Gemeinsam aufbauen und nicht konkurrieren
Von Rainer Beutel.
Im Vorstand der Jusos im Kreis Groß-Gerau gibt es drei Vorsitzende: Basel-Ahmad Mirza (Rüsselsheim) Maximilian Gegenheimer (Mörfelden-Walldorf) und Miriam Bach aus Nauheim. In unserer Reihe über junge Menschen, die (nicht nur politisch) Verantwortung übernehmen, hat WIR-Redakteur Rainer Beutel bei Miriam Bach nachgehakt, wie sie das Verhältnis zu den Jugendorganisationen von CDU, Grünen und FDP sieht und was sie von der Mutterpartei SPD erwartet.
Frau Bach, als Führungsmitglied der Jusos im Kreis Groß-Gerau können Sie uns sicher den Unterschied zwischen Ihrer Organisation, den Jungen Grünen und der Jungen Union erklären. Was ist bei Ihnen anders?
Miriam Bach: Unsere politische Ausrichtung ist selbstverständlich eine andere als bei der Grünen Jugend oder der JU. Unser Fokus liegt dabei auf sozialgerechter, feministischer und internationalistischer Politik. Es ist aber wenig sinnvoll, ständig die Unterschiede zwischen den einzelnen Jugendorganisationen herausstellen zu wollen. Mich interessieren unsere Gemeinsamkeiten viel mehr. Wir sind alle junge Menschen, die in unserer Gesellschaft etwas verändern wollen. Auf dieser Gemeinsamkeit sollten wir aufbauen, anstatt durch Konkurrenzdenken die politische Arbeit zu erschweren. Gemeinsam setzen wir als Demokraten ein Zeichen gegen Rechts und für eine stärkere Beteiligung der Jugend in der Politik.
Welche politischen Ziele haben Sie sich persönlich gesetzt?
Miriam Bach: Ich habe es mir zum Ziel gesetzt, die Kommunalpolitik jünger und weiblicher zu machen. Ich möchte junge Menschen und insbesondere junge Frauen motivieren, ihre Stimme zu erheben und sich für ihre Kommune zu engagieren. Kommunalpolitik soll nicht mehr langweilig und anstrengend sein, sondern jung und lebendig. Ein persönliches Herzensthema ist für mich die kostenfreie Bildung von der Kita bis zur Hochschule, da Bildungschancen nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängen dürfen.
Sind Sie zuversichtlich, mehr junge Leute für politische Themen zu begeistern? Wie wollen Sie das anstellen?
Miriam Bach: Wie so vieles im Leben, lebt auch die Politik von Vorbildern und starken Persönlichkeiten, die Menschen mitreisen und begeistern. Wenn ich es schaffe, durch mein Engagement auch nur einen jungen Mensch zu animieren, ebenfalls politisch aktiv zu werden, dann bin ich zufrieden. Konkret müssen die Jusos vor allem präsenter werden. In den sozialen Medien, bei Podiumsdiskussionen und in den Medien vor Ort. Durch Präsenz und inhaltlich gute Arbeit können wir junge Menschen von uns überzeugen.
Was machen Jungsozialisten eigentlich anders als ältere Sozialdemokraten?
Miriam Bach: Die Strukturen der Jusos sowie die Arbeitsweise innerhalb dieser Strukturen sind prinzipiell sehr ähnlich. Zwischen einem SPD-Ortsverein und einer Juso-AG gibt es meistens nicht so viele Unterschiede. Regelmäßige Sitzungen, inhaltliche Diskussionen – all das gibt es sowohl bei den „älteren Genossen“ als auch bei uns. Jusos setzen oftmals einen größeren Fokus auf Social Media. Plattformen wie Instagram sind für Jusos oft selbstverständlich, während Ortsvereine diese in den wenigsten Fällen nutzen. Diese Seiten werden oft von Jusos eingerichtet und verwaltet.
Was bedeutet das für die Zusammenarbeit?
Miriam Bach: Ich denke, es ist zwingend notwendig, dass „ältere Genossen“ und Jusos zusammenarbeiten. Wir Jusos bringen neue Ideen in die Vorstände und sind aber zeitgleich darauf angewiesen, die Abläufe der Kommunalpolitik kennenzulernen. Ohne die „älteren Genossen“ wären wir aufgeschmissen.
Und inhaltlich: Gibt es bei den Jusos andere oder weitergehende Ansätze als bei der Kreis-SPD?
Miriam Bach: Traditionell sind Jusos linker eingestellt als die „älteren Genossen“ und dadurch in ihren Forderungen oft radikaler. Hier im Kreis Groß-Gerau kann ich dies nicht zwingend bejahen. Das Verhältnis zwischen den Ortsvereinen und den Juso-AGs, sowie zwischen dem Unterbezirksvorstand der SPD und dem der Jusos, ist sehr gut. Inhaltlich wird konstruktiv zusammengearbeitet. Ich persönlich kann da nur für den Ortsverein Nauheim sprechen. Hier sind die Jusos aktiv im Ortsverein beteiligt und beeinflussen so die inhaltliche Arbeit.
Das heißt konkret?
Miriam Bach: Wir Jusos ergänzen die inhaltliche Arbeit der Kreis-SPD und der Ortsvereine um die Perspektive der jüngeren Generation. Im Unterbezirksvorstand der Jusos haben wir z.B. den Arbeitskreis Umwelt eingerichtet, der gerade eine Kleidertausch-Party plant, um auf das Thema der Ressourcenverschwendung für Kleidung aufmerksam zu machen. Erst vor kurzem wurde von uns außerdem ein Verkehrskonzept erarbeitet, dass unter anderem Car- und Bike-Sharing stärken soll. Auch die Förderung von Jugendparlamenten steht bei uns auf der Agenda und wir haben hierzu einen Antrag formuliert.
Keineswegs in allen Kreiskommunen gibt es Jusos. Wie wollen Sie das ändern?
Miriam Bach: An dieser Stelle kann ich mit Freude korrigieren: Doch, es gibt in allen Kreiskommunen Jusos. Jede Kreiskommune hat Mitglieder im Alter von 34 oder jünger. Was wir als Vorstand der Kreis-Jusos aktiv angehen wollen ist, dass es noch nicht in allen Kommunen eine Juso-AG gibt, in der diese Jusos sich austauschen können. Im Moment gibt es sechs Juso-Arbeitsgemeinschaften in Mörfelden-Walldorf, Groß-Gerau und Nauheim, sowie die Verbundgemeinschaften Mainspitze (Ginsheim-Gustavsburg und Bischofsheim), Untermain (Rüsselsheim, Raunheim und Kelsterbach) sowie Rhein-Ried (Riedstadt, Stockstadt, Biebesheim und Gernsheim). Damit es in allen Orten eine Struktur für Jusos gibt, planen wir neue Arbeitsgemeinschaften, die die Orte Büttelborn und Groß-Gerau, sowie Trebur und Nauheim miteinander verbinden. Dies muss jedoch noch mit den Ortsvereinen besprochen und beschlossen werden.
Wie denken Sie eigentlich über den neuen SPD-Bundesvorstand?
Miriam Bach: Ich persönlich bin mit dem neuen Vorsitzenden-Duo Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans sehr zufrieden. Das Versprechen, die SPD zu „erneuern“, wurde damit zumindest teilweise eingelöst. Und die SPD bekommt wieder ein deutlich linkeres Profil. Es ist an der Zeit, wieder mehr mit der Union auf „Konfrontationskurs“ zu gehen, um eigene Forderungen durchzusetzen. Auf dem jüngsten Unterbezirksparteitag haben die Jusos den Antrag eingebracht, Walter-Borjans und Esken zu unterstützen. Es hat mich sehr gefreut zu sehen, dass dieser Antrag mit breiter Mehrheit angenommen wurde.
Und dann gibt es ja noch den Juso-Bundesvorsitzenden Kevin Kühnert …
Miriam Bach: Ja klar, als Juso freut mich natürlich am meisten, dass unser Vorsitzender Kevin Kühnert mit einem guten Ergebnis zum stellvertretenden Parteivorsitzenden gewählt wurde. Das zeigt, welch großen Einfluss die Jusos innerhalb der SPD haben.
Apropos junge Politiker: Immer wieder mal machen junge Aktivisten wie Greta Thunberg Schlagzeilen. Sind das Vorbilder für eine politischer werdende Jugend?
Miriam Bach: Natürlich ist Greta Thunberg ein Vorbild für junge Menschen. Sie engagiert sich für eines der bedeutendsten Themen unserer Zeit – der Klimaschutz – und das mit einem Einsatz, der wirklich bewundernswert ist. Sie bleibt sich selbst treu und lässt sich durch die ständige Kritik, die ihr entgegengebracht wird, nicht von ihrem Ziel abbringen. Greta zeigt uns allen, dass man selbst eben doch etwas bewirken kann, indem man sich für seine Überzeugungen einsetzt und andere Menschen diesem Beispiel folgen.
Was halten Sie persönlich von Greta Thunberg und dem YouTuber Rezo, der für so viel Aufruhr bei der CDU gesorgt hat?
Miriam Bach: Sowohl Greta als auch Rezo sind in meinen Augen Sprachrohre für eine Generation, die sich von der Politik vergessen fühlt. Junge Menschen haben das Gefühl, ihre Interessen seien irrelevant und sie fühlen sich nicht ausreichend repräsentiert. Genau deshalb finden Greta oder auch Rezo einen so gewaltigen Zuspruch. Sie sagen das, was viele junge Menschen denken. Es ist aber wichtig zu bedenken, dass beide Extrempositionen beziehen, um einen Diskurs anzuregen. Dabei ist es nicht so wichtig, dass man den beiden in allem, was sie sagen zustimmt. Mich selbst freut es viel mehr, dass sie es geschafft haben, dass in vielen Familien oder auch in Freundeskreisen über politische Inhalte gesprochen wird. Das ist meiner Meinung nach eine positive Entwicklung, zu der Greta und Rezo beigetragen haben.
Und wo sind für Sie die Grenzen des politischen Diskurses erreicht?
Miriam Bach: In einem politischen Diskurs sollte prinzipiell jede Meinung gehört werden. Die Meinungsfreiheit ist eine Errungenschaft, auf die wir stolz seien sollten und die es zu verteidigen gilt. Der Diskurs endet jedoch für mich dort, wo Minderheiten diskriminiert, Personen beleidigt oder, wie im Falle der „Vogelschiss“-Debatte um Alexander Gauland nationalsozialistische Verbrechen relativiert werden. Ein Problem, dass dringend angegangen werden muss, sind Hass und Hetze im Internet. Es kann nicht sein, dass im Internet Menschen anonym Hasskommentare verbreiten können, ohne dafür belangt zu werden.
Zur Person: Miriam Bach, 20 Jahre alt, in Mainz geboren, in Nauheim aufgewachsen. Macht gerade an der Mainzer Uni ihren Bachelor der Politikwissenschaft, Beifach Öffentliches Recht. Mitglied der SPD seit Juli 2018, stellvertretende Vorsitzende der Juso AG Nauheim, Beisitzerin im SPD-Ortsvereinsvorstand Nauheim, Vorsitzende der Jusos im Kreis Groß-Gerau seit Dezember 2018.