Von der bürgerlichen Gesellschaft

Von Ulf Krone.

„Die konkrete Person, welche sich als Besondere Zweck ist, als ein Ganzes von Bedürfnissen und eine Vermischung von Naturnotwendigkeit und Willkür, ist das eine Prinzip der bürgerlichen Gesellschaft – aber die besondere Person als wesentlich in Beziehung auf andere solche Besonderheit, so daß jede durch die andere und zugleich schlechthin nur als durch die Form der Allgemeinheit, das andere Prinzip, vermittelt sich geltend macht und befriedigt.“ (G.W.F. Hegel)

200 Jahre ist es her, dass der berühmte deutsche Philosoph Georg Wilhelm Friedrich Hegel seine „Grundlinien der Philosophie des Rechts oder Naturrecht und Staatswissenschaft im Grundrisse“ formulierte, und seine Sätze treiben noch heute Philosophiestudenten und ambitionierte Laien zur Verzweiflung. Dahinter aber stehen sowohl die vermutlich letzte universell ausformulierte Theorie der Philosophiegeschichte als auch Überlegungen, die nach wie vor Gültigkeit besitzen. Vereinfacht gesprochen beschäftigt sich das Eingangszitat mit dem Funktionieren von Gesellschaft im Spannungsfeld zwischen dem, was heute zumeist mit individueller Freiheit/Entfaltung bezeichnet wird, und dem Gemeinwohl, das auf ein friedliches und befriedigendes gesellschaftliches Miteinander abzielt. Laut Hegel basiert die bürgerliche Gesellschaft auf zwei Prinzipien, zum einem dem der Bedürfnisse und Wünsche des Einzelnen, zum anderem dem einer durch funktionierende Beziehungen angetriebenen Allgemeinheit, die ja potenziell vom Handeln jedes Einzelnen beeinflusst wird. Für Hegel ist der entscheidende Punkt, dass nur dann von einer bürgerlichen Gesellschaft gesprochen werden kann, wenn wir verstehen, dass unsere Bedürfnisse und Wünsche denen der Allgemeinheit nicht entgegenstehen sollten, weil nur eine solche bürgerliche Gesellschaft in der Lage ist, jene Bedürfnisse und Wünsche überhaupt zu befriedigen.

Daraus ergibt sich ein Netzwerk von Abhängigkeiten, in dem das Wohl und Recht des Einzelnen untrennbar verwoben ist mit dem Wohl und Recht der Allgemeinheit. Das eine ohne das andere ist für Hegel undenkbar. Der Mensch ist ein soziales Wesen, vereinzelt ist er verloren. Sicherheit und Recht, aber vor allem individuelle Freiheit gibt es nur innerhalb der Verflechtung, die wir Gesellschaft nennen.

Hegel nennt dieses System den „äußeren Staat“ oder „Not- und Verstandes-Staat“, und das hat noch nichts mit einem Staat im Sinne einer politischen Verwaltungsstruktur zu tun. Es meint vielmehr ein Miteinander, das sich aus Notwendigkeiten ergibt. Wer seinem Nachbarn das Haus anzündet, weil er ihn nicht leiden kann, muss damit rechnen, dass das eigene Haus als nächstes brennt. Und dieser Weg endet eigentlich immer im Bürgerkrieg, wie es in den USA derzeit zu beobachten ist.

Wer für sich selbst individuelle Freiheit und für seinen Nächsten Unterdrückung fordert, hat dieses grundlegende Prinzip nicht verstanden und ist dadurch eine Gefahr für die Allgemeinheit. Darüber sollte mancher hierzulande aktuell noch einmal eingehend nachdenken.

Ulf Krone
ist Redakteur beim WIR-Magazin
und studierter Philosoph;
ulf.krone@wir-in-gg.de

Das Rift Valley

Zur Abbildung oben.

Seit knapp zehn Jahren bereist WIR-Redakteur Ulf Krone mit seiner Frau Afrika, vor allem die so genannte „Wiege der Menschheit“, das Ostafrika entlang des Großen Afrikanischen Grabenbruchs (Rift Valley). Ihre Reisen zu zweit und zumeist mit öffentlichen Verkehrsmitteln dokumentiert er fotografisch und präsentiert die Bilder und Geschichten im Internet auf seiner eigenen Seite www.docugrAfrica.wordpress.com. In der neuen Reihe nimmt er die Leser des WIR-Magazins jeweils mit einem Bild mit in die faszinierende Naturlandschaft der Region sowie in Kulturen, die bei genauerem Hinschauen der unseren gar nicht so fremd sind.

Seit etwa 35 Millionen Jahren bricht entlang des Großen Afrikanischen Grabenbruchs (Rift Valley) von Dschibuti und Äthiopien im Norden über Uganda, Kenia, Tansania und Malawi bis hinunter nach Mosambik der Osten des Kontinents vom Festland ab. Dadurch entstanden einzigartige Lebensräume, die unter anderem die Entwicklung des Menschen begünstigten. Das Bild zeigt den Grabenbruch (v.l.n.r.) im Süden Äthiopiens mit dem Chamo-See sowie einem Regenbogen über den im Osten flankierenden Ahmar-Bergen.

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