Tafeln in Not

Von Ulf Krone.

Zuwanderungszahlen auf einem gleichbleibend hohen Niveau, Inflation, hohe Energiepreise und jahrzehntelange Umverteilung nach oben durch die in diesem Punkt fast unveränderte Wirtschaftspolitik der wechselnden Regierungen haben dazu geführt, dass immer mehr Menschen von Armut betroffen sind.

Wenn erst Miete, Nebenkosten sowie dringend notwendige Ausgaben bezahlt wurden, bleibt am Ende des Monats oft nicht genug für Nahrungsmittel übrig, und immer häufiger trifft dies auch Menschen in Arbeit – etwa Geringverdiener. Am Ende bleibt den Betroffenen in zunehmendem Maße bloß, das Angebot einer der mehr als 970 Tafeln in Deutschland in Anspruch zu nehmen. Doch diese geraten ob der schieren Masse an Bedürftigen immer weiter unter Druck – personell, aber auch hinsichtlich der Spenden. Denn deren Menge schwankt nicht nur im Jahresverlauf, sondern nimmt sukzessive ab, weil Märkte immer effizienter versuchen, der Verschwendung von Nahrungsmitteln vorzubeugen, was ja aus ökologischer Perspektive auch gut und wichtig ist. Doch der steigenden Nachfrage können die Tafeln kaum noch nachkommen. Schon vor einem Jahr beklagte der Tafel-Dachverband, dass etwa ein Drittel der Tafeln in Deutschland zumindest zeitweise Aufnahmestopps verhängt hätten, und seither hat sich die Lage nicht verbessert.

Wie es derzeit bei den Tafeln in der Kreisstadt und in Riedstadt aussieht, die beide unter dem Dach der Regionalen Diakonie Groß-Gerau/Rüsselsheim organisiert und wo jede Woche etwa 500 Menschen versorgt werden, haben wir bei Jutta Till nachgefragt, die seit einigen Jahre federführende Mitorganisatorin der beiden Tafeln ist.

Inflation, steigende Kosten, mehr Bedürftige jeden Tag und weniger Spenden belasten die Tafeln in ganz Deutschland. Viele von ihnen haben bereits Aufnahmestopps verhängt. Wie sieht es in Groß-Gerau aus?

Jutta Till: In Groß-Gerau haben wir es bis jetzt immer ohne Aufnahmestopp hinbekommen. So wollen wir auch weitermachen. Wir versuchen es halt. Manchmal gibt es dann Engpässe, gerade am Anfang des Jahres, im Januar, Februar, auch im März, wie dieses Jahr, wo es besonders eng wird. Aber wir haben es immer hingekriegt, dass jeder was bekommen hat.

Und was die Spenden anbetrifft, passt das?

Jutta Till: Ja, es gibt dann halt Anfang des Jahres ein bisschen weniger. Aber das, was wir bekommen, können wir alles weitergeben.

Also in Groß-Gerau kein Aufnahmestopp?

Jutta Till: Nein.

Und wie ist es hier mit den neuen Bedürftigen? Wächst die Zahl – und wie stark?

Jutta Till: Ich sag mal: kontinuierlich, also so fünf bis zehn Personen pro Donnerstag [Red.: Tag der Ausgabe]. Manchmal ist es auch nur einer, also je nachdem.

Das summiert sich aber auf die auf Dauer!

Jutta Till: Ja, wobei ich schon auch mitbekomme, dass der ein oder andere dann doch vielleicht in einem Job ankommt. Wir haben immer das Problem, dass wir so etwas gar nicht gleich bemerken, denn diese Menschen kommen dann einfach nicht mehr. Man bemerkt es dann erst, wenn jemand ein halbes Jahr oder ein Jahr nicht da gewesen ist. Und dann nehmen wir die Kunden raus.

Wie sieht die Belastung der Mitarbeiter aus? Haben Sie genug Mitarbeiter, oder suchen Sie noch weiteres Personal?

Jutta Till: Ich bin die ganze Zeit Vollzeitkraft gewesen, jetzt haben wir auf die Vier-Tage-Woche umgestellt, und meine Kollegen arbeiten alle halbtags. Und wir haben viele AGH [Red.: Arbeitsgelegenheit] dabei, die uns vom Jobcenter vermittelt wurden. Da haben wir insgesamt 23 für die zwei Tafeln in Groß-Gerau und Riedstadt. Das ist eine große Unterstützung, weil die Herren – es sind viele Herren – können gut anpacken. Und dann haben wir ja noch das Ehrenamt. Aber wir suchen trotzdem kontinuierlich noch weitere Mitarbeiter, besonders Fahrer.

Wenn man sich etwas wünschen dürfte, was würden Sie sich wünschen, um die Situation zu verbessern, hier bei der Tafel und generell?

Jutta Till: Ich persönlich würde mir wünschen, dass die Politik mehr hinter der Sache steht und uns den Rücken stärkt, anstatt sich nur auf uns zu verlassen und dafür zu sorgen, dass immer mehr Menschen zu uns kommen müssen. Die Menschen sollten auch mehr Eigenverantwortung zeigen, also die, die es können. Es gibt auch andere, die es nicht können, das ist vollkommen in Ordnung.  Doch es werden überall so viele Arbeitskräfte gesucht.

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