Bildungsort Volkshochschule

Von Rainer Beutel.

Die hessischen Volkshochschulen haben eine landesweite Kampagne gestartet, um neue Lehrkräfte zu gewinnen. Die Kreis-VHS (KVHS) war maßgeblich an der Produktion beteiligt. Eine der vier Kursleitungen, die für Filmdreh und Fotoshooting ausgewählt wurden, ist Dozent Rolf Heintzenberg (Foto m.). Mit ihm entstanden Ende 2023 die Aufnahmen für Imagefilm und Kampagnenmotiv. KVHS-Leiter Dr. Stefan Hebenstreit erlaubt im Interview mit WIR-Redakteur Rainer Beutel einen genaueren Einblick auf Hintergründe und Zusammenhänge.

Herr Dr. Hebenstreit, bitte erklären Sie, um was es bei der Kampagne geht?

Stefan Hebenstreit: Die landesweite Kampagne „Werde Kursleitung an Deiner VHS“ hat zum Ziel, neue Kursleiterinnen und Kursleiter für die 32 Volkshochschulen in Hessen zu gewinnen. Der Corona-Lockdown war auch für den Arbeitsmarkt in der Weiterbildungs-Branche ein Einschnitt. Viele Kursleiterinnen und Kursleiter haben sich umorientiert oder die Pandemie als Anlass genommen, altersbedingt aufzuhören. Neue Dozenten brauchen wir aber auch, weil die Erwachsenenbildung aktuell und in Zukunft stark gefordert ist: Arbeitsmarktmaßnahmen und Fachkräfteschulungen, Gesundheitsbildung, Integrationskurse, Politische Bildung, Umweltbildung – das Aufgabenfeld ist breit. Im Nebeneffekt ist die Kampagne aber auch eine Werbung für das umfangreiche Kursprogramm der hessischen Volkshochschulen.

Will die Kreisvolkshochschule „nur“ auf eine ansprechende, moderne Art auf sich und ihre Angebote aufmerksam machen, oder sprechen Sie mit dem Medium Film gezielt ein anderes, neues bzw. jüngeres Publikum an?

Stefan Hebenstreit: Die Altersspanne ist breit, und sie soll es auch bleiben. Auch eine „Baby-Boomerin“, die nun in den Ruhestand geht und sich in der Rente etwas dazuverdienen will, ist mit ihrer Berufserfahrung oder ihrem Spezialwissen eine Bereicherung für das VHS-Programm. Und auch aufseiten der Kursteilnehmer darf das Alter nie ein Hindernis für persönliche Weiterbildung sein. Es geht uns also nicht darum, das Spektrum altersmäßig zu verjüngen, sondern neue Leute anzusprechen.

Erreicht die VHS mit den herkömmlichen (altbekannten) Werbemaßnahmen noch ihre Klientel, oder sehen sie, möglicherweise aufgrund eines gesellschaftlichen Wandels, neuen Handlungsbedarf?

Stefan Hebenstreit: Unsere Klientel – das sind alle Leute, die Interesse an lebensbegleitendem Lernen haben, egal ob aus beruflichem Antrieb oder aus individueller Motivation. Und so vielfältig wie die Bevölkerung im Kreis Groß-Gerau muss auch unser Angebot und unsere Ansprache sein. Das gilt mit Blick auf persönliche Weiterbildungsinteressen, aber auch in Bezug auf ein sich wandelndes Informationsverhalten der Leute.

Es läuft also nicht alles übers Internet?

Stefan Hebenstreit: Dem Medienwandel zum Trotz wird das VHS-Plakat im Aushangkasten am örtlichen Bürgerhaus oder Heimatmuseum aber nach wie vor wahrgenommen. Für uns als kommunaler Bildungsdienstleister heißt WWW nicht nur World Wide Web, sondern auch Walldorf, Wolfskehlen und Wallerstädten. Den persönlichen Kontakt kann kein Medium ersetzen. Eine aktuelle repräsentative Marktforschung im Weiterbildungssektor sieht die bundesweit rund 850 Volkshochschulen beim Thema „Präsenz vor Ort“ als führend an, und das wollen wir auch in Groß-Gerau bekräftigen. Zum Beispiel haben wir äußerst positive Rückmeldungen bekommen, als wir unlängst auf allen Wochenmärkten im Kreisgebiet mit Info-Ständen vertreten waren. 

Wovon hängt eine längerfristige Produktion bzw. Kampagne ab? Wie wird das finanziert?

Stefan Hebenstreit: Die 32 hessischen Volkshochschulen zahlen regelmäßig in einen Topf ein, aus dem landesweite Kampagnen finanziert werden. Dabei ist es wichtig, dass sich alle Weiterbildungsinstitute mit einer Aktion identifizieren können, egal ob Landkreis- oder Großstadt-VHS, ob im Rhein-Main-Gebiet oder in Nordhessen. In der Konzeption arbeiten deshalb Verbandsmitarbeiter mit Kollegen aus den Regionen zusammen, in der Regel unterstützt von externen Fachleuten. 

Plant die VHS weitere Werbemaßnahmen moderner Art, eventuell ein verstärkter Auftritt in sozialen Medien? Was ist darüber hinaus in der Pipeline?

Stefan Hebenstreit: Newsletter, regelmäßige Postings auf Facebook und Instagram, Kundenkommunikation per Kurznachricht – all das ist bei der KVHS Groß-Gerau bereits Standard. Wichtig war, ist und bleibt dabei Authentizität. Wenn zum Beispiel in unserer mit Landesmitteln geförderten Reihe „Wissensrouten“ ein Podcast zu lokalhistorischen Themen produziert oder in einem Ernährungskurs ein landwirtschaftlicher Direktvermarkter besucht und dort ein Video gedreht wird, dann ist das die beste Werbung, die ich mir wünschen kann. Welche Aktion wir als nächstes im Kreis Groß-Gerau umsetzen, darf ich natürlich nicht verraten. Ich kann die Leserinnen und Leser des WIR-Magazins aber schon mal ermuntern, in den nächsten Monaten nach dem bekannten VHS-Logo Ausschau zu halten. 

Welche personellen Ressourcen sind nötig, um solche Imageförderungen zu planen, einzuleiten und umzusetzen? Funktioniert das nur mit hessenweiter Unterstützung oder auch im Kleinen bei uns in der Kreisstadt?

Stefan Hebenstreit: Das funktioniert selbstverständlich auch in Groß-Gerau, wo wir mit unserem Team Öffentlichkeitsarbeit und der Kreis-Pressestelle gut aufgestellt sind. Außerdem haben wir die besten „Influencer“ tagtäglich in unseren Kursräumen: Zum einen rund 300 qualifizierte und hochmotivierte Kursleiterinnen und Kursleiter, die auf Honorarbasis für die KVHS Groß-Gerau tätig sind. Zum anderen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Kurse, aktuell circa 10.000 Belegungen im Jahr.

Und wer ist der sympathische Kursleiter, der im Film auftritt?

Stefan Hebenstreit: Dem Hessischen Volkshochschul-Verband war es wichtig, vier unterschiedliche Kursleiter aus ganz Hessen abzubilden. Einer der beiden Männer, die in den Videos zu sehen sind, ist Rolf Heintzenberg, gelernter Fotograf, studierter Kommunikationsdesigner und ehemaliger Mitarbeiter im Groß-Gerauer Landratsamt. Er gibt an der KVHS seit 28 Jahren Kurse zum Themenfeld Fotografie und hat dabei seine Kursinhalte stets dem allgemeinen Wandel und den Bedürfnissen der Lernenden angepasst. Nicht nur als die Digitalkameras und Programme zur digitalen Bildbearbeitung aufkamen. Als Rentner bietet Rolf Heintzenberg weiterhin Kurse an, im aktuellen Frühjahrssemester wieder die beliebte „KVHS-Fotorunde“, die am 3. April startet.

Kreisvolkshochschule Groß-Gerau
Filme der Kampagne sind zu sehen: www.kvhsgg.de/kursleiter-werden

Dr. Stefan Hebenstreit
ist promovierter Politologe und nach beruflichen Stationen im Hochschulbereich und in der Bildungsarbeit für Jugendliche und junge Erwachsene seit 2021 Leiter des Eigenbetriebs KVHS Groß-Gerau; stefan.hebenstreit@kvhsgg.de

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