Komplett neue Berufsausbildung

Von Rainer Beutel.

Junge Menschen, die Krankenschwester oder Altenpfleger werden möchten und sich anfangs vielleicht noch nicht sicher sind, wohin sie ihr beruflicher Weg letztlich führen soll, haben es nun einfacher: Ab Oktober greift die neue Generalistik, bei der die Ausbildung verschiedener Zweige zunächst einmal zusammengefasst wird. Was das für Lehrkräfte und den Berufsnachwuchs bedeutet, erklärt im Interview mit Rainer Beutel die Leiterin der Nauheimer Pflegeakademie Ruh, Martina Ruh.

Frau Ruh, bitte beschreiben Sie für unsere Leser kurz, um was es sich bei einer generalistischen Pflegeausbildung handelt?

Martina Ruh: Bisher wurden die Pflegeausbildungen getrennt nach dem Altenpflegegesetz und dem Krankenpflegegesetz geregelt. Diese beiden Gesetze werden jetzt im neuen Pflegeberufegesetz zusammengeführt. In dem neuen generalistischen Ansatz der Pflegeausbildung werden alle klassischen Pflegeberufe, darunter die Altenpflege, die Gesundheits- und Krankenpflege sowie die Gesundheits- und Kinderkrankenpflege zu einem Beruf zusammengeführt. Dadurch entsteht eine komplett neue Ausbildung mit dem Berufsabschluss Pflegefachmann oder Pflegefachfrau.

Was sind die Vorteile einer generalistischen Ausbildung?

Martina Ruh: Die neue generalistische Ausbildung hat mehrere Vorteile für alle Beteiligten. Zum einen wird die neue Ausbildung in allen EU­ Mitgliedstaaten anerkannt. Zum zweiten erleichtert die generalistische Ausbildung den Wechsel von Pflegekräften zwischen den einzelnen Versorgungsbereichen. Darüber hinaus wurden Änderungen durch das Pflegeberufsgesetz neu festgelegt. Sie regeln zum Beispiel den Anspruch auf eine angemessene Ausbildungsvergütung. Erstmalig werden Vorbehaltsaufgaben für Pflegefachpersonen definiert. Außerdem schreibt das Gesetz höhere Anforderungen an die Ausbildungsbetriebe vor und verlangt eine höhere Qualifikation der Praxisanleiter in den Betrieben. Zudem werden Mindestanforderungen an Pflegeschulen formuliert, um eine hohe Ausbildungsqualität zu sichern. Schließlich werden höhere beruflichen Anforderungen an Schulleitungen und Dozenten gestellt, wie eine Schulgeldfreiheit für alle Auszubildenden geregelt wird.

Sehen Sie auch Nachteile oder neue Erschwernisse?

Martina Ruh: Der größte Nachteil bzw. die größte Erschwernis für die Einführung der generalistischen Ausbildung stellt COVID 19 dar. Wir mussten alle Fortbildungen und monatlichen Treffen mit den Praxisstellen ab März 2020 einstellen. Das können wir auch nicht mehr aufholen.

Was ändert sich dadurch für eine Ausbildungsstätte wie Ihre Pflegeakademie?

Martina Ruh: Da wir eine lange Vorlaufszeit hatten, haben wir die nötigen Veränderungen schon seit 2019 schrittweise eingeführt. Dazu gehören die Erhöhung der Anzahl festangestellter Dozenten mit den richtigen Qualifikationen, ein neues Schulverwaltungsprogramm, die Beteiligung an der Digitalisierung der Schulen und ein Curriculum, erstellt nach gefordertem neuem pädagogischem Ansatz. Auß0erdem haben wir Kooperationen für alle Fachbereiche geschlossen.

Profitieren früher oder später auch die Pflegebedürftigen?

Martina Ruh: Erstmals werden die Tätigkeiten (Vorbehaltsaufgaben), die nur von Pflegefachfrauen bzw. Pflegefachmännern durchgeführt werden dürfen, gesetzlich geregelt. Sie dürfen also nicht mehr an anderes Personal delegiert werden. Dadurch erhofft man sich eine qualitativ hochwertigere Pflege.

Der Pflegeberuf ist sehr anstrengend, egal ob in der Altenpflege oder im Krankenhaus. Ist eine höhere Abbruchquote zu befürchten, wenn anfangs das Berufsziel noch nicht ganz klar ist?

Martina Ruh: Auch wenn es sich um eine neue Ausbildung handelt, sind die Berufsziele klar definiert. Ob es zu einer hohen Abbruchquote kommt, hängt vor allem von der pädagogischen Begleitung der Auszubildenden in der Praxis ab und von der Zusammenarbeit mit der Schule.

Wie beurteilen Sie die Arbeitsmarktsituation für ausgebildete Altenpfleger und Altenpflegehelfer?

Martina Ruh: Die Arbeitsmarktsituation für Absolventen einer reinen Altenpflegeschule sind sehr gut. Alle Auszubildenden, die das Examen schaffen, haben schon am Ende des zweiten Ausbildungsjahres einen Arbeitsvertrag unterschrieben. Auch der Klinikbereich hat die Fachkräfte der Altenpflege mit seinen Kenntnissen im Bereich der Gerontologie für sich entdeckt.

Zur Person: Martina Ruh, Krankenschwester und Pflegepädagogin, gründete 2014 die Pflegeakademie Ruh in Nauheim mit nunmehr 120 Schulplätzen.

m.ruh@pflegeakademie-ruh.de

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