Neuer Weg in Nauheim

Von Rainer Beutel.
Seit April führt der 49-jährige Marc Friedrich als neuer Bürgermeister die Amtsgeschäfte in Nauheim. WIR-Redakteur Rainer Beutel hat sich bei ihm nach Aufgaben und Prioritäten, aktuellen Problemen und möglichen Lösungen erkundigt. Einfach wird es für den Amtschef wohl nicht.
Herr Friedrich, wie ist Ihr Start als Bürgermeister gelaufen?
Marc Friedrich: Es war ein wirklich rundum gelungener und folglich guter Start am 1. April und in der Zeit danach. Im Rahmen meiner Einstandsfeiern sowohl im Rathaus als auch bei den Mitarbeitenden außerhalb der Weingartenstraße habe ich nicht nur eine herzliche Willkommenskultur wahrgenommen, sondern auch verspürt, dass man sich freut, dass die oberste Stelle im Rathaus – nach einer wahrlich langen Überbrückungsphase durch unseren ehrenamtlichen Gemeindevorstand – wieder besetzt ist.
Wie stellen Sie als parteiloser Bürgermeister sicher, dass Ihre Entscheidungen von allen politischen Akteuren und der Bevölkerung gleichermaßen akzeptiert werden?
Marc Friedrich: Eine durchgehende Akzeptanz über alle genannten Gruppen hinweg ist anstrebenswert und wäre toll, wird meines Erachtens aber eher schwierig zu erreichen sein. Das haben mich zumindest meine über acht Jahre Nauheimer Kommunalpolitik gelehrt. Dies ist jedoch kein reines Nauheimer Phänomen: Denn die Wünsche, Vorstellungen und Ziele unterscheiden sich je nach Alter, Interessen, Beruf, etc. Es gilt folglich den größtmöglichen Nenner zu bilden, der die erforderlichen Interessen abdeckt. Wie schwer dies sein kann, sieht man beispielsweise an den Haushaltsberatungen in Bischofsheim, die sich seit nunmehr sage und schreibe Oktober 2024 ziehen. Dies gilt es für Nauheim durch u. a. aktive Kommunikation zu vermeiden.
Die Haushaltslage ist nicht nur in Nauheim angespannt – welche konkreten Schritte planen Sie, um die Finanzen zu stabilisieren, ohne die Grundsteuer zu erhöhen?
Marc Friedrich: Die angespannte Haushaltslage ist real und dieser müssen wir uns auch stellen. Diese Herausforderung trifft nicht nur auf Nauheim zu. Für mich war und ist eins klar: Steuererhöhungen dürfen stets nur das allerletzte Mittel sein. Mein Ansatz ist daher, strukturell zu arbeiten und den Finanzhaushalt zu optimieren, bevor wir über weitere Belastungen für die Bürgerinnen und Bürger diskutieren.
Das bedeutet konkret?
Marc Friedrich: Vorantreiben der Vermarktung und Erschließung des Gewerbeparks Süd und die generelle Generierung von Einnahmen und neuer Gewerbesteuerzahler. Gleichzeitig gilt es, Ausgaben kritisch zu überprüfen und Prioritäten zu setzen – denn nicht jedes Projekt kann in der aktuellen Lage sofort umgesetzt werden. Aber auch die interne Optimierung der Verwaltung wird seinen Beitrag leisten müssen: Durch schlankere Prozesse, digitale Lösungen und eine kluge Ressourcensteuerung können wir Mittel besser nutzen. Stabilität erreichen wir dabei nicht nur durch kurzfristige Maßnahmen, sondern durch eine konsequente, vorausschauende Strategie – daran arbeite ich gemeinsam mit dem Team im Rathaus.
Stichwort Finanznot in den Kommunen: Wie wollen Sie entlasten, und welche Alternativen sehen Sie zur Einnahmengenerierung?
Marc Friedrich: Der Ruf nach Kürzungen von Ausgaben wird regelmäßig als allererstes laut. Der damit verbundene Spielraum findet jedoch absehbar sein Ende, wenn man nur noch über Pflichtaufgaben sprechen kann. Als Kommune brauchen wir eine ausreichende Balance aus der Identifizierung neuer Einnahmequellen, einem effizienteren Mitteleinsatz, der konsequenten Identifizierung und Beantragung passender Fördermittel sowie kreativen, partnerschaftlichen Ansätzen gemeinsam mit unseren Nachbarkommunen, um so die Handlungsfähigkeit Nauheims in Zukunft sicherzustellen.
Also sollten die Kreiskommunen enger zusammenrücken?
Marc Friedrich: Ja, gerade in einer stärkeren Zusammenarbeit mit anderen Kommunen – beispielsweise durch gemeinsame Beschaffungen oder der Kooperation bei Aufgaben, die Synergien schaffen und Kosten senken können, gibt es Nachholbedarf. Hierbei stehe ich beispielsweise bereits mit dem Bürgermeister von Trebur im Austausch, um gemeinsam erste Synergien zu heben. Auch die seit 2013 bestehende interkommunale Zusammenarbeit von 14 Städten und Gemeinden Landkreises gemeinsam mit dem Landkreis bietet hier Chancen.
Und das bei dünner Personaldecke im Rathaus und in den Kitas?
Marc Friedrich: In der Tat ist die Personaldecke im Nauheimer Rathaus noch dünn. Wir arbeiten aber daran, diese Ausgangslage zu verbessern und haben unsere Personalplanung 2025 entsprechend ausgerichtet. Gemeinsam mit unseren Leitungsebenen, dem Personalrat und der Gleichstellungs- und Frauenbeauftragen arbeiten wir als Team, um die bestehenden Lücken schnellstmöglich zu schließen. Die sowohl zuletzt hohe Anzahl an Bewerbungen als auch die vielen guten Bewerber auf ausgeschriebene Stellen erfreuen mich und stehen Pate für eine positive Entwicklung. Neu eingestellte Mitarbeitende werden zudem aktiv in der Probezeit begleitet und bestätigen uns dabei, dass ihr Wechsel ins Nauheimer Rathaus nicht nur gut, sondern auch richtig war. Ich freue mich auf jeden neuen Mitarbeitenden, der zu uns ins Team kommt.

Ihre Vorgänger und die nachfolgende Vertretung haben unisono bestätigt: Es gibt enorm viel zu tun als Verwaltungschef. Können Sie das mal quantifizieren?
Marc Friedrich: Nach nunmehr rund sechs Wochen im Amt kann ich diese Aussage definitiv bestätigen. Neben dem Vorantreiben der allseits bekannten Themen wie Sanierung Schillerbrücke, Erschließung Gewerbepark Süd oder Ausbau Glasfasernetz gilt es für mich, schnellstmöglich einen guten und tiefen Einblick in die internen Abläufe und Prozesse zu erhalten. Fakt ist, dass die Aufgabenfülle in der Verwaltung in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen ist – sowohl quantitativ als auch qualitativ.
Das heißt konkret?
Marc Friedrich: Nun, zum einen stemmen wir klassische Pflichtaufgaben wie Bauleitplanung, Kinderbetreuung oder Bürgerdienste, die kontinuierlich umfangreicher werden. Zum anderen kommen immer neue Themen hinzu: Digitalisierungsvorgaben, Energie- und Klimaschutzanforderungen, komplexere Fördermittelabrechnungen oder kostenintensive soziale Herausforderungen. Daher ist es meine Aufgabe als Bürgermeister, nicht nur die Projekte voranzutreiben, sondern auch die Verwaltung zukunftsfähig aufzustellen, um die Vielzahl an Aufgaben dauerhaft und verlässlich zu bewältigen. Das damit verbundene Spagat ist kein leichtes Unterfangen, aber ich gehe es gerne und mit Freude gemeinsam mit dem Team im Rathaus an.
Sie haben im Wahlkampf mehr Transparenz versprochen – wie soll das konkret aussehen?
Marc Friedrich: Die angesprochene transparente und zeitnahe Kommunikation ist mir wichtig. Als ersten Schritt habe ich bereits mit den lokalen Pressemedien einen regelmäßigen Jour Fixe nach der Sitzung des Gemeindevorstands vereinbart. Darin berichte ich – im jeweils zulässigen Maß – über aktuelle Themen. Zudem plane ich eine regelmäßige Bürgersprechstunde, die möglichst auch online buchbar sein soll. Die Homepage der Gemeinde Nauheim, unser eigener Newsletter und auch Social Media sollen zielgerichteter genutzt werden, z.B. mit regelmäßigen Video- oder Textbotschaften. Das alles und einiges mehr werde ich mit unserer neu eingestellten Pressesprecherin nach ihrem Dienstantritt umsetzen. Und als Nauheimer Bürger bleibe ich grundsätzlich auch persönlich ansprechbar.
Wie möchten Sie verlorenes Vertrauen in der Bevölkerung wiederherstellen?
Marc Friedrich: Es gilt Verlässlichkeit und Verbindlichkeit zu leben, zu seinen Zusagen zu stehen und vor allem Dinge offen zu erklären, sofern sich diese nennenswert ändern. Die Verwaltung gilt es, wo notwendig, modern, bürgernah und serviceorientiert zu gestalten und bestehende Prozesse bei Bedarf oder auf Hinweis kritisch zu überprüfen. Gerne gehe ich mit gutem Beispiel voran und fördere eine Kultur des Miteinanders und der Serviceorientierung.
Was heißt das: „Ich gehe voran“?
Marc Friedrich: Ich konnte zum Beispiel bereits einen guten Eindruck von gelebter Bürgernähe und Serviceorientierung bei meiner mehrstündigen Hospitation in unserem Bürgerbüro erleben – das hat mich wirklich beindruckt.
Verstehe. Welche Prioritäten setzen Sie angesichts dieser vielen Ansätze und Herausforderungen?
Marc Friedrich: Bei beschränkten personellen Ressourcen, wie bei uns, steht für mich an erster Stelle die Sicherstellung einer funktionierenden und besser aufgestellten Gemeindeverwaltung. Daher baue ich auch darauf, dass die Gemeindevertretung meinen mahnenden Worten in der Haushaltsrede folgt und dem gemeinsam mit dem Gemeindevorstand erarbeiteten 2025er Stellenplan zustimmt. Denn ohne eine nachhaltig handlungsfähig aufgestellte Verwaltung können wir auf Dauer nicht die aufkommenden Herausforderungen erfolgreich angehen.
Und welchen Führungsstil bei der Zusammenarbeit mit der Verwaltung pflegen Sie?
Marc Friedrich: Die Arbeitswelt hat sich in den vergangenen Jahren gewandelt und damit auch ein Bedarf an neueren Führungsstilen. Aspekte wie das Wohlbefinden, die Motivation und das Engagement der Mitarbeitenden treten zunehmend in den Vordergrund und beeinflussen nachweislich Arbeitsklima und Erfolg. Hier kommt z. B. das sog. PERMA-Lead-Modell zum Tragen, das wesentlich dazu beiträgt, eine positive, motivierende Führungskultur zu etablieren, die Vertrauen und Gemeinschaft fördert, welche gerade in Zeiten von Veränderungen und Herausforderungen notwendig ist.
Kontakt: mfriedrich@nauheim.de