Andere Arten folgen dem Rebhuhn

Von Rainer Beutel.

Viele reden über den Erhalt von Natur und Umwelt, übers Klima und den Insektenschutz. Die Naturlandstiftung im Kreis Groß-Gerau unternimmt wirklich etwas dafür, und das seit 25 Jahren. WIR-Redakteur Rainer Beutel hat sich beim Vorsitzenden Baldur Schmitt erkundigt, für was sich die Naturlandstiftung engagiert und welche sinnvollen Kooperationen dabei gebildet werden.

Herr Schmitt, beschreiben Sie doch bitte kurz, welchen Aufgaben sich die Naturlandstiftung widmet?

Baldur Schmitt: Die Naturlandstiftung hat sich seit Ihrer Wiedergründung vor rund 25 Jahren zum Ziel gesetzt, die Biodiversität innerhalb großer und zusammenhängender landwirtschaftlicher Flächen, wie sie im hessischen Ried besonders stark anzutreffen sind, zu verbessern. Sie setzt sich deshalb vehement für die Erhaltung unserer Kulturlandschaft im Kreis Groß-Gerau ein und engagiert sich finanziell und personell für eine Verbesserung der Vielfalt und Artausstattung der Landschaft in der nördlichen Oberrheinebene. Dies auch unter dem Aspekt des Klimawandels. Wir müssen alle Anpassungsstrategien nutzen, um eine halbwegs intakte und lebenswerte Umwelt in der Rhein-Main Ebene zu erhalten und die Temperaturerhöhung zu begrenzen.

Die Naturlandstiftung gibt es seit 1995. Was waren damals die Gründe, sich auf diese Weise zu engagieren?

Baldur Schmitt: Bereits vor einem Vierteljahrhundert trat massiv zutage, dass ein Artensterben zu einer zunehmenden Verarmung unserer Landschaft führt. Wir haben bei der Naturlandstiftung gerade deswegen das Rebhuhn zu unserem Wappenvogel erkoren, weil es aufgrund seiner Lebensweise besonders stark von den Veränderungen in der freien Landschaft betroffen war. Seit 1980 ist der Bestand nach Aussage des Deutschen Jagdverbandes um 94 Prozent zurückgegangen. Es galt sich deshalb besonders zu engagieren, denn wo man die Lebensbedingungen für das Rebhuhn verbessert, wandern andere Arten wieder in diese Landschaft ein.

Sie entwickeln, fördern und pflegen neue Biotope. Um was geht es dabei genau?

Baldur Schmitt: Richtig, durch den Aufbau und die Pflege vielfältig vernetzter Biotope soll die Funktionsfähigkeit der ökologischen Beziehungen in der Kulturlandschaft wiederhergestellt und langfristig gesichert werden. Die Naturlandstiftung legt deshalb seit vielen Jahren naturnahe Lebensräume an und nimmt bedrohte Biotope in ihre Obhut. Wir sind über die Arbeit an konkreten Projekten hinaus bemüht, gemeinsame Aktionen von engagierten Bürgern, Landwirten, Jägern und der Kommunalpolitik anzustoßen. Und wir zeigen auf, welche Möglichkeiten der Vernetzung in der Landschaft durch Grenzstreifen, Hecken, Streuobstwiesen, Blütenwiesen sowie extensiver Grünland- und Ackerrandstreifennutzung, sowie Grabenpflege möglich sind.

Was hat sich aus Ihrer Perspektive in Sachen Umwelt- und Naturschutz in 25 Jahren – hoffentlich zum Besseren – verändert?

Baldur Schmitt: Die Naturlandstiftung kann mittlerweile auf eine Vielzahl von ökologisch aufgewerteten Flächen im Kreis Groß-Gerau zurückblicken, die neue Lebensräume für Pflanzen- und Tierarten darstellen. Aktuell kümmern wir uns um 25 Flächen mit annähernd 20.000 Quadratmetern. Es handelt sich um Heckengürtel, Feldholzinseln, Streuobstflächen, Blütenwiesen, Sukzessionsflächen und Flächen, auf denen Insektenhotels zur Verbesserung der Situation für Solitärinsekten aufgestellt worden sind. Die Flächen befinden sich überwiegend in stark landwirtschaftlich genutzten Gebieten. Sie stellen Rückzugsräume für bedrohte Tier und Pflanzenarten dar und sind gleichzeitig Trittsteine für Arten, die auf Vernetzungslinien und –punkte in der Landschaft angewiesen sind. Die Naturlandstiftung konnte mit hohem finanziellen und personellen Einsatz neue Lebensräume gestalten und dem enormen Artensterben schon damit entgegenwirken.

Wobei sehen Sie den dringendsten Bedarf, sich weiter zu engagieren bzw. wo besteht noch großer Nachholbedarf?

Baldur Schmitt: Wie an dem Beispiel des Rebhuhns gezeigt, gibt es noch viele Arten, die Unterstützung benötigen. Die Naturlandstiftung möchte sich ganz speziell diesen Arten widmen und die ihr zur Verfügung gestellten Flächen so umgestalten, dass sich auch für diese Arten die Lebensbedingungen zukünftig verbessern. Wir denken an Bekassine, die Grauammer, den Flussregenpfeifer, den Kiebitz und etwa den Steinschmätzer. Nicht vergessen werden dürfen die vielen Amphibien und Reptilien, die ebenfalls starke Bestandseinbrüche erleben mussten und auch Schmetterlinge, denen wir neuen Lebensraum und neue Nahrungshabitate bieten können.

Wie finanziert die Naturlandstiftung ihre Arbeit?

Baldur Schmitt: Wir finanzieren uns über Zuschüsse des Landes Hessen, des Kreises Groß-Gerau, über Mitgliedsbeiträge und Spenden, sowie über Erbschaften. Die Naturlandstiftung richtet deshalb ganz besonders stark ihre Aktivitäten auf die Biodiversitätsstrategie des Landes Hessen aus, da die finanzielle Unterstützung für Neuanlagen und Pflegemaßnahmen absolut notwendig ist. Der Kreis Groß-Gerau hilft mit dazu beizutragen, dass wir im hessischen Ried besonders viele Trittsteine in der freien Landschaft aufbauen können. Die Naturlandstiftung hat sich in den vergangenen Jahren sehr viel Know-how für die Umsetzung der geplanten Maßnahmen in die eigenen Reihen geholt, was sich mittlerweile auszahlt. Die Grundstücke stammen übrigens entweder von den Gemeinden des Kreises oder von Privatpersonen, die sie uns kostenlos für einen Zeitraum von 15 bis 20 Jahren zur Verfügung stellen.

Gibt es eine Art Erfolgskontrolle und wenn ja, wie sieht diese aus?

Baldur Schmitt: Ja, jährlich bereist die Naturlandstiftung ihre Flächen mit den Mitgliedern, um zu zeigen, welche Fortschritte oder Pflegenotwendigkeiten vorhanden sind. Dabei werden Veränderungen beobachtet und festgestellt und mit den Mitgliedern angepasste Strategien zur weiteren Pflege und Behandlung der Flächen diskutiert. Auf speziellen Flächen erfolgt ein Monitoring durch unsere Mitglieder.

Was hat sich die Naturlandstiftung als nächstes vorgenommen?

Baldur Schmitt: Wir sind aktuell in der Diskussion mit Flächeneigentümern, damit neue Flächen gepachtet werden können. Hierbei handelt es sich vorwiegend um Ackerflächen, die zu wertvollen Biotopen umgestaltet werden. Die erwähnten Arten spielen in der Ausrichtung der Biotopstrategie eine besondere Rolle. Vorbild ist unser jüngstes „Vorzeigeobjekt“ auf einem von privater Hand zur Verfügung gestellten Grundstück in Erfelden. Dort haben wir eine Streuobstwiese angelegt und ein großes Insektenhotel aufgestellt. Als besonderen Clou haben wir erstmals auf diesem Grundstück eine Blühwiese angelegt, die jetzt im zweiten Jahr in ihrer Farbenpracht nicht nur vorbeigehende Besucher erfreut, sondern vor allem für Insekten und Schmetterlinge eine unverzichtbare Nahrungsquelle bietet. Das wollen wir fortan auch auf anderen Grundstücken verwirklichen.

www.naturlandstiftung-gross-gerau.de

Zur Person: Baldur Schmitt, 1941 in Walldorf geboren, Jurist, ist im WIR-Land vor allem durch seine politische Arbeit als ehrenamtlicher Kreisbeigeordneter (1985-2003) sowie als Vorstandsmitglied des SPD-Unterbezirks Groß-Gerau bekannt. Seit 2019 ist er Vorsitzender der SPD Mörfelden-Walldorf. Ferner prägen umfangreiche Lehr- und Vortragstätigkeiten sowie nebenamtliche Tätigkeiten seinen Werdegang, zum Beispiel als Sprecher der Kommunalen Arbeitsgemeinschaft Flughafen Frankfurt/Main von 1988 bis 2003. Die Naturlandstiftung führt Schmitt seit ihrer Gründung 1995.

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