Die Aufgaben des VdK

Von Rainer Beutel.

Altersarmut, Pflege, Personen mit Behinderungen: Der VdK kümmert sich um zahlreiche Themen, die den Menschen unter den Nägeln brennen. Dazu gehört die Sozialberatung, die aus den Ortsverbänden zum Kreisverband verlagert wurde. WIR-Redakteur Rainer Beutel hat sich beim VdK-Kreisvorsitzenden Patrick Nau (51) erkundigt, wie es dem größten Sozialverband Deutschlands gelingt, mit seiner Ehrenamtsarbeit immer wichtiger zu werden.

Herr Nau, früher wurden Mitglieder des VdK sozialrechtlich in den Kommunen beraten, inzwischen in Groß-Gerau in der Kreisgeschäftsstelle. Was hat das aus Sicht des VdK-Kreisverbands für Vorteile?

Patrick Nau: Früher wusste der Kreisverband nicht, was im Ortsverband besprochen wurde, und umgekehrt. Bei Rückfragen kann jeder Berechtigte nun direkt auf unsere Dokumentation schauen und sehen, was besprochen oder vereinbart wurde. Auch während unseres Urlaubs ist der Zugriff auf die Daten gewährleistet, damit es keine unnötigen Verzögerungen bei Nachfragen gibt. 

Sie können gegebenenfalls auch Juristen hinzuziehen. Wann werden ausgebildete Rechtsberater benötigt? Nennen Sie doch bitte mal das eine oder andere Beispiel.

Patrick Nau: Ein Beispiel wäre das Thema Wohngeld, hier wird immer an die Bezirksgeschäftsstelle Darmstadt verwiesen. Oder bei speziellen Fragen, die über das Wissen der Sozialberater hinausgeht, wie bei der Sozialhilfe, Bürgergeld und bei Fragen, bei denen sich die Sozialberater nicht sicher sind. Hier kann der Sozialberater bis abends einen Juristen erreichen. Bei einem meiner Fälle wurde einem Mitglied das ALG 1 gestrichen, und ich konnte keinen wirklichen Grund hierfür erkennen. Unsere Juristin war genau so verwundert und hat sich des Falls direkt angenommen. Dem Mitglied konnte direkt geholfen werden.

Ein anderer Vorteil ist die zentrale Datenerfassung – inwiefern?

Patrick Nau: Alle Dokumente werden elektronisch und unter Berücksichtigung der datenschutzrechtlichen Bedingungen gespeichert und sind für alle Kreisberater und die Assistenzen ersichtlich. Es wird nun eine elektronische Akte geführt und jeder Berater kann sich einen Überblick über die Historie verschaffen. Dies hat speziell bei weiteren Verfahren Vorteile, man sieht direkt, ob uns bereits relevante Unterlagen vorliegen. Z.B. ein Mitglied führt über uns einen Widerspruch gegen die abgelehnte Erwerbsminderungsrente und dann soll noch ein Grad der Behinderung festgestellt werden. Relevante Befunde können direkt aus der elektronischen Akte gezogen werden. Es gibt keine Papierakten mehr, die mindestens zehn Jahre eingelagert werden müssen. Wir haben vor kurzem 400 Kilogramm Akten, die meisten aus den Ortsverbänden, vernichten lassen.

Der VdK hat seine Aufgaben und Ziele über viele Jahre erweitert und ist heute eine wichtige Lobby für sozial Schwache. Wie kam es zu dieser Entwicklung?

Patrick Nau: Gegründet wurde der VdK vor mehr als 75 Jahren als Selbsthilfeorganisation von Kriegsopfern. Im Laufe der Jahre hat sich der Kreis derjenigen, für deren Interessen der VdK kämpft, stetig vergrößert. Heute ist der VdK mit 2,2 Millionen Mitgliedern der größte Sozialverband in Deutschland, der sich insbesondere für Menschen mit Behinderungen, chronisch Kranke und von Altersarmut betroffene Rentnerinnen und Rentner einsetzt.

Um welche Themen kümmert sich der Sozialverband in diesem Jahr besonders intensiv, was brennt den Menschen sozusagen unter den Nägeln?

Patrick Nau: Seit letztem Jahr läuft die Kampagne #Nächstenpflege, bei der es um die Situation in der häuslichen Pflege geht. Mehr als 80 Prozent der knapp fünf Millionen Pflegebedürftigen in Deutschland werden zu Hause betreut. Angehörige sind der größte Pflegedienst im Land und werden gleichzeitig von der Politik stark vernachlässigt. Deshalb machen wir auf sie aufmerksam: auf ihre enorme Leistung ebenso wie auf ihre Sorgen und Nöte.

Ein anderes Beispiel noch bitte.

Patrick Nau: Ein wichtiges Thema ist außerdem die Energiekrise. Bei der Energiepreispauschale hatte die Bundesregierung zunächst die Rentnerinnen und Rentner vergessen, worüber sich viele unserer Mitglieder sehr empört haben. Wegen dieser Ungleichbehandlung wollte der VdK zusammen mit anderen Verbänden eine Klage anstrengen, doch dann hat die Politik auf die Kritik reagiert und nachgebessert. Viele Menschen machen sich zurzeit Sorgen, wie sie einen Umbau ihrer Heizung bezahlen können. Auch der VdK ist überzeugt davon, dass die Energiewende notwendig ist. Doch die Maßnahmen müssen sozialverträglich sein.

Schließen sich die Menschen ihrem Verband erst an, wenn sie Beratungsbedarf haben oder kommen die Leute auch in jüngeren Jahren zu Ihnen? Und wie ist überhaupt kreisweit die Mitgliederentwicklung?

Patrick Nau: Zum Kreisverband kommen meist Menschen mit einem konkreten sozialrechtlichen Anliegen. In den Ortsverbänden organisieren sich viele Mitglieder, weil sie das gesellige Miteinander, die gemeinsamen Ziele und die gemeinsamen Unternehmungen schätzen. Etwa elf Prozent aller Mitglieder im Kreisverband Groß-Gerau hatten 2022 einen Beratungsbedarf. Die Mitgliederzahlen in unserem Kreisverband steigen kontinuierlich an, selbst während der Pandemiejahre konnten wir einen Zuwachs verzeichnen, wenn auch nicht mehr so stark.

Sie gehören selbst nicht zum sprichwörtlich „alten Eisen“. Warum ist es vielleicht auch sinnvoll, sich als jüngerer Mensch dem Sozialverband anzuschließen?

Patrick Nau: Der VdK ist auf jeden Fall ein Verband für alle Generationen. Wir setzen uns zum Beispiel für Lohngerechtigkeit ein und protestieren an jedem Equal Pay Day dagegen, dass Frauen im Schnitt immer noch 18 Prozent weniger verdienen als Männer. Ein wichtiges Thema ist für uns auch die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Dazu gehört auch, dass wir fordern, dass Männer und Frauen die unbezahlte Sorgearbeit – also Haushalt, Kindererziehung und Angehörigenpflege – zu gleichen Teilen übernehmen. Noch liegt hier die Hauptlast bei den Frauen. Aber auch wenn wir uns für unsere klassischen Themen wie gute Renten und Barrierefreiheit einsetzen, vertreten wir damit die Interessen der jüngeren Generation. Denn jetzt werden die Weichen für ihre spätere Altersabsicherung gestellt. Und von barrierefreien Zugängen zu Bussen, Bahnsteigen etc. profitieren auch junge Eltern, die mit dem Kinderwagen unterwegs sind.

Der VdK Kreisverband online

Zur Person: Patrick Nau (51 Jahre), seit seinem 13. Lebensjahr aktiv im Ehrenamt tätig, beim VdK seit 2009, dann Beisitzers im VdK-Ortsverband Nauheim, anschließend Juniorenvertreter, von 2017 bis 2021 stellvertretender Kreisvorsitzender, anschließend als amtierender Kreisvorsitzender nachgerückt und ab 2022 Vorsitzender. Seit 2018 zudem Sozialberater und seit 2021 Mitglied im Landesvorstand des VdK Hessen-Thüringen. Kontakt: patrick.nau@vdk.de

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