Mehr Wildnis wagen

Von Ulf Krone.

Bereits im Oktober vergangenen Jahres hat Werner Eitle, der auch für die Kolumne „WIR und die Umwelt“ im WIR-Magazin verantwortlich zeichnete, den Vorsitz des Naturschutzbunds (NABU) Groß-Gerau abgegeben. Aufgrund eines Umzugs verzichtete er, der viele Jahre an der Spitze des NABU Groß-Gerau gestanden hatte, auf eine weitere Kandidatur und machte Platz für Martina Polensky, die zur neuen Vorsitzenden gewählt wurde. WIR-Redakteur Ulf Krone hat bei der neuen Vorsitzenden nachgefragt.

Natur- und Umweltschutz sind heute in aller Munde. Junge Menschen engagieren sich gegen Klimawandel, Artensterben und Massentierhaltung. Wie und wann kam es bei Ihnen zu dem Entschluss, sich ganz konkret für die Natur engagieren zu wollen?

Martina Polensky: Beim Hessentag in Groß-Gerau 1994 hatte der NABU einen Stand, bei dem ich Werner Eitle kennengelernt habe. Gesucht wurde dringend jemand, der eine Kindergruppe aufbaut. Da mein Mann und ich beide aus der Pfadfinderbewegung kommen und lange in der Jugendarbeit tätig waren, haben wir uns dann in diesem Bereich engagiert. Bis 2001 habe ich die Kindergruppe geleitet, anschließend war ich für die Kassenführung verantwortlich. Ich bin sehr naturverbunden und viel in der Natur unterwegs. Ich finde es wichtig, sich für den Schutz der Natur einzusetzen.

Als neue Vorsitzende haben Sie nun die Nachfolge von Werner Eitle angetreten, der die Arbeit des NABU über Jahre geprägt hat. Wie wird es unter Ihrem Vorsitz weitergehen?

Martina Polensky: Werner Eitle hat die Zeit nach dem Ausscheiden aus dem Berufsleben genutzt, um sich für die Idee eines grünen Bandes um Groß-Gerau herum einzusetzen. Die Naturschutzallianz Grüner Gürtel Groß-Gerau, bei der sich ganz viele unterschiedliche Gruppen engagieren, z.B. Landwirte, Jäger, Privatleute, Imker etc. wurde bereits von UN Dekade biologische Vielfalt ausgezeichnet und hat letztes Jahr den Ehrenamtspreis des Kreises Groß-Gerau erhalten. Dieses Projekt möchte unsere Ortsgruppe weiterführen. Wir werden auch dieses Jahr wieder neue Flächen aussähen und Obstbäume pflanzen. Ich möchte die bestehenden Kooperationen ausbauen und neue Partner werben. Der NABU Kreisverband hat seit Oktober letzten Jahres eine junge Frau im freiwilligen ökologischen Jahr eingestellt, die zur Hälfte für unsere Gruppe tätig ist. Sie unterstützt uns z.B. bei der Digitalisierung unserer Flächen und Nistkästen sowie im Monitoring. Wir möchten mehr darüber wissen, wie unsere Flächen von den verschiedenen Insektengruppen angenommen werden. Und auch die Weiterentwicklung der Kindergruppe liegt mir am Herzen.

Hat sich die Corona-Pandemie auch auf die Arbeit des NABU ausgewirkt? Steht zu befürchten, dass Natur- und Klimaschutz aufgrund der globalen Krise wieder an Bedeutung verlieren, oder könnte diese Zäsur auch eine Gelegenheit zu einem generellen Umdenken bieten?

Martina Polensky: Die Corona-Pandemie hat sich vor allem auf unsere gerade erst gegründete neue Kindergruppe ausgewirkt, die gleich nach dem Start wieder zum Erliegen gekommen ist. Auf der anderen Seite hatten während Corona viele Menschen mehr Zeit, die Natur vor ihrer Haustür zu erkunden. Wir registrieren eher einen verstärkten Zulauf. Gerade auch die Blühflächen des Grünen Gürtels haben uns viel positive Resonanz eingebracht. Wenn wir zukünftigen Generationen eine lebenswerte Umwelt bieten wollen, in der es Tiere und Pflanzen gibt, die wir heute noch sehen und erleben können, dann müssen wir etwas tun!

Wenn man sich schon heute die konkreten Folgen des Klimawandels bei uns vor Ort betrachtet – vom Waldsterben aufgrund von Dürren über sich häufende Extremwetterereignisse bis hin zu immer neuen Tier- und Pflanzenarten, die das heimische Ökosystem aus dem Gleichgewicht bringen, dann blickt man automatisch mit Sorge in die Zukunft. Wie geht es Ihnen dabei, und was macht Ihnen noch Hoffnung?

Martina Polensky: Im bayrischen Wald kann man sehr eindrucksvoll sehen, wie aus totem Wald neues Leben erwächst. Natürlich machen der Klimawandel und das Insektensterben mir auch große Sorgen. Deswegen ist es umso wichtiger, nicht zu resignieren, sondern sich mit seinen Möglichkeiten vor Ort einzubringen. Und wir haben ja auch viele Erfolge hier in Groß-Gerau. Die in den 90er Jahren geschaffenen Naturschutzgebiete entlang den ehemaligen Neckarschleifen sind der Grundstein für die erfolgreiche Rückkehr der Störche.

Wenn es um den Schutz der heimischen Tier- und Pflanzenarten geht, was kann da jeder Einzelne von uns konkret im Alltag, im eigenen Garten, vor der eigenen Haustür beitragen?

Martina Polensky: Mehr Wildnis im Garten wagen. Es muss ja nicht gleich der gesamte Garten in eine Blühwiese verwandelt werden, aber ein paar kleine Ecken wären doch ein schöner Anfang. Wer sich mit Tieren und Vögeln etwas auskennt, kann seine Beobachtungen auf der Homepage von Naturgucker.de eintragen und so allen zugänglich machen. Öfter mal Fahrrad fahren (statt Auto). Hausbesitzer können durch Dämmung und Solaranlage das Klima schonen. Und natürlich ganz allgemein Rücksicht auf die Natur nehmen, z.B. keinen Müll wegwerfen und Hunde anleinen, gerade jetzt in der beginnenden Brutsaison.

Zur Person: Martina Polensky ist 57 Jahre alt, verheiratet und hat zwei Kinder. Seit 1994 ist sie im NABU Groß-Gerau aktiv, seit Oktober 2020 ist sie 1. Vorsitzende.

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