw. den Stromverbrauch der Straßenbeleuchtung in Groß-Gerau in etwa fast dritteln, was wirklich bemerkenswert ist. Außerdem die Senkung der Raumtemperatur, wobei da natürlich jeder seine persönliche Grenze finden muss, ab wann es zu kalt ist. Ansonsten Licht aus, wenn keiner im Raum ist, vielleicht eine Nacht- oder eine Wochenendschaltung bei der Heizung einstellen, was natürlich eher etwas für Unternehmen ist. Das alles machen wir auch bei der GGV.
Darüber hinaus motivieren wir unsere Kunden zum Sparen von Gas. Für jede Kilowattstunde, die im Vergleich zum Vorjahr eingespart werden kann, gibt es eine Gutschrift. In einem Jahr können wir dann vergleichen, wieviel in Deutschland generell eingespart wurde, und wir werden sehen, ob unsere Aktion noch zu zusätzlichen Einsparungen geführt hat.
Seit vier Jahren vertreibt die GGV auch Gas. Bis vor Kurzem hatten sie Neuabschlüsse „aufgrund der starken Nachfrage und der gestiegenen Großhandelspreise derzeit“ zeitweilig ausgesetzt. Wie ist die Lage beim Gas aktuell?
Paul Weber: Aufgrund unserer attraktiven Tarife haben wir sehr viele Anfragen aus Groß-Gerau bekommen und haben schließlich die Neukunden-Akquise einstellen müssen, weil sich die Preise zu schnell verändert haben. Wir hätten quasi täglich neue Tarife errechnen müssen, was für uns nicht leistbar ist, und die wären auch weniger attraktiv für die Kunden gewesen.
Jetzt ist diese Beruhigung der Preise gekommen, weshalb wir entschieden haben, wieder Neukunden anzunehmen. Denn aktuell bewegen sich die Preise auf einem zwar höheren, aber kalkulierbaren Niveau. Daher haben wir gesagt: Komm, wir machen das wieder!
Viele Menschen treibt die Angst vor immer weiter steigenden Energiepreisen um. Wie blickt man bei der GGV auf die Preisentwicklung im Energiesektor?
Paul Weber: Das ist eine schwere Frage. In diesem Jahr gab es viel Spekulation bei den Preisen. Die Situation war geprägt von Unsicherheit, was zu einer verstärkten Risikovorsorge geführt hat. Und das ließ die Preise nach oben gehen. Das lag aber nicht nur am Ukraine-Krieg, sondern auch am schnellen Aufschwung nach Corona. Es sind Kohle-Bergwerke stillgelegt worden, und dann kam die große Nachfrage im Zuge dieses Aufschwungs. Und wir sind ja längst keine regionale Insel als Kreis mehr, sondern sind verbunden mit der ganzen Welt. Es gab also schon vor dem Krieg höhere Preise. Allerdings geht man an den Märkten für die kommenden Jahren von etwas niedrigeren Preisen aus, aber auf einem höheren Niveau als vor Corona. Ob das so kommt, sehen wir dann in drei, vier Jahren. Die entscheidende Frage ist: Gelingt es Deutschland, schnell die regenerativen Energien auszubauen? Damit steigt dann nämlich das Angebot, und die Preise werden sinken. Die Erzeuger von regenerativer Energie haben außerdem niedrigere variable Kosten, da sie keinen Brennstoff benötigen, dessen Preise von den Weltmärkten abhängig sind. Und dadurch werden sie sich am Markt zwangsläufig durchsetzen.
Bei der GGV wird viel Wert auf eine nachhaltige und regionale Energieerzeugung gelegt. Sie betreiben zahlreiche Photovoltaikanlagen sowie die Biogasanlage in Wallerstädten. Steckt dahinter eine grundsätzliche Strategie?
Paul Weber: Im Vordergrund stehen für uns Nachhaltigkeit und Regionalität. Bei uns können die Kunden quasi sehen, woher die Energie kommt. Denn im Gegensatz zum Gas, von dem man nicht sagen kann: Mein Gas kommt von dort, wird Strom immer in der Nähe der Erzeugung verbraucht. Wenn unsere Kunden das Licht anstellen, können sie sich also relativ sicher sein, dass der Strom dafür zumindest teilweise tatsächlich von einer unserer Anlagen in der Region produziert wurde.
Dabei stand für uns das komplexere Projekt, die Biogasanlage, am Anfang. Die Stilllegung der Zuckerfabrik war Anlass, über Perspektiven für die ortsansässige Landwirtschaft nachzudenken, was uns auf eine Biogasanlage brachte. Erst im zweiten Schritt folgten die Photovoltaikanlagen, von denen wir mittlerweile zwischen 80 und 90 im Kreis betreiben. Hier arbeiten wir beispielsweise viel mit der Baugenossenschaft RIED zusammen, auf deren Gebäude wir Strom erzeugen. Den Stromverbrauch der darin wohnenden Mieter können wir hierdurch zu vergünstigten Preisen abrechnen. So profitieren alle Seiten.