Mit dem Rücken zur Wand

Von Ulf Krone.

Nach der Wiederwahl als Bürgermeister der Gemeinde Büttelborn blickt Marcus Merkel mit gemischten Gefühlen in die Zukunft. Einerseits gibt es viel zu tun, zahlreiche Projekte harren der Umsetzung oder Fertigstellung, andererseits zwingt die desaströse Haushaltslage zu absoluter Finanzdisziplin. Wie die aktuelle Stimmung ist und wie die Pläne für die zweite Amtszeit aussehen, verrät der Rathauschef im Interview mit WIR-Redakteur Ulf Krone.

Nach ihrer erfolgreichen Wiederwahl Anfang des Jahres sind Sie inzwischen in Ihre zweite Amtszeit gestartet. Die Bürger sind offensichtlich zufrieden mit Ihrer Arbeit. Wie nehmen Sie die Stimmung in der Gemeinde wahr – in einer immerhin angespannten Zeit?

Marcus Merkel: Ich freue mich zuerst einmal, dass mir die Büttelborner, Klein-Gerauer und Worfelder Bürgerinnen und Bürger erneut ihr Vertrauen ausgesprochen haben. Immerhin war bei dieser Bürgermeisterwahl für jeden etwas dabei, und damit meine ich meine beiden Gegenkandidaten Martina Flubacher und Markus Herdt, sprich: aus jedem Ortsteil unserer Großgemeinde war ein Angebot vorhanden. Die Stimmungslage in der Gemeinde mache ich immer an den Besuchen in meiner Bürgersprechstunde fest, und dabei dreht es sich meistens um Probleme beim ruhenden und fließenden Verkehr, wobei die Anzahl dieser Problemschilderungen noch überschaubar und auch lösbar ist, Thema Garagenparken. Ich würde uns ein gutes Stimmungszeugnis ausstellen.

Sie haben bereits vieles angestoßen, von der Verbesserung der medizinischen Versorgung über die Sanierung von Sportstätten, den Ausbau der Telekommunikations-Infrastruktur, die Planung der Photovoltaik-Anlage in Worfelden bis hin zum Solarförderprogramm für die Bürgerschaft und das Engagement zur weiteren Ansiedlung von Gewerbe in der Gemeinde. Was sind Ihre Pläne für die zweite Amtszeit?

Marcus Merkel: Zuerst einmal die genannten Projekte plus Rettungszentrum und Kita-Aus- und Umbauten finalisieren, und für die zweite Amtszeit würde ich gerne die geplante vierte Reinigungsstufe an der Zentralkläranlage umsetzen. Diesbezüglich warten wir auf den neuen Förderbescheid aus Wiesbaden, und ich hoffe, wir bekommen eine Förderquote von 80 % oder sogar 85 %. Bei einer Verdreifachung der ursprünglich in den Haushalt eingestellten Mittel ist dies auch dringend geboten, denn mit einer Förderquote von aktuell 55 % können wir uns diese modernste Art der Abwasserreinigung eigentlich nicht leisten. Ich würde auch gerne wieder ein Solarförderprogramm auflegen, das ist wirklich phänomenal von der Bürgerschaft angenommen worden, fiel aber leider ebenfalls dem Sparzwang zum Opfer. Auf die Zubau-Raten in den Jahren 2024 und 2025, welche uns von der Landes-Energie-Agentur (kurz LEA) zur Verfügung gestellt werden, bin ich schon mehr als gespannt, plus der anstehende Solarpark rund um den Sonnenhof Reitz in Worfelden mit ca. 70 MWp (Megawatt Peak, sprich: maximale Leistungskapazität; Anm. d. Red.). Dieser wird uns in die Lage versetzen, zumindest im Stromsektor die Großgemeinde Büttelborn bilanziell autark zu stellen. Eine weitere Info-Veranstaltung zum Solarpark mit dem Fokus Bürgerstrom wird am 25. Juni um 19 Uhr im Bürgerhaus Worfelden stattfinden.

Und wie sieht es mit der Finanzierung aus, sprich: dem Haushalt? Wieviel Spielraum haben Sie da noch, und wie blicken Sie diesbezüglich in die Zukunft?

Marcus Merkel: Alle Kommunen in ganz Hessen, bis auf wenige Ausnahmen wie etwa Eschborn, stehen mit dem Rücken zur Wand, und dabei spielt es keine Rolle, welches Parteibuch die Rathauschefin oder der Rathauschef hat. Dr. Ulrich Keilmann vom Hessischen Rechnungshof hat just folgendes veröffentlicht: „Die Haushalte der Kommunen in Deutschland geraten immer mehr in Schieflage. Allein in Hessen haben die kommunalen Kernhaushalte im Jahr 2024 ein Finanzierungsdefizit von rund 2,6 Milliarden Euro verzeichnet. Um überhaupt noch Investitionen in die vielerorts marode kommunale Infrastruktur tätigen zu können, wird immer wieder gerne auf die vielen Förderprogramme hingewiesen. Die Förderlandschaft ist allerdings problematisch. Allein der Zugang zu Fördermitteln wird für Kommunen von einem erheblichen bürokratischen Aufwand begleitet. Hat man diese erste Hürde genommen und ein passendes Förderprogramm gefunden, geht es weiter in langwierigen Antrags-, Genehmigungs- und Verwendungsnachweisverfahren.“ Dieses Statement zeigt eindeutig auf, in welchem Dilemma die Kommunen stecken, und es wird uns nicht retten, die freiwilligen Leistungen für Volks- und Bürgerhäuser zu streichen oder die gemeindeeigenen Bibliotheken zu schließen. Dies würde doch nur zu noch mehr Verdruss in der Bevölkerung sorgen und das Kernproblem nicht lösen. Es bedarf eines Strukturwechsels, und das Konnexitätsprinzip (wer bestellt, bezahlt) muss endlich gelebt werden. Das Land oder auch der Bund dürfen uns nicht immer mehr Aufgaben aufbürden, Thema Deutschlandticket, und wir als Kommune sollen dafür aufkommen. Ich habe unseren Innenminister Prof. Dr. Poseck auf einer Veranstaltung des Verbandes der kommunalen Wahlbeamten in Hessen in Lich bei Gießen persönlich darauf angesprochen, warum das sogenannte Alsfeld-Urteil nicht seitens der Landesregierung gelebt wird. Damit meine ich nicht nur die jetzige, sondern auch die davor Verantwortlichen, denn das Urteil stammt bereits aus dem Jahr 2013.

Gab es schon konstruktive Reaktionen auf den Brandbrief der Bürgermeisterinnen und -meister im Kreis? Immerhin scheint bezüglich der finanziellen Lage von Städten, Gemeinden und Kommunen ein Ende der Fahnenstange erreicht zu sein. In ersten Gemeinden (z.B. Groß-Gerau) mussten die freiwilligen Leistungen gestrichen werden, und für die Bürger werden die Belastungen durch steigende Grundsteuer-Hebesätze allmählich immer schwerer zu stemmen.

Marcus Merkel: Leider nein, und dies zeigt: Man wird überhaupt nicht ernst genommen!

Wirkt sich das auch auf den Stadtumbau aus? Wie geht es da weiter, wie sieht das weitere Vorgehen aus?

Marcus Merkel: Ich habe bereits Herrn Dr. Keilmann zitiert, und auch bei uns wird aktuell jeder Stein beim Stadtumbau, im wahrsten Sinne des Wortes, umgedreht. Die GLB (Grüne Liste Büttelborn, d. Red.) hat gerade einen Antrag in den Gremienlauf eingebracht, bei dem das sogenannte Innerstädtische Entwicklungskonzept komplett in Frage gestellt wird und zwar auch für bereits von der Gemeindevertretung beschlossene Maßnahmen. Dieser Antrag ist als Provokation zu verstehen und soll zum Nachdenken anregen, aber ich frage mich ernsthaft, warum wir uns unter meinem Vorgänger überhaupt auf den Weg gemacht haben, an dem Stadtumbauprogramm seit 2017 teilzunehmen. Ich hoffe, dass dieser Antrag keine Mehrheit findet. Wir sollten vielmehr die verbleibende Zeit nutzen, um den Stadtumbau voranzubringen und die von der Bürgerschaft gewollten Projekte wie das Seibert/Geier-Haus und auch die Mainzer Straße 15 zu verwirklichen, sprich die bereits ausgeschriebenen Konzepte auch umzusetzen. Das sind zwar enorme finanzielle Anstrengungen, aber mit einer Zwei-Drittel- Förderung durch das Land werden wir diese Projekte niemals günstiger für die Gemeinde realisieren können. Konsequenz daraus wäre ein weiterer Stillstand, und Stillstand bedeutet Rückschritt, ein Beispiel ist das alte Fachwerkhaus in der Mainzer Straße 14. Aktuell kreieren wir den neuen Verbindungsweg parallel zum Nachbarschaftstreff hin zum Friedhof und den Parkplatz in der Kirchstraße mit mehr Parkraum und auch Ladeinfrastruktur für E-Mobile. Das ist für mich der sichtbare Aufgalopp beim Stadtumbau, und dieser darf gerne bis zum Ende des Förderprojektes 2027/2028 gelebt werden.

Gemeinde Büttelborn

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